Als die Revolution von 1918/19 in Deutschland der kaiserzeitlichen Sozialpatronage ein Ende setzte, suchten die Industriellen nach einer neuen Strategie, um die Arbeiter an sich zu binden und dem Einfluss der Gewerkschaften zu entziehen. Abhilfe versprachen hier die Arbeitswissenschaften: Bei nachhaltiger Bewirtschaftung könne Arbeitsenergie bis ins Alter erhalten bleiben, durch positive Gemeinschaftserlebnisse und ein verbessertes Verstehen des eigenen Tuns könne die Arbeitsfreude gesteigert werden. Um solche Erkenntnisse in die Praxis zu überführen, wurde 1925 das »Deutsche Institut für technische Arbeitsschulung« (DINTA) gegründet. Nach 1933 wurde das DINTA in die Deutsche Arbeitsfront integriert und prägte als »Amt für Berufserziehung und Betriebsführung« das Erwerbsleben im NS-Staat entscheidend mit. Die Gestaltung der Arbeitswelt gehörte in der NS-Diktatur zu den maßgeblichen Feldern, auf denen die »Volksgemeinschaft« verwirklicht werden sollte; in der »Betriebsgemeinschaft« wurde sie wie in einem Mikrokosmos erfahrbar. Doch das »Wohlbefinden«, das der Betrieb unter Nutzung der neuesten Erkenntnisse der Arbeitswissenschaften sicherzustellen versprach, musste mit einer angepassten Lebensweise und dauerhafter Leistungsbereitschaft vergolten werden. Frank Becker erschließt in diesem Buch auf breiter Quellenbasis völlig neue Aspekte der nationalsozialistischen Gestaltung der Arbeitswelt und legt deren Wurzeln in der Weimarer Republik frei.
»Frank Beckers Buch ist nicht zuletzt deshalb verdienstvoll, weil es den Blick auf die fatalen Folgen lenkt, die falsch verstandene Gemeinschaftsideale in Krisenzeiten haben können, nicht nur zwischen 1933 und 1945. Mit seiner (...) ganz vorzüglichen Studie zum DINTA bahnt Becker künftigen Forschungen zur 'Menschenökonomie' und zu über Gemeinschafts-Termini ideologisierten 'Arbeitspraktiken' weit über die NS-Zeit hinaus den Weg.« Rüdiger Hachtmann, H-Soz-und-Kult, 11.01.2023