'Für wen hat Mata Hari wirklich spioniert? Was genau haben Kim Philby und die legendären Cambridge Five an Stalin verraten? Wie wurde der Atomspion Klaus Fuchs enttarnt? In seiner großen Geschichte des britischen Geheimdienstes MI 5 lässt Christopher Andrew, einer der führenden Experten, einschlägige Ereignisse und Personen der Geheimdienstgeschichte des 20. Jahrhunderts in neuem Licht erscheinen. Er offenbart die Identität zahlreicher Topspione und räumt mit hartnäckigen Mythen auf.
Am Anfang stand die Angst vor einer Invasion der "Hunnen". Doch spätestens im Ersten Weltkrieg hatte man die Spionageaktivitäten der Deutschen im Griff. Im Zweiten Weltkrieg gelang es dann mit hoher Effizienz, deutsche Spione umzudrehen und als Doppelagenten einzusetzen. Weit weniger effektiv war MI 5 gegenüber der sowjetischen Infiltration. Im Kalten Krieg kam die Abwehr von Technologie- und Wirtschaftsspionage hinzu, in der Gegenwart vor allem der Terrorismus der IRA und islamistischer Gruppen. Andrews Buch ist ein publizistisches Ereignis ohne Beispiel. Anlässlich des 100. Jahrestags seiner Gründung hat das MI 5 ihm exklusiv die Archive geöffnet. So war es möglich, erstmals umfassend und mit einer Fülle unbekannter Details Triumphe und Niederlagen dieser geheimnisumwitterten Institution zu schildern.
Am Anfang stand die Angst vor einer Invasion der "Hunnen". Doch spätestens im Ersten Weltkrieg hatte man die Spionageaktivitäten der Deutschen im Griff. Im Zweiten Weltkrieg gelang es dann mit hoher Effizienz, deutsche Spione umzudrehen und als Doppelagenten einzusetzen. Weit weniger effektiv war MI 5 gegenüber der sowjetischen Infiltration. Im Kalten Krieg kam die Abwehr von Technologie- und Wirtschaftsspionage hinzu, in der Gegenwart vor allem der Terrorismus der IRA und islamistischer Gruppen. Andrews Buch ist ein publizistisches Ereignis ohne Beispiel. Anlässlich des 100. Jahrestags seiner Gründung hat das MI 5 ihm exklusiv die Archive geöffnet. So war es möglich, erstmals umfassend und mit einer Fülle unbekannter Details Triumphe und Niederlagen dieser geheimnisumwitterten Institution zu schildern.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.04.2010Mehr Licht
Die Geschichte des MI 5
Der Stoff, aus dem die Filme und die Romane sind: Christopher Andrew publiziert seit fast 30 Jahren über Geheimdienste - nicht nur über die britischen, sondern auch über die sowjetischen. Nun legt er zum 100. Jahrestag der Gründung des Security Service eine sachlich-nüchterne Überblicksdarstellung über den Zeitraum von 1909 bis 2009 vor, mit einem Anmerkungsapparat von 110 Seiten, der sich oft auf ein "Archiv des Security Service" - ohne nähere Angaben - beschränken muss. Immerhin hatte der Autor "praktisch ungehinderten Zugang zu den Akten des Nachrichtendienstes aus dem 20. Jahrhundert" sowie zu einer "begrenzten Anzahl von Aufzeichnungen aus dem 21. Jahrhundert". Als besonders schwierig habe sich "die Freigabe jener Erkenntnisse erwiesen, die andere Regierungsstellen betreffen". Ob er hier das Foreign Office meint? Dessen Staatssekretär von 1938 bis 1946, Sir Alexander Cadogan, hatte Folgerungen der Entscheidungsträger aus den Aktivitäten der Nachrichtendienste einmal als "missing dimension of most diplomatic history" bezeichnet.
Am Anfang des Security Service stand die Angst vor einer Invasion der "Hunnen". Bei Kriegsbeginn 1914 stieg die Zahl der Mitarbeiter von 17 auf 40 Personen. 65 deutsche Agenten wurden während des Ersten Weltkriegs verhaftet und interniert oder verurteilt. Außerdem überprüfte der MI 5 britische Staatsbürger, die des "Pazifismus und Antimilitarismus" verdächtig waren. Bei Kriegsende verzeichnete eine "Schwarze Liste" 13 500 Namen, die als "Vorbeugender Index" bis 1925 auf 25 250 Personen anwuchs. In den dreißiger Jahren konnte die Spionageabwehr durch vielfältige Informationen aus und über Deutschland zwar ein vernichtendes Urteil über die Appeasementpolitik der Regierung Chamberlain fällen. Jedoch vermochte der MI 5 es nicht, das Vordringen von "Stalins Engländern" - den in Cambridge rekrutierten Spionen Blunt, Burgess, Cairncross, Maclean und Philby - in einflussreiche Stellen zu verhindern. Im Kalten Krieg befasste sich der MI 5 auch mit der Abwehr von Technologie- und Wirtschaftsspionage, während in der Gegenwart der Terrorismus der IRA und islamistischer Gruppen im Mittelpunkt steht. In diesem Zusammenhang konstatiert Andrew "Symptome einer verkürzten Aufmerksamkeitsspanne mit Blick auf die Geschichte". Daher müsse der MI 5 die eigene Geschichte in Langzeitperspektive kennen, um mit neuen Herausforderungen fertig zu werden. Das gilt sicher in gleichem Maß für die deutschen Dienste, die ebenfalls ihre Ursprünge und Entwicklungen aufarbeiten lassen sollten.
RAINER BLASIUS
Christopher Andrew: MI 5. Die wahre Geschichte des britischen Geheimdienstes. Aus dem Englischen von Stephan Gebauer, Enrico Heinemann und Norbert Juraschitz. Verlag Propyläen, Berlin 2010. 912 S., 24,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Geschichte des MI 5
Der Stoff, aus dem die Filme und die Romane sind: Christopher Andrew publiziert seit fast 30 Jahren über Geheimdienste - nicht nur über die britischