Ein Beitrag zur Geschichte der Molekularbiologie in Deutschland: Christina Brandt untersucht anhand einer historischen Fallstudie die Rolle von Metaphern in den Biowissenschaften.Die heute so selbstverständliche Vorstellung, daß die »Erbinformation« eines Organismus in Form eines »genetischen Codes« in der Basen-Sequenz der DNA gespeichert ist, entwickelte sich Mitte des 20. Jahrhunderts. Neben Begriffen aus den Informationswissenschaften, wie »Code«, »Information« und »genetisches Programm«, waren es Vergleiche der DNA mit einem Alphabet und einer Schrift, die Eingang fanden in den biowissenschaftlichen Diskurs. Christina Brandt geht dem Weg dieser Metaphern in den Experimentalpraktiken der frühen Molekularbiologie nach. Ausgehend von der Virusforschung an den Kaiser-Wilhelm-Instituten für Biochemie und für Biologie in Berlin-Dahlem im »Dritten Reich« steht die Entwicklung an den beiden Max-Planck-Instituten für Virusforschung und für Biologie in Tübingen in den 1950er und 1960er Jahren im Zentrum ihrer Untersuchung. Beschrieben wird die Geschichte der Forschung am Tabakmosaikvirus - ein Virus, das entscheidend die Entwicklung molekularbiologischen Wissens geprägt hat und das 1960 auch im Mittelpunkt der Bemühungen stand, den »genetischen Code« im Labor zu »entziffern«. Die Autorin zeigt anhand dieser Fallstudie, wie sich metaphorische Sprache und Experimentalanordnungen gegenseitig katalysierten, wie sich die anfänglich zur Veranschaulichung eingesetzten Informations- und Schrift-Metaphern zur konstitutiven Ressource für ein neues Forschungsprogramm entfalteten und schließlich einen geradezu ontologischen Status erhielten. Das Buch ist ein Beitrag zu einer metaphorologischen Theorie von Wissenschaftssprachen. Als Studie zur bisher unbearbeiteten Geschichte der Molekularbiologie in Deutschland betritt die Arbeit zugleich wissenschaftshistorisches Neuland.Zur Reihe:Die Wissenschaftsgeschichte verstand sich lange Zeit als eine Art Gedächtnis der Wissenschaften. Heute sucht sie ihren Platz in der Kulturgeschichte und sieht ihre Aufgabe nicht zuletzt darin, Brücken zwischen den Naturwissenschaften und den Geisteswissenschaften zu bauen. Die Formen, in denen dies geschieht, sind keineswegs ausgemacht. Sie sind Gegenstand eines großen, gegenwärtig im Gange befindlichen Experiments. Die historische Einbettung der wissenschaftlichen Erkenntnis, der Blick auf die materielle Kultur der Wissenschaften, auf ihre Objekte und auf die Räume ihrer Darstellung verlangt nach neuen Formen der Reflexion, des Erzählens und der Präsentation. Die von Michael Hagner und Hans-Jörg Rheinberger herausgegebene Reihe »Wissenschaftsgeschichte« versteht sich als ein Forum, auf dem solche Versuche vorgestellt werden.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Ein interessantes Buch, leider wenig zugänglich verfasst. Schade, meint Diemut Klärner - denn hier kann man etwas über die "historischen Denkmuster" der Genforschung erfahren. Christina Brandts Interesse gelte nämlich der Sprache, die sich mit der Erforschung des Genoms entwickelte, den Metaphern, mit deren Hilfe die Wissenschaftler ihre Erkenntnisse zunächst nur der Öffentlichkeit verständlich zu machen suchten, die aber bald zum Teil der "wissenschaftlichen Redeweise" selber wurden und damit auch das Denken der Forscher lenkten. Die Metaphern zur Beschreibung dessen, was man bei der Erforschung von Virenstrukturen herausfand, um sich der Enrtschlüsselung des genetischen Codes - auch das ist bereits eine Metapher - anzunähern, wirkten also nicht nur deskriptiv, sondern auch konstruktiv. Wie gesagt: ein interessant, aber mit seinem "spröden Charme" kaum geeignet, breitere Leserschichten anzusprechen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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