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Peter Englunds "Menschheit am Nullpunkt" ist eine Sammlung historischer Essays, die auf unterschiedlichste Art das dunkle 20. Jahrhundert behandeln. Die Themen der einzelnen Kapitel reichen vom Ersten Weltkrieg, Ausgangspunkt und Urkatastrophe des Jahrhunderts, über den ebenso zerstörerischen Zweiten Weltkrieg bis hin zur totalitären Erfahrung in stalinistischer wie nationalsozialistischer Gestalt.
Um 11.02 Uhr am 9. August 1945 detonierte die Atombombe über der Urakami-Kathedrale in Nagasaki. Ein blendend weißes Licht, ein Feuerball, eine verzehrende Hitze, eine Druckwelle, die sich in
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Produktbeschreibung
Peter Englunds "Menschheit am Nullpunkt" ist eine Sammlung historischer Essays, die auf unterschiedlichste Art das dunkle 20. Jahrhundert behandeln. Die Themen der einzelnen Kapitel reichen vom Ersten Weltkrieg, Ausgangspunkt und Urkatastrophe des Jahrhunderts, über den ebenso zerstörerischen Zweiten Weltkrieg bis hin zur totalitären Erfahrung in stalinistischer wie nationalsozialistischer Gestalt.

Um 11.02 Uhr am 9. August 1945 detonierte die Atombombe über der Urakami-Kathedrale in Nagasaki. Ein blendend weißes Licht, ein Feuerball, eine verzehrende Hitze, eine Druckwelle, die sich in alle Richtungen vom Zentrum der Explosion ausbreitete, und dann die nicht wahrnehmbare Strahlung - anschließend eine unfaßbare Zerstörung.

Der Autor ist an die alten Schauplätze zurückgekehrt; packend und detailliert schildert er Personen und Ereignisse, Phänomene und Orte des historischen Geschehens. So erfährt der Leser, wie es zuging, als Hitler und Stalin darum kämpften, das größte Gebäude der Welt zu erbauen; von den Erlebnissen eines englischen Künstlers in den Schützengräben des Jahres 1917, die einige der erschütterndsten Gemälde des Jahrhunderts hervorbrachten; vom ersten Feuersturm und von der verdrehten Logik des atomaren Winters; vom Holocaust und dem SS-Mann, der im Verborgenen versuchte, ihn zu stoppen. Kurz gesagt: eine Begegnung mit Helden und Feiglingen, Handlangern und Zuschauern, Opfern und Henkern in diesem gewaltsamsten und tragischsten Jahrhundert in der Geschichte der Menschheit.
Autorenporträt
Peter Englund lehrt Geschichte an der Universität Uppsala. Gleichzeitig ist er als Journalist unterwegs, vor allem in Krisengebieten wie jüngst im Bosnienkrieg. Sein Buch "Die Verwüstung Deutschlands" wurde 1993 von der schwedischen Verlegervereinigung als "Bestes Sachbuch des Jahres" ausgezeichnet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Herfried Münkler ist sehr beeindruckt von Peter Englunds Band über die Abgründe des 20. Jahrhunderts. "Seine historischen Essays", schreibt Münkler, "sind politische Lehrstücke im Stile der Moralistik: zutiefst pessimistisch, um zu verhindern, dass das Befürchtete eintritt." In fünf Abschnitten behandelt der schwedische Historiker Themen, die sinnfällig das Irritierende und Erklärungsbedürftige der Jahre zwischen 1914 und 1945 deutlich werden lassen: Die Schlacht bei Ypern im Ersten Weltkriegs, die gewaltigen Bauprojekte der Nationalsozialisten wie der Kommunisten, die Ermordung der Juden Europas im Vernichtungslager Belzec, die alliierten Bombenangriffe auf Hamburg und schließlich den Atombombenabwurf auf Nagasaki. Was aus diesen Essays entspringt, meint Münkler, sei weniger Erklärung, als vielmehr Erstaunen und Bestürzung. Aber darum genau gehe es Englund, wie Münkler ihn schon einmal vorsorglich gegen eventuelle Kritiker verteidigt. "Deswegen auch kann ihn jene hochmütige Kritik nicht treffen, die ihm vorhalten wird, er habe nur längst Erforschtes und Bekanntes in etwas veränderten Arrangements wiederholt. Denn das Arrangement ist es, was das Originäre an Englunds Darstellung ausmacht."

