Die begriffsgeschichtliche Vorklärung zwischen Ästhetik und Metapher kann keine Einführung in die Gemeinplätze und Eselsbrücken sein, die unter dem Titel Metapher in den Handbüchern der letzten hundert Jahre als gesichertes Wissen kolportiert werden, sondern muß der Versuch einer Bestandsaufnahme der darunter verborgenen Probleme sein, die der Sisyphusarbeit der stetig anwachsenden Forschungen immer neu entgleiten. In der Verkennungsgeschichte, die das ästhetische Paradox der Metapher begleitet, entzieht sich die Ästhetik der Geschichte ihrer Begriffe.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.07.2007Vor dem Begriff
Anselm Haverkamp teleskopiert die Ästhetik der Metapher
Erst kürzlich hat Anselm Haverkamp vom Zustandekommen seiner einzigartigen, inzwischen leider vergriffenen Sammlung historischer Beiträge zur „Theorie der Metapher” (erstmals 1983) berichtet. Demnach hätten Max Black, Paul de Man und Hans Blumenberg für den erst nach großen Verzögerungen erschienenen Band nicht nur frühzeitig Originalbeiträge zur Verfügung gestellt, sondern diese auch „teilweise” gegenseitig zur Kenntnis genommen. Der Erinnerungsbericht hat Anekdotenformat. Er lässt als konzertierte Aktion erscheinen, was bis heute das Anregungspotential dieser drei Postnietzscheaner ausmacht: die vermeintlich autonomen Begriffsarchitekturen der Philosophie und der Wissenschaften auf eine, wie Blumenberg seinerzeit schrieb, „archaische Schicht des Prozesses der theoretischen Neugierde” zurückgeführt zu haben.
Haverkamps aktuelle Monographie weiß von Verschwörungshypothesen nichts – das Buch handelt von Metaphern, nicht von Metaphorikern. Die seinerzeit erschlossene Pointe ist gleichwohl allgegenwärtig, denn noch einmal dreht sich alles um die Frage der metaphorologischen Subversion der begriffsbewehrten Vernunft. Demnach markiert die Metapher das vom Begriff im Augenblick seines Hervortretens, also „immer schon” verdeckte Stadium der Vorbegrifflichkeit. Weit mehr als ein Element der Ausschmückung oder Veranschaulichung, überschreitet die Metapher den Raum des begrifflich Sagbaren. Auf diesem Effekt beruht ihre Theoriemächtigkeit, die sich, so Haverkamp, näherhin als ästhetischer Effekt bestimmen lässt – als metaphernspezifische „Ästhetik in der Rhetorik”. Haverkamps Rekonstruktion dieser Ästhetik der Metapher scheut keinen Aufwand, er selbst nennt sein Verfahren „teleskopisch”. Von Aristoteles und Quintilian bis Derrida und Ricœur gleitet der Fernrohrblick in rasenden Zickzack-Bewegungen durch die Theoriegeschichte, um die Erträge aufzuraffen und in kompakten Formulierungen zu bündeln. Anders freilich als die meisten seiner Zeugen und Gewährsleute vermeidet Haverkamp das Beispiel, und das ist bedenklich. Tatsächlich verfangen die üblichen Vorbehalte gegen das Beispiel, gegen seine Beliebigkeit und seinen fragwürdigen Konkretismus, im Fall der Metapher nicht, im Gegenteil: Angesichts des Benennungswirrwarrs der Rhetoriken und Poetologien, das die überzeugende Unterscheidung zwischen Tropen und Figuren, zwischen Bildern und Emblemen, zwischen Metaphern und Allegorien bis heute blockiert, ist es die Aufgabe des sprechenden Beispiels, die Möglichkeit der Verständigung zu sichern – und sei es auch nur für die Länge eines Aufsatzes. Das beispielgesättigte Ineinandergreifen von Metapherntheorie und Metapherninterpretation, von Haverkamp verächtlich als „bloße Anwendungsgeschichte der Metapher” abgetan, ist der Versuch, in einer Situation akuter Abgrenzungs- und Bestimmungsnöte pragmatische Lösungen anzubieten.
Die vorliegende Metaphernstudie verbleibt strikt im Binnenraum der Theorie und kann deshalb die Kakophonie der analytischen Formeln nur vorzeigen, nicht aber entzerren. Gänzlich unmotiviert ist das ideologiekritische Gepolter, mit dem Haverkamp über die philosophische Begriffsgeschichte herfällt. Sein Vorschlag aber, aus der begriffskritischen Metapher ein eigenständiges „Grundmodell von Ästhetik” herauszulesen, versucht auf überzeugende Weise zusammenzuführen, was zuletzt zur Wirkung und Funktion uneigentlicher Rede in theoretischen Texten gesagt worden ist. Als nächstes folgt, wie der Autor ankündigt, eine kommentierte Ausgabe von Hans Blumenbergs Metaphorologie. RALF KONERSMANN
ANSELM HAVERKAMP: Metapher. Die Ästhetik in der Rhetorik. Bilanz eines exemplarischen Begriffs. Wilhelm Fink Verlag, München 2007. 182 Seiten, 19,90 Euro.
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Anselm Haverkamp teleskopiert die Ästhetik der Metapher
Erst kürzlich hat Anselm Haverkamp vom Zustandekommen seiner einzigartigen, inzwischen leider vergriffenen Sammlung historischer Beiträge zur „Theorie der Metapher” (erstmals 1983) berichtet. Demnach hätten Max Black, Paul de Man und Hans Blumenberg für den erst nach großen Verzögerungen erschienenen Band nicht nur frühzeitig Originalbeiträge zur Verfügung gestellt, sondern diese auch „teilweise” gegenseitig zur Kenntnis genommen. Der Erinnerungsbericht hat Anekdotenformat. Er lässt als konzertierte Aktion erscheinen, was bis heute das Anregungspotential dieser drei Postnietzscheaner ausmacht: die vermeintlich autonomen Begriffsarchitekturen der Philosophie und der Wissenschaften auf eine, wie Blumenberg seinerzeit schrieb, „archaische Schicht des Prozesses der theoretischen Neugierde” zurückgeführt zu haben.
Haverkamps aktuelle Monographie weiß von Verschwörungshypothesen nichts – das Buch handelt von Metaphern, nicht von Metaphorikern. Die seinerzeit erschlossene Pointe ist gleichwohl allgegenwärtig, denn noch einmal dreht sich alles um die Frage der metaphorologischen Subversion der begriffsbewehrten Vernunft. Demnach markiert die Metapher das vom Begriff im Augenblick seines Hervortretens, also „immer schon” verdeckte Stadium der Vorbegrifflichkeit. Weit mehr als ein Element der Ausschmückung oder Veranschaulichung, überschreitet die Metapher den Raum des begrifflich Sagbaren. Auf diesem Effekt beruht ihre Theoriemächtigkeit, die sich, so Haverkamp, näherhin als ästhetischer Effekt bestimmen lässt – als metaphernspezifische „Ästhetik in der Rhetorik”. Haverkamps Rekonstruktion dieser Ästhetik der Metapher scheut keinen Aufwand, er selbst nennt sein Verfahren „teleskopisch”. Von Aristoteles und Quintilian bis Derrida und Ricœur gleitet der Fernrohrblick in rasenden Zickzack-Bewegungen durch die Theoriegeschichte, um die Erträge aufzuraffen und in kompakten Formulierungen zu bündeln. Anders freilich als die meisten seiner Zeugen und Gewährsleute vermeidet Haverkamp das Beispiel, und das ist bedenklich. Tatsächlich verfangen die üblichen Vorbehalte gegen das Beispiel, gegen seine Beliebigkeit und seinen fragwürdigen Konkretismus, im Fall der Metapher nicht, im Gegenteil: Angesichts des Benennungswirrwarrs der Rhetoriken und Poetologien, das die überzeugende Unterscheidung zwischen Tropen und Figuren, zwischen Bildern und Emblemen, zwischen Metaphern und Allegorien bis heute blockiert, ist es die Aufgabe des sprechenden Beispiels, die Möglichkeit der Verständigung zu sichern – und sei es auch nur für die Länge eines Aufsatzes. Das beispielgesättigte Ineinandergreifen von Metapherntheorie und Metapherninterpretation, von Haverkamp verächtlich als „bloße Anwendungsgeschichte der Metapher” abgetan, ist der Versuch, in einer Situation akuter Abgrenzungs- und Bestimmungsnöte pragmatische Lösungen anzubieten.
Die vorliegende Metaphernstudie verbleibt strikt im Binnenraum der Theorie und kann deshalb die Kakophonie der analytischen Formeln nur vorzeigen, nicht aber entzerren. Gänzlich unmotiviert ist das ideologiekritische Gepolter, mit dem Haverkamp über die philosophische Begriffsgeschichte herfällt. Sein Vorschlag aber, aus der begriffskritischen Metapher ein eigenständiges „Grundmodell von Ästhetik” herauszulesen, versucht auf überzeugende Weise zusammenzuführen, was zuletzt zur Wirkung und Funktion uneigentlicher Rede in theoretischen Texten gesagt worden ist. Als nächstes folgt, wie der Autor ankündigt, eine kommentierte Ausgabe von Hans Blumenbergs Metaphorologie. RALF KONERSMANN
ANSELM HAVERKAMP: Metapher. Die Ästhetik in der Rhetorik. Bilanz eines exemplarischen Begriffs. Wilhelm Fink Verlag, München 2007. 182 Seiten, 19,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Bemerkenswert scheint Ralf Konersmann diese Studie über die Metapher, die Anselm Haverkamp vorgelegt hat. Im Mittelpunkt sieht er dabei die Frage nach dem Verhältnis von Metapher und der mit Begriffen arbeitenden Vernunft. Zudem gehe es um den Effekt der Metapher, den Raum des begrifflich Sagbaren zu überschreiten. Er attestiert dem Autor eine aufwendige Rekonstruktion der Ästhetik der Metapher von Aristoteles und Quintilian bis Derrida und Ricuur, die die unterschiedlichen Positionen prägnant zu formulieren versucht. Kritisch betrachtet Kontermann den Verzicht auf anschauliche Beispieles sowie das "unmotivierte" "ideologiekritische Gepolter", mit dem Haverkamp über die philosophische Begriffsgeschichte herfalle.
© Perlentaucher Medien GmbH
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