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Eine historisch-philosophische Grundlegung der Menschenrechte.

Produktbeschreibung
Eine historisch-philosophische Grundlegung der Menschenrechte.
Autorenporträt
Dr. Norbert Brieskorn SJ ist Professor für Rechts- und Sozialphilosophie an der Hochschule für Philosophie München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.11.1997

Was nötig ist, muß möglich sein
Norbert Brieskorns entwaffnendes Plädoyer für die Menschenrechte

"Grundrechte kann man einklagen, für Menschenrechte muß man kämpfen", schreibt der Jurist Wilhelm Henke. Den Kampf kann man mit der Feder und mit der Waffe führen. Ihn mit der Feder zu führen ist billiger, auch intellektuell, weil der Wille zum Sieg den Horizont des Kämpfers bestimmt. Eine Waffe ist gefährlich objektiv und kann das Leben von Menschen kosten, für die dann das Ur-Menschenrecht auf individuelle Existenz gegenstandslos wird.

Norbert Brieskorns "Menschenrechte" sind eine Kampfschrift mit der Wucht einer "historisch-philosophischen Grundlegung", aber keine Polemik, sondern geschrieben mit der gütigen Großzügigkeit dessen, der von der Richtigkeit seiner Überzeugung völlig überzeugt ist. Der Kämpfer für Menschenrechte findet in der Schrift alle Argumente, die er braucht. Widersprüche werden im Namen der Menschenrechte ausgeräumt. Beim Einsatz von Waffen gegen schwere Menschenrechtsverletzungen beispielsweise sind "das Ergebnis und die Kosten an Menschen gegeneinander abzuwägen". Auf den Unterschied zwischen der Abwägung vor und nach dem Einsatz geht Brieskorn nicht ein.

Natürlich bestreitet er nicht, daß die Menschenrechte geschichtlich gewachsen sind. Aber: "Allen Rechtskulturen ging es um den Menschen." Das Recht selbst ist die Keimzelle der Menschenrechte. Geschichtlichkeit ist daher nicht Relativierung, sondern Entfaltung der einen, am Menschen orientierten Gerechtigkeit. Eine solche Gerechtigkeit setzt freilich "die eine, erkennbare Menschennnatur" voraus, und die definiert Brieskorn durch Bezugnahme auf die Menschenrechte: "Seine (des Menschen) Unveränderlichkeit macht Menschenrechte möglich, seine Veränderlichkeit macht Menschenrechte nötig." Eine schöne, vielseitig verwendbare Formel, die Halt gewinnt am "Respekt der Werte, welche den Menschen selbst noch einmal zugrunde liegen".

Diesen Respekt besaßen offenbar die Vertreter des guten Volkes von Virginia, die im Juni 1776 alle Menschen für frei erklärten, und die in der Nationalversammlung vereinigten Vertreter des französischen Volkes, die im August 1789 die angestammten, unveräußerlichen und heiligen Menschenrechte feierlich verkündeten. Denn nur das macht verständlich, warum Brieskorn zwar beide Erklärungen eingehend erläutert, aber nicht erwähnt, daß das gute Volk der Südstaaten Sklaven hielt und das französische Volk nur wenig später die Menschenrechte so entheiligte, daß der Rezensent froh ist, nicht dabeigewesen zu sein.

Kurzum, auch Brieskorn kann die alte Frage an das Vernunftrecht nicht beantworten, welche Werte auf der Strecke bleiben dürfen, wenn die Vernunft praktisch wird, wie umgekehrt der Positivist auf die Frage nach der Einheit des Rechtes schweigen muß. Da der Streit um Letztbegründungen nicht zu entscheiden ist, darf Brieskorn Menschenrechtsprobleme mit Menschenrechtsappellen überspielen und mehr auf den Respekt vor Werten als auf den Respekt vor Fakten achten, zumal der Unterschied nur eine Frage des Standpunktes ist. Insgesamt ein gutes Buch für den Hausgebrauch bei amnesty international, deren Mitglied der Rezensent freilich nicht ist, weil er mit dem Widerspruch zwischen der allgemeinen Geltung der Menschenrechte und dem Respekt vor anderen Kulturen nicht fertig wird. GERD ROELLECKE

Norbert Brieskorn: "Menschenrechte". Eine historisch-philosophische Grundlegung. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 1997. 208 S., br., 36,- DM.

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