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.11.2001

Dynamik des Grauens
Das 20. Jahrhundert war das Jahrhundert des Todes
PETER ENGLUND: Menschheit am Nullpunkt. Aus dem Abgrund des 20.Jahrhunderts, Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2001. 280 Seiten, 49 Mark.
England im Sommer 1943: Ein Polizist stoppt einen Sportwagenfahrer, der zu rasant um die Kurve biegt. „Sie hätten jemanden umbringen können, Sir”, ruft er. „Junger Mann”, kontert der Raser, „ich töte jede Nacht Tausende von Menschen!” Der Mann im Sportwagen ist Arthur Harris, Feldmarschall und während des Zweiten Weltkrieges Oberkommandierender des britischen Bomberkommandos, das Zehntausende in den Tod schickte. Mit einer Verquickung aus persönlichen Schicksalen, Augenzeugenberichten und historischen Daten versucht der schwedische Professor und Journalist Peter Englund in seinem Essay-Band „Menschheit am Nullpunkt”, dem Leser den Abgrund des 20.Jahrhunderts näher zu bringen. Englunds historischer Bogen setzt mit dem Ersten Weltkrieg, dem fröhlichen Aufbruch junger Soldaten in einen „romantischen” Krieg ein. Er führt durch die Städtebombardements im Zweiten Weltkrieg, durch den Holocaust, und endet mit dem Abwurf der zweiten Atombombe über Nagasaki am 9.August 1945.
Der Autor ist an alte Schauplätze zurückgekehrt und schildert Ereignisse, Phänomene und Orte des historischen Geschehens. Im ersten Essay steht der englische Maler Paul Nash im Mittelpunkt. Enthusiastisch zieht er in den Krieg, im Rucksack eine Sammlung französischer Lyrik des 18. Jahrhunderts, bereit für das große Abenteuer. Für ihn liegt in diesem Krieg die Verheißung von Veränderung. Doch Nash ist am Ende entsetzt. Er erlebt das große Menschenschlachten in Flandern und malt grauenvolle Bilder. „Wir schaffen eine neue Welt” nennt er eines von ihnen, ein Bild voller Zerstörung, welches das Ende der Menschheit darstellt. Britische Veteranen unternehmen immer noch Pilgerreisen zu den Schauplätzen seiner Bilder.
Im Mittelpunkt des Essays „Wer mit Ungeheuern kämpft” stehen besagter Feldmarschall Arthur Harris und seine Soldaten, junge, englische Flieger mit einem Durchschnittsalter von zwanzig Jahren. Der Krieg hat sich mittlerweile völlig verändert: Anstatt sich in Schützengräben zu verschanzen, wirft man jetzt Bomben auf Städte, auf die Zivilbevölkerung. Beim Angriff auf Hamburg am 27.Juli 1943 beispielsweise sterben 45000 Menschen; durch die Atombombe auf Hiroshima werden es wenig später rund 260000 Tote sein. Eine grauenvolle Dynamik der Entwicklung in kürzester Zeit, der es an der Möglichkeit zum Umdenken gebrach, weil die Zeit zum Umschauen zu kurz war.
Abgründe des gewalttätigen 20.Jahrhunderts tun sich auch in dem Essay „Ein Rundgang im Labor” auf. Das Vernichtungslager Belzec in Polen steht hier im Zentrum von Englunds Überlegungen. Anhand kleiner Schritte und Exempel versucht er zu erklären, wie die systematische Vernichtung der Juden möglich war: In Belzec etwa reichten 150 Menschen aus, um in nur zehn Monaten rund 600000 Menschen zu ermorden.
Ein Tag mit drei Farben
Englunds Aufsatz über Nagasaki, „Ein Tag aus drei Farben”, beginnt mit einem Augenzeugenbericht. Er schildert blendend weißes Licht, einen Feuerball, verzehrende Hitze, eine Druckwelle in allen Richtungen – was im ersten Moment nicht zu sehen und zu riechen ist, sind die Strahlung und eine unfassbare Zerstörung. Die Ereignisse Anfang August 1945 in Japan stehen wiederum für einen unerhörten Sprung in der Menschheitsgeschichte: Zum ersten Mal kann sich die Menschheit selber auslöschen – mit einer Waffe, konstruiert und gebaut von intelligenten, Dante lesenden Wissenschaftlern, die sich von der Massenmordkultur des Krieges mitreißen lassen.
Der Autor, Jahrgang 1957, macht klar, dass seine Essays nur der Versuch seien, an die Katastrophen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu erinnern. Berechnungen zufolge sind in diesem Jahrhundert 183 Millionen Menschen unmittelbar oder mittelbar durch Kriege gestorben, was bedeutet, dass in diesem Zeitraum mehr Menschen umgebracht wurden als in allen vorhergegangenen Jahrhunderten zusammen.
Aus der inneren Distanz eines Schweden heraus, der scheinbar neutral auf der Zuschauertribüne der Geschichte sitzt, erlebt Englund ein Gefühl von Unwirklichkeit, als er die Schauplätze des Krieges aufsucht. „Dank der Medien können wir heute Leiden immer häufiger anschauen und es gleichzeitig doch immer seltener sehen.” Englund erzählt dem Leser gewiss keine Neuigkeiten, vermittelt aber einen interessanten Blick auf die Anfänge des kurzen 20. Jahrhunderts in Europa und seine grauenvolle Entmenschlichung.
BETTINA
PFLÜGER
Die Rezensentin ist freie Journalistin in München.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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