Eigentlich kennt man Herlinde Koelbl als einfühlsame Portraitfotografin, aber sie kann auch Still-life. In „Metamophosen“ sind zum ersten Mal keine Menschen zu sehen, ja bei näherer Betrachtung ist es nicht einmal lebende Materie, die sie zum Thema macht. Die Fotos zeigen in einem subtilen
Farbenrausch Pflanzen in allen Stadien des Verwelkens, meist im Close-up, ganz nah an den Strukturen, die man…mehrEigentlich kennt man Herlinde Koelbl als einfühlsame Portraitfotografin, aber sie kann auch Still-life. In „Metamophosen“ sind zum ersten Mal keine Menschen zu sehen, ja bei näherer Betrachtung ist es nicht einmal lebende Materie, die sie zum Thema macht. Die Fotos zeigen in einem subtilen Farbenrausch Pflanzen in allen Stadien des Verwelkens, meist im Close-up, ganz nah an den Strukturen, die man zwar auch mit bloßem Auge erkennen könnte, die man aber nur selten bewusst wahrnimmt. So entstehen phantastische, abstrakte Farbräume, die durch Formen und Bildaufbau ganz eigene künstlerische Qualitäten entwickeln. Oft muss man zweimal hinsehen, um den Bezug zur Natur zu bemerken, denn anders als bei den auf Symmetrien fokussierten Fotos z. B. bei Karl Blossfeldt stehen bei Herlinde Koelbl die ungeregelten Elemente im Vordergrund. Man entdeckt, dass welkende Blütenblätter ein viel größeres Farbspektrum aufweisen als frische, dass ein vertrocknetes Aloenblatt einem fossilen Raubtiergebiss gleicht und dass ein Schimmelrasen surreal wie eine außerirdische Landschaft sein kann. Im Vergehen entsteht etwas völlig Neues, so wie aus toter Materie neues Leben wächst.
Die Fotos sind unkommentiert ganzseitig abgebildet und bilden jeweils ein Paar im Dialog, ja selbst über die Seiten hinweg wird eine übergreifende Farbregie erkennbar. So bekommt der auch als begleitender Ausstellungskatalog gedachte Band einen eigenständigen künstlerischen Wert. Die exzellente Druckqualität auf schwerem, mattem Papier, das trotzdem ein sehr präzises und scharfes Druckbild mit ausgewogenen Kontrasten bei gleichzeitig perfekter Durchzeichnung der Details erlaubt, bestätigen nur noch einmal, dass es Bücher über Kunst gibt, aber auch Bücher, die selber zur Kunst werden.
Herlinde Koelbl interpretiert das Memento mori auf moderne Art, ganz ohne erhobenen Zeigefinger, sondern einfach als Momentaufnahme in einem ewigen, natürlichen Kreislauf. Jedes Stadium des Lebens besitzt seine eigene Schönheit, es kommt nur auf den richtigen Blick an.
(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)