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Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 kommt es weltweit zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen nicht allein durch Terrorakte, sondern durch die weltweite Terrorismusbekämpfung.

Produktbeschreibung
Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 kommt es weltweit zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen nicht allein durch Terrorakte, sondern durch die weltweite Terrorismusbekämpfung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.10.2007

Vor dem Untergang?
Rolf Gössners düsteres und polemisches Bild des Rechtsstaats

Zu den gebetsmühlenartig wiederholten Thesen linksliberaler bis linker Intellektueller gehört die Behauptung, dass sich nach den Anschlägen des 11. September 2001 - ohne hinreichenden Grund, versteht sich - das politische Klima grundlegend verändert habe: Freiheitsrechte und Menschenwürde, Datenschutz und Unschuldsvermutung hätten den ihnen gebührenden hohen verfassungsrechtlichen Rang eingebüßt. Angetrieben von einem paranoiden Sicherheitsstreben, habe der permanente, rechtsstaatswidrige Ausnahmezustand Platz gegriffen. Rolf Gössner, Rechtsanwalt und Publizist, Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, bedient in seiner polemischen Streitschrift dieses Klischee auf das Vortrefflichste. Denn er zeichnet das düstere Bild eines untergehenden liberalen demokratischen Rechtsstaats, der von einem autoritären, um nicht zu sagen totalitären Überwachungsstaat abgelöst zu werden droht.

Das schiefe Bild entsteht durch jene Einseitigkeit der Betrachtung, die Gössner umgekehrt denen vorwirft, die seines Erachtens einem Sicherheitswahn erlegen sind, dem angeblich alle liberalen Freiheiten geopfert werden. Feinbildproduktion, Angstpolitik, öffentliche Hysterie - so nur einige wenige von Gössners Vorwürfen -, sie fallen sämtlich auf den Autor selbst zurück. Als wohlfeiles Feindbild fungieren Sicherheitspolitiker und Geheimdienste, die sich angeblich gegen die verfassungsrechtlich geschützte Bürgerfreiheit verschworen hätten. Außerdem schürt Gössner Angst vor dem vollständigen Verlust elementarer Freiheitsrechte des Einzelnen, Angst vor sicherheitspolitisch verbrämter Fremdenfeindlichkeit und Angst vor humanitär ummänteltem staatlichem (Gegen-)Terror. Hysterisch wird vor Tyrannei durch entgrenzte staatliche Macht gewarnt. Der liberal-demokratische Rechtsstaat wandle sich zum präventiv-autoritären Sicherheitsstaat - als ob sich dieser Rechtsstaat nicht auch die vorsorgliche Gewährleistung der Sicherheit seiner Bürger von jeher auf die Fahnen geschrieben hat, wenngleich nicht autoritär. Indem Gössner dieses Adjektiv einschmuggelt, tut er so, als ob die von ihm kritisierten Antiterrorgesetze nicht demokratisch legitimiert wären, obwohl sie bekanntlich nicht als exekutive Notverordnungen, sondern auf regulärem parlamentarischen Wege in Kraft gesetzt worden sind. Selbstverständlich gehören diese Gesetze auf den rechtsstaatlichen Prüfstand, und es ist auch nicht von vornherein auszuschließen, dass sie einer solchen Prüfung nicht ausnahmslos standhalten. Aber wer wie Gössner ganz undifferenziert und pauschal die Verfassungswidrigkeit sämtlicher Freiheitsbeschränkungen behauptet, betreibt nicht Aufklärung, sondern bloß Demagogie.

Der noch nicht konkretisierten, deshalb keineswegs irrealen, nicht bloß eingebildeten Gefahr lässt sich mit den klassischen polizeilichen Mitteln der Gefahrenabwehr, aber auch mit solchen der Gefahrerforschung nicht wirksam wehren. Wenn der Staat in einer solchen Situation nicht schlicht untätig bleiben soll, muss die Eingriffsschwelle vorverlegt werden, muss er intensive Gefahren- und Risikovorsorge betreiben. Nur breitflächige Vorfeldüberwachung verspricht hier Sicherheitsgewinn. Aber rechtfertigt er die damit unweigerlich verbundenen Freiheitsverluste? Der Staat des Grundgesetzes, der Sicherheit und Freiheit gleichermaßen garantieren soll, grundrechtlich in doppelter Pflicht steht, befindet sich hier offensichtlich in einem Dilemma, und die gebotene Auflösung der Pflichtenkollision ist bei erheblichen Eingriffen in die Freiheit von unbescholtenen Bürgern, denen der diffuse Gefahrenverdacht nicht zugerechnet werden kann, alles andere als evident.

Der Rechtsstaat muss die prekäre Balance von Freiheit und Sicherheit wahren und immer wieder austarieren. Neue Bedrohungen können dabei nicht einfach ausgeblendet oder schlicht in Abrede gestellt werden. Auch wenn Gössner sich immer wieder bemüßigt fühlt zu beteuern, wie ernst er die Terrorgefahren nehme, seine Schrift vermittelt einen anderen Eindruck. Von den verheerenden Terroranschlägen von New York, Madrid und London ist keine Rede, und die in Deutschland im Sommer 2006 versuchten Kofferbombenattentate dienen ihm nur dazu, gegen die Videoüberwachung in Bahnhöfen zu Feld zu ziehen, weil dadurch "Täter nicht gestoppt werden könnten - allenfalls später besser ermittelt" (?!). Und wie sieht seine Alternative aus? Er plädiert für eine "zivile" Innen- und Außenpolitik der Kooperation und der Deeskalation sowie einen kritischen und offenen Dialog mit den Muslimen. Gut und schön. Aber reicht dies, um zu allem entschlossene, verdeckt operierende Terroristen zu stoppen?

CHRISTIAN HILLGRUBER

Rolf Gössner: Menschenrechte in Zeiten des Terrors. Kollateralschäden an der "Heimatfront". Konkret Literatur Verlag, Hamburg 2007. 288 S., 17,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Eine "Verteidigung des deutschen Rechtsstaates" sieht Rezensent Martin Forberg in Rolf Gössners Studie "Menschenrechte in Zeiten des Terrors". Die Intention des Autors sieht er darin, auf die Entwicklung des Rechtsstaats hin zu einem "präventiv-autoritären Sicherheitsstaat" hinzuweisen, sie zu dokumentieren und zu analysieren, aber auch bürgerschaftliches Engagement zur Verteidigung des Rechtsstaates vorzustellen. Gössner mache deutlich, dass die Neugestaltung der inneren Sicherheit in Deutschland den Verlust von Grundrechten nach sich zieht. Dabei hätten Maßnahmen wie Telefonüberwachung, Rasterfahndung, Computerausspähung keinen Terroranschlag verhindert. Forberg hebt hervor, dass Gössner nicht nur das staatliche Handeln kritisiert, sondern auch die weit verbreitete Sehnsucht nach trügerischer Sicherheit in der Bevölkerung.

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