»Ein Balzac unserer Zeit.« Le Parisien
Ausgezeichnet mit dem »Prix Goncourt des Lyceens« und dem »Prix Interallié«.
Die Farels sind schön und reich, haben Einfluss und Macht: Jean Farel ist ein prominenter Fernsehjournalist, seine Frau Claire eine Intellektuelle, bekannt für ihr feministisches Engagement. Ihr Sohn Alexandre, gutaussehend, sportlich, eloquent, studiert an einer Elite-Uni. Eine Familie wie aus dem Bilderbuch, könnte man meinen. Doch eines Morgens steht die Polizei bei den Farels vor der Tür, eine junge Frau hat Anzeige wegen Vergewaltigung erstattet. Die glanzvolle gesellschaftliche Fassade zeigt gefährliche Risse.
Inspiriert vom "Fall Stanford" und vor dem Hintergrund der #MeToo-Debatte, erzählt Karine Tuil in Menschliche Dinge von den Auswüchsen einer Gesellschaft, die auf Leistung und Selbstdarstellung getrimmt ist, in der sich jeder nimmt, was er haben will.
»Ein Buch, das zum Nachdenken anregt, das für Unbehagen sorgt, das unserer Zeitden Puls nimmt.« France Inter
»Ein meisterhafter Roman - Tuils bester -, der sich mit der allmählichen Zerstörung der Beziehung zwischen Männern und Frauen auseinandersetzt.« Le Nouvel Observateur
»Mit Menschliche Dinge führt die Autorin ihre Reflexion über soziale Machtverhältnisse fort.« Libération
»Wie ein Hochgebirgsführer, behutsam, aber mit sicherem Schritt, lotst Karine Tuil uns an die Abgründe unserer Zeit.« Le Canard enchaîné
»Ein bemerkenswerter Roman, der aus dem Leben gegriffen ist.« L'Écho Républicain
»Menschliche Dinge ist ein absolut brillanter, atemloser Text, das Porträt einer Familie, die in die qualvolle Mühle unserer Zeit gerät.« Page des libraires
Ausgezeichnet mit dem »Prix Goncourt des Lyceens« und dem »Prix Interallié«.
Die Farels sind schön und reich, haben Einfluss und Macht: Jean Farel ist ein prominenter Fernsehjournalist, seine Frau Claire eine Intellektuelle, bekannt für ihr feministisches Engagement. Ihr Sohn Alexandre, gutaussehend, sportlich, eloquent, studiert an einer Elite-Uni. Eine Familie wie aus dem Bilderbuch, könnte man meinen. Doch eines Morgens steht die Polizei bei den Farels vor der Tür, eine junge Frau hat Anzeige wegen Vergewaltigung erstattet. Die glanzvolle gesellschaftliche Fassade zeigt gefährliche Risse.
Inspiriert vom "Fall Stanford" und vor dem Hintergrund der #MeToo-Debatte, erzählt Karine Tuil in Menschliche Dinge von den Auswüchsen einer Gesellschaft, die auf Leistung und Selbstdarstellung getrimmt ist, in der sich jeder nimmt, was er haben will.
»Ein Buch, das zum Nachdenken anregt, das für Unbehagen sorgt, das unserer Zeitden Puls nimmt.« France Inter
»Ein meisterhafter Roman - Tuils bester -, der sich mit der allmählichen Zerstörung der Beziehung zwischen Männern und Frauen auseinandersetzt.« Le Nouvel Observateur
»Mit Menschliche Dinge führt die Autorin ihre Reflexion über soziale Machtverhältnisse fort.« Libération
»Wie ein Hochgebirgsführer, behutsam, aber mit sicherem Schritt, lotst Karine Tuil uns an die Abgründe unserer Zeit.« Le Canard enchaîné
»Ein bemerkenswerter Roman, der aus dem Leben gegriffen ist.« L'Écho Républicain
»Menschliche Dinge ist ein absolut brillanter, atemloser Text, das Porträt einer Familie, die in die qualvolle Mühle unserer Zeit gerät.« Page des libraires
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Lena Bopp hält die Erklärungsversuche, die Karine Tuil in ihrem Roman über einen tatsächlichen Vergewaltigungsfall bemüht, für wenig überzeugend. Da wird auf das jüdisch-orthodoxe Elternhaus des Opfers abgehoben, das sexuelle Erfahrungen verhindert haben soll, und auf den Mangel an Herzensbildung beim Täter, einem Elitestudenten. So gut recherchiert Bopp den Fall in Bezug auf die Gerichtsprotokolle mit Anklageschriften, Zeugenaussagen und Plädoyers findet, so wenig erhalten die Figuren im Text ihrer Meinung nach ein Eigenleben. Dass aus dieser Gemengelage keine lebendigen Dialoge entstehen können, wundert die Rezensentin kaum.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.10.2020Ihm ist's Erotik, ihr nur Gewalt
Karine Tuils Rechercheroman "Menschliche Dinge" über die MeToo-Bewegung
An den Romanen von Karine Tuil scheiden sich die Geister. Die einen loben die Bücher als Sittengemälde, als gegenwartsnahen Realismus, der die kaputten Strukturen eines ganzen Landes seziert und ihm schonungslos den Spiegel vorhält. Die anderen bemängeln, dass die 1972 in Paris geborene Schriftstellerin dabei oft holzschnittartig vorgehe, besonders was ihre Figuren betrifft, die klischiert gezeichnet und mit einer Sprache ausgerüstet seien, die sich allzu plakativ in den Dienst einer Sache stellt.
