In der aktuellen Flüchtlingsdebatte stellt sich immer dringlicher die Frage nach einem neuen Gesellschaftsvertrag. Dabei sind insbesondere drei Aspekte zu berücksichtigen: erstens die politische Durchsetzung von Menschenrechten als eine moderne Errungenschaft der Geschichte;zweitens die soziale Unterfütterung dieses rechtlichen Schutzes durch uralte kulturelle Werte wie Empathie und Solidarität, und drittens ein Kanon von Regeln des fairen und respektvollen Zusammenlebens unter Einheimischen und Zugewanderten. Für diesen Kanon, der jenseits kultureller Differenzen als gemeinsame Verpflichtung anerkannt wird, schlägt Friedenspreisträgerin Aleida Assmann den Begriff der »Menschenpflichten« vor, deren fünftausendjährige Geschichte sie rekonstruiert und für die Gegenwart aktualisiert.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Dieses Buch von Aleida Assmann ist bereits vor einem Jahr erschienen, angesichts des Friedenspreises für die Autorin und ihren Ehemann, den Ägyptologen Jan Assmann, jetzt um einen zweiten Teil erweitert worden, informiert Kritiker Ulrich Gutmair. Im ersten Teil beschreibt Assmann, wie sich der "Kanon der guten Lebensführung" über die Jahrhunderte global gebildet hat. Dabei steht die Pflicht zu einem zivilisierten sozialen Umgang neben den universell geltenden Menschenrechten, lesen wir. Im zweiten Teil erklärt Assmann ganz konkret, wie wichtig Höflichkeit, Anstand, Zivilität, Anerkennung, Respekt und Empathie sind - wobei sie Empathie und Respekt nicht uneingeschränkt empfehlen kann. So ausgerüstet, meint Gutmair, braucht man fürs gute Zusammenleben keine spezifisch deutsche Leitkultur mehr.
© Perlentaucher Medien GmbH
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