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Metazoa ist nichts weniger als eine Evolutionsgeschichte des Bewusstseins oder, umfassender noch, des Geistes. Anhand von wissenschaftlichen Experimenten, Ausflügen in die Wissenschaftsgeschichte, Anekdoten über eigensinnige Tiere und Beobachtungen, die er bei seinen zahlreichen Tauchgängen gemacht hat, ergründet Peter Godfrey-Smith, wie sich im evolutionären Zusammenspiel Körper und Geist herausbilden. Seine Erkenntnis: Es sind die Erfahrungen der Tiere in ihrer Umwelt, die sowohl den Aufbau des Gehirns als auch die Entstehung eines Bewusstseins vorantreiben. Von empfindungsfähigen Einzellern…mehr

Produktbeschreibung
Metazoa ist nichts weniger als eine Evolutionsgeschichte des Bewusstseins oder, umfassender noch, des Geistes. Anhand von wissenschaftlichen Experimenten, Ausflügen in die Wissenschaftsgeschichte, Anekdoten über eigensinnige Tiere und Beobachtungen, die er bei seinen zahlreichen Tauchgängen gemacht hat, ergründet Peter Godfrey-Smith, wie sich im evolutionären Zusammenspiel Körper und Geist herausbilden. Seine Erkenntnis: Es sind die Erfahrungen der Tiere in ihrer Umwelt, die sowohl den Aufbau des Gehirns als auch die Entstehung eines Bewusstseins vorantreiben. Von empfindungsfähigen Einzellern über wissbegierige Krebse bis hin zu träumenden Tintenfischen: Nicht in einem singulären Ereignis tritt das Bewusstsein ins Leben, sondern entfaltet sich Stufe um Stufe, und zwar stets im engen Wechselspiel mit den vielfältigen Formen, die das Leben seinen Umwelten abgerungen hat. Peter Godfrey-Smith liefert den Entwurf einer Philosophie, die uns daran erinnert, dass das Leben und damitauch das Denken im Wasser seinen Anfang nahm.
Autorenporträt
Peter Godfrey-Smith, 1965 geboren, ist Professor für Geschichte und Philosophie an der Universität Sydney. Der leidenschaftliche Tiefseetaucher ist Autor mehrerer Bücher über Evolution und Wissenschaftsphilosophie.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Manuela Lenzen kommt ins Nachdenken mit dem Buch von Peter Godfrey-Smith über die Entstehung des Geistes. Dass der Autor, immerhin Philosoph, sich so wenig um eine klare Begriffstrennung zwischen Kognition und Bewusstsein schert, irritiert Lenzen ein wenig. Was sie dann über Unterwasserwelten, Glasschwämme, kecke Kraken, Garnelen und Krebse, den Beginn des Geistes in der einzelnen Zelle und Handlung als Möglichkeit erfährt, fesselt sie allerdings über die Maßen. Der Autor spart weder mit Wissen noch mit Kuriosem, verspricht Lenzen. Etwas mehr begriffliche Schärfe wäre trotzdem schön gewesen, meint sie.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.08.2024

Im Meer sind die Anfänge zu suchen

Einsiedlerkrebse suchen sich Schneckenhäuser und kriechen rückwärts hinein, um ihren weichen Hinterleib vor Fressfeinden zur schützen. Verpasst man ihnen einen kleinen Stromschlag, verlassen die Tiere ihr Gehäuse. Allerdings sind sie bereit, stärkere Schläge hinzunehmen, bevor sie ihr Zuhause aufgeben, wenn sie in einem besonders guten Gehäuse leben. Auch der Geruch von Feinden bringt sie dazu, die Störreize länger zu ertragen. Zudem inspizieren die Tiere ihr Schneckenhaus sorgfältig, bevor sie wieder einziehen. Diese Studien liefern nicht nur Anhaltspunkte dafür, dass diese Tiere Schmerzen empfinden, erklärt der Philosoph und Wissenschaftshistoriker Peter Godfrey-Smith in seinem neuen Buch, sie zeigen, dass die Tiere abwägen und Situationen bewerten können. Vielleicht haben sie sogar eine Vorstellung davon, dass die Störung eine Ursache haben muss.

Nach seinem Buch über die uns so fremden Kraken und ihre erstaunlichen Fähigkeiten weitet Peter Godfrey-Smith den Blick nun auf das gesamte Tierreich aus, vor allem die Metazoa, die vielzelligen Tiere (Pflanzen kommen hin und wieder auch vor, aber mehr als Kontrastfolie). Der größte Teil der Evolutionsforschung befasse sich mit der Entwicklung körperlicher Fähigkeiten, beklagt der Autor. In Sachen Geist sei es nach wie vor akzeptabel, zu behaupten, der sei eben irgendwann angeknipst worden wie eine Glühbirne. Dem will er mit einer Reise zu den mutmaßlichen Anfängen des Geistes abhelfen, einer Reise, die - natürlich - im Meer beginnt, was dem passionierten Taucher erlaubt, immer wieder kleine Berichte über seine Unterwassererlebnisse einzuflechten.