Bei ihrem jüngsten Roman, dem in der deutschen Übersetzung von Maja Ueberle-Pfaff erschienenen "Die menschlichen Dinge", war es wieder so. In Frankreich echauffierte sich Frédéric Beigbeder in einer Kritikerrunde, das Buch sei keine Literatur, sondern Storytelling, während eine Kollegin entgegenhielt, die im Kern des Romans verhandelte Frage, wann ein Geschlechtsakt zwischen Mann und Frau als einvernehmlich gelte, wann es sich um eine Vergewaltigung handele und ob es zwischen beidem eine Grauzone geben könne, sei "sehr interessant". Karine Tuil bewegt sich in ihrem Buch wieder nah an der Aktualität. Wie schon in älteren Romanen, in denen es um Islamismus in französischen Vorstädten und den Krieg in Afghanistan ging ("Die Zeit der Ruhelosen") oder um Identitätskonflikte zwischen Arabern und Juden ("Die Gierigen"), greift sie Diskussionen auf, die Schlagzeilen machen. Diesmal geht es um den Weinstein-Skandal und die MeToo-Bewegung.
Unmittelbar inspirieren ließ Tuil sich von einem Vergewaltigungsfall an der amerikanischen Eliteuniversität Stanford, der 2016 für Empörung sorgte, weil der Täter mit einer in vielen Augen zu milden Strafe davonkam, das Opfer in einem Blogeintrag seine Sicht der Dinge öffentlich machte und sich fortan zwei Lager gegenüberstanden. Bei Karine Tuil heißt dieser junge Mann Alexandre. Aus seiner Perspektive ist das Geschehen in jener Nacht geschildert, in der er mit Mila in einer Pariser Seitengasse hinter einer Mülltonne verschwindet und mit ihr schläft. Sie ist scheu und unerfahren, und Alexandre benutzt sie, um eine "Challenge" zu gewinnen: Wer ein Mädchen verführt und zum Beweis dessen Slip mitbringt, hat gewonnen. Dass das schäbig ist, weiß Alexandre. Dass der Sex einvernehmlich war, glaubt er trotzdem bis zuletzt.
Denn so wie Karine Tuil den Fall aufbereitet, steht im zweiten Teil ihres Buches, der sich wie ein Justizkrimi liest, bald Aussage gegen Aussage. Eine Wahrheit lässt sich nicht ermitteln, stattdessen stehen sich zwei Wahrnehmungen desselben Geschehens diametral gegenüber. Was er als erotische Handlung bezeichnet, wirkte auf sie wie eine Geste der Gewalt. Was er unter dirty talk verbuchte, klang für sie wie eine Drohung. Der Fall mutiert zum Dilemma, das umso schwerer zu lösen ist, als im Ringen um Glaubwürdigkeit mit jedem Verhandlungstag vor Gericht neue Details aus den privaten dunklen Ecken der Protagonisten ans Licht kommen. Karine Tuil hält sich beim Aufbau dieses Teils ihres Romans streng an das gerichtliche Protokoll. Anklageschrift, Zeugenbefragung, Plädoyers - man spürt, dass sie viel Zeit in Pariser Gerichtssälen verbracht und ihre Sache sehr gründlich recherchiert hat.
Weniger nuanciert wirkt hingegen, was sie an Erklärungen für die unterschiedlichen Sichtweisen von Alexandre und Mila ins fiktionale Feld führt. Mila stammt aus einer jüdisch-orthodoxen Familie, deren fester Zugriff verhinderte, dass sie jene Erfahrungen sammelt und sozialen Codes kennenlernt, die ihr womöglich erlaubt hätten, die von Alexandre ausgehende Gefahr zu erkennen. Alexandre wiederum ist ein verwahrlostes Wohlstandskind, dessen Eltern ihm zwar den Weg in die Eliteschulen des Landes ebneten, aber keine Herzensbildung zuteilwerden ließen. Zu sehr ist der Vater, ein alternder Starjournalist, damit beschäftigt, die Mächtigen seines Senders und seine Geliebten bei Laune zu halten. Während die Mutter ihren Ruf als feministische Intellektuelle schärft.
Sozialisation und Prägungen spielen also entscheidende Rollen, was gar nicht falsch ist, aber insofern vereinfachend, als Karine Tuil ihren Figuren darüber hinaus keinerlei Eigenleben zugesteht. Ihnen fehlt Autonomie. Jeder erfüllt genau die Funktion, die ihm im erzählerischen Konstrukt zugedacht ist, und in dieser Hoheit des Plots über das Innenleben der Figuren liegt die Schwäche dieses Romans. Kaum verwunderlich, dass die Dialoge über Offensichtliches kaum hinauskommen. "Ich liebe meinen Beruf", sagt die Geliebte an einer Stelle zu dem Starjournalisten. "Der Journalismus ist ein wesentlicher Teil von mir." Und er antwortet: "Ich habe auch nie aufgehört, diesen Beruf zu lieben." Aber was ist von Milieustudien zu erwarten, die sich auf solche Gespräche und Charaktere stützen?
Dass das französische Eliteschulsystem seinen Absolventen eine teils ungesunde Härte abverlangt, hat man wirklich sehr oft gelesen. Dass es die Gesellschaft in Absolventen und Nichtabsolventen spaltet und den einen Jobs reserviert, die es den anderen vorenthält, ebenfalls. Auch dass Journalisten und Politiker in Paris eine mitunter ungute Nähe zueinander pflegen, ist oft kolportiert worden, und Karine Tuil fügt dem auch nichts hinzu, nicht mal eine Pointe. Sie streift lieber weitere Themen wie den islamistischen Terror und die sozialen Medien und möchte auf diese Weise wohl die Simultaneität einer hektischen Gegenwart evozieren, doch bleibt dies eine Gegenwart, die ihre Figuren seltsam unberührt lässt. Und auch den Leser.
LENA BOPP
Karine Tuil: "Menschliche Dinge". Roman.
Aus dem Französischen von Maja Ueberle-Pfaff. Claassen Verlag, Berlin 2020. 384 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Karine Tuils Rechercheroman "Menschliche Dinge" über die MeToo-Bewegung
An den Romanen von Karine Tuil scheiden sich die Geister. Die einen loben die Bücher als Sittengemälde, als gegenwartsnahen Realismus, der die kaputten Strukturen eines ganzen Landes seziert und ihm schonungslos den Spiegel vorhält. Die anderen bemängeln, dass die 1972 in Paris geborene Schriftstellerin dabei oft holzschnittartig vorgehe, besonders was ihre Figuren betrifft, die klischiert gezeichnet und mit einer Sprache ausgerüstet seien, die sich allzu plakativ in den Dienst einer Sache stellt.
Bei ihrem jüngsten Roman, dem in der deutschen Übersetzung von Maja Ueberle-Pfaff erschienenen "Die menschlichen Dinge", war es wieder so. In Frankreich echauffierte sich Frédéric Beigbeder in einer Kritikerrunde, das Buch sei keine Literatur, sondern Storytelling, während eine Kollegin entgegenhielt, die im Kern des Romans verhandelte Frage, wann ein Geschlechtsakt zwischen Mann und Frau als einvernehmlich gelte, wann es sich um eine Vergewaltigung handele und ob es zwischen beidem eine Grauzone geben könne, sei "sehr interessant". Karine Tuil bewegt sich in ihrem Buch wieder nah an der Aktualität. Wie schon in älteren Romanen, in denen es um Islamismus in französischen Vorstädten und den Krieg in Afghanistan ging ("Die Zeit der Ruhelosen") oder um Identitätskonflikte zwischen Arabern und Juden ("Die Gierigen"), greift sie Diskussionen auf, die Schlagzeilen machen. Diesmal geht es um den Weinstein-Skandal und die MeToo-Bewegung.
Unmittelbar inspirieren ließ Tuil sich von einem Vergewaltigungsfall an der amerikanischen Eliteuniversität Stanford, der 2016 für Empörung sorgte, weil der Täter mit einer in vielen Augen zu milden Strafe davonkam, das Opfer in einem Blogeintrag seine Sicht der Dinge öffentlich machte und sich fortan zwei Lager gegenüberstanden. Bei Karine Tuil heißt dieser junge Mann Alexandre. Aus seiner Perspektive ist das Geschehen in jener Nacht geschildert, in der er mit Mila in einer Pariser Seitengasse hinter einer Mülltonne verschwindet und mit ihr schläft. Sie ist scheu und unerfahren, und Alexandre benutzt sie, um eine "Challenge" zu gewinnen: Wer ein Mädchen verführt und zum Beweis dessen Slip mitbringt, hat gewonnen. Dass das schäbig ist, weiß Alexandre. Dass der Sex einvernehmlich war, glaubt er trotzdem bis zuletzt.
Denn so wie Karine Tuil den Fall aufbereitet, steht im zweiten Teil ihres Buches, der sich wie ein Justizkrimi liest, bald Aussage gegen Aussage. Eine Wahrheit lässt sich nicht ermitteln, stattdessen stehen sich zwei Wahrnehmungen desselben Geschehens diametral gegenüber. Was er als erotische Handlung bezeichnet, wirkte auf sie wie eine Geste der Gewalt. Was er unter dirty talk verbuchte, klang für sie wie eine Drohung. Der Fall mutiert zum Dilemma, das umso schwerer zu lösen ist, als im Ringen um Glaubwürdigkeit mit jedem Verhandlungstag vor Gericht neue Details aus den privaten dunklen Ecken der Protagonisten ans Licht kommen. Karine Tuil hält sich beim Aufbau dieses Teils ihres Romans streng an das gerichtliche Protokoll. Anklageschrift, Zeugenbefragung, Plädoyers - man spürt, dass sie viel Zeit in Pariser Gerichtssälen verbracht und ihre Sache sehr gründlich recherchiert hat.
Weniger nuanciert wirkt hingegen, was sie an Erklärungen für die unterschiedlichen Sichtweisen von Alexandre und Mila ins fiktionale Feld führt. Mila stammt aus einer jüdisch-orthodoxen Familie, deren fester Zugriff verhinderte, dass sie jene Erfahrungen sammelt und sozialen Codes kennenlernt, die ihr womöglich erlaubt hätten, die von Alexandre ausgehende Gefahr zu erkennen. Alexandre wiederum ist ein verwahrlostes Wohlstandskind, dessen Eltern ihm zwar den Weg in die Eliteschulen des Landes ebneten, aber keine Herzensbildung zuteilwerden ließen. Zu sehr ist der Vater, ein alternder Starjournalist, damit beschäftigt, die Mächtigen seines Senders und seine Geliebten bei Laune zu halten. Während die Mutter ihren Ruf als feministische Intellektuelle schärft.
Sozialisation und Prägungen spielen also entscheidende Rollen, was gar nicht falsch ist, aber insofern vereinfachend, als Karine Tuil ihren Figuren darüber hinaus keinerlei Eigenleben zugesteht. Ihnen fehlt Autonomie. Jeder erfüllt genau die Funktion, die ihm im erzählerischen Konstrukt zugedacht ist, und in dieser Hoheit des Plots über das Innenleben der Figuren liegt die Schwäche dieses Romans. Kaum verwunderlich, dass die Dialoge über Offensichtliches kaum hinauskommen. "Ich liebe meinen Beruf", sagt die Geliebte an einer Stelle zu dem Starjournalisten. "Der Journalismus ist ein wesentlicher Teil von mir." Und er antwortet: "Ich habe auch nie aufgehört, diesen Beruf zu lieben." Aber was ist von Milieustudien zu erwarten, die sich auf solche Gespräche und Charaktere stützen?
Dass das französische Eliteschulsystem seinen Absolventen eine teils ungesunde Härte abverlangt, hat man wirklich sehr oft gelesen. Dass es die Gesellschaft in Absolventen und Nichtabsolventen spaltet und den einen Jobs reserviert, die es den anderen vorenthält, ebenfalls. Auch dass Journalisten und Politiker in Paris eine mitunter ungute Nähe zueinander pflegen, ist oft kolportiert worden, und Karine Tuil fügt dem auch nichts hinzu, nicht mal eine Pointe. Sie streift lieber weitere Themen wie den islamistischen Terror und die sozialen Medien und möchte auf diese Weise wohl die Simultaneität einer hektischen Gegenwart evozieren, doch bleibt dies eine Gegenwart, die ihre Figuren seltsam unberührt lässt. Und auch den Leser.
LENA BOPP
Karine Tuil: "Menschliche Dinge". Roman.
Aus dem Französischen von Maja Ueberle-Pfaff. Claassen Verlag, Berlin 2020. 384 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Gerade mittels ihrer Perspektivwechsel vermag Karine Tuil, das Denken und Handeln ihrer Figuren minuziös auszuleuchten. Auf diese Weise handelt sie das heikle Thema der sexualisierten Gewalt gegenüber Frauen eben nicht stereotyp ab, sondern blättert Hintergründe auf." SWR Lesenswert