Bevor man mit dem Autor in die faszinierende Unterwasserwelt abtauchen kann, in der Glasschwämme Wasser durch ihren Körper pumpen, um Nahrung herauszufiltern, und mit unübersichtlich vielen Werkzeugen ausgestattete Garnelen aufpassen müssen, sich nicht selbst zu zwicken, muss man sich allerdings mit einer irritierenden begrifflichen Unschärfe arrangieren. Die beginnt schon auf dem Cover: Der Titel verspricht, die Geburt des Geistes zu klären, der Klappentext handelt ausschließlich vom Bewusstsein. Der Untertitel des englischen Originals verspricht ein Buch über "Die Geister der Tiere und die Geburt des Bewusstseins". Nun kann man den Plural von "Geist" im Deutschen nicht ernsthaft gebrauchen, doch auch der englische Titel trifft nicht wirklich, worum es in dem Buch geht. Es geht um eine Naturgeschichte der Kognition, um die Entwicklung von Intelligenz, darum, was die verschiedenen Tiere tun können. Kognitive Fähigkeiten gehen für Godfrey-Smith dabei so selbstverständlich mit Bewusstsein einher, dass er sie begrifflich gar nicht erst trennt. "Gefühlte Erfahrungen" und "geistige Aktivitäten" sind für ihn dasselbe. Vermutlich ist in der Tat das eine nicht ohne das andere zu haben, aber es ist doch eine starke und zentrale These. Von einem Philosophieprofessor hätte man ein paar klärende Worte dazu erwartet.

Die Biologen Francisco Varela und Humberto Maturana hatten schon in den 1980er-Jahren postuliert, es gebe kein Leben ohne kognitive Fähigkeiten, und spätestens mit dem Aufkommen des Forschungsfelds Basal Cognition hat es sich eingebürgert, Intelligenz schon in frühesten Lebensformen aufzuspüren. Godfrey-Smith geht auf seiner Suche nach den Ursprüngen des Geistes zurück bis zu den einzelnen Zellen und dem elektrochemisch verursachten molekularen Tumult in ihrem Inneren, der das Leben lebendig hält und den die Zellen bändigen müssen. Von dort arbeitet er sich anhand zahlreicher Forschungsarbeiten über die Korallen, Krebse, Fische und natürlich Kraken bis zum Menschen vor, dem Abkömmling früher Fleischflosser.

Sein zentrales Interesse gilt dabei den Handlungsmöglichkeiten der unterschiedlichen Lebewesen und ihrer Evolutionsgeschichte. Denn mit den Fähigkeiten, zu handeln, seien auch die Fähigkeiten der Lebewesen gewachsen, sich von der Umwelt zu unterscheiden, Präsenzgefühl zu entwickeln und sich schließlich als Individuum zu empfinden.

Das englische "action" hat Dirk Höfer fast durchgehend mit "Aktion" übersetzt, manchmal mit "Handlungsvermögen". "Aktion" klingt, auf Bakterien und Schwämme angewandt, vielleicht ein bisschen weniger radikal als "Handlung", doch letztlich ist es das, was der Autor sagen will: Auch Einsiedlerkrebse sind keine Automaten, sie können etwas tun, was sie auch lassen könnten. Und das gilt erst recht für alle Lebensformen, die evolutionär gesehen danach kamen. Schritt für Schritt lernten sie, zu kriechen, zu wühlen, sich zu verstecken, zu jagen, zu kauen, sich Anemonen auf den Panzer zu pflanzen, aufdringliche Männchen mit Muschelschalen zu bewerfen und vieles andere. Mehr oder weniger parallel zum Handlungsvermögen entwickelten sich die Sinne, sehen, riechen, hören, der elektrische Sinn, die Fähigkeit, sich von der Umwelt zu unterscheiden, zu verstehen, was man selbst getan hat und was einem zugestoßen ist, Schmerzen zu empfinden und zu behandeln, sich zu erinnern, sich Dinge vorzustellen, mental anderswo zu sein. Mit dieser letzten Fähigkeit sind wir dann schon bei den Wirbeltieren angelangt, bei den Ratten und den Menschen.

Nebenbei erfährt man bei diesem Durchgang durch die Evolutionsgeschichte viel Interessantes und Kurioses: Wussten Sie, dass ein Krake zehnmal mehr Neuronen in einem einzelnen Arm hat als eine Biene im Gehirn? Dass Thunfische Warmblüter sind, Schwertfische sich hingegen nur warme Augen und ein warmes Gehirn leisten? Dass manche Fische mit dem linken Auge Bedrohungen und mit dem rechten Nahrung besser erkennen können? Dass eines der größten Probleme, die die ersten Landtiere zu lösen hatten, das Schlucken war?

Vermutlich ist die Fähigkeit. zu empfinden, im Laufe der Evolution mehrmals entstanden, vermutlich verfügen zumindest alle Lebewesen mit einem Nervensystem über diese Fähigkeit, wenn auch in unterschiedlichen Graden, so der Autor. Daraus folgt für ihn vor allem die Forderung nach mehr Respekt, auch für die sogenannten einfacheren Lebensformen: Viele Experimente, die die Verhaltensforschung vorangebracht haben - Einsiedlerkrebse mit Stromstößen zu traktieren ist da noch vergleichsweise harmlos -, dürften nach dem heutigen Stand der Erkenntnis nicht mehr durchgeführt werden.

Liefert diese Rekonstruktion der Evolution kognitiver Fähigkeiten nun eine Antwort auf die Frage, wie das Bewusstsein in die Welt kam? Da hat Peter Godfrey-Smith eine Gegenfrage: Zur Gehirnaktivität gehören großräumige integrierte Muster und alles, was wir wahrnehmen, verändert diese Muster. Ist es wirklich eine Überraschung, dass sich das als etwas anfühlt? Manchmal hätte man sich auf diesem Tauchgang mehr begriffliche Schärfe gewünscht. Dafür entschädigt ein wenig, dass der Autor nie einfach Behauptungen aufstellt, dass er abwägt, nachfragt und eigene Zweifel thematisiert. Zum Nachdenken liefert diese Vor- und Frühgeschichte des Geistes in jedem Fall genug. Und gut zu lesen ist sie sowieso. MANUELA LENZEN

Peter Godfrey-Smith: "Metazoa". Die Geburt des Geistes aus dem Leben der Tiere.

Aus dem Englischen von Dirk Höfer. Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2024. 408 S., Abb., geb., 30,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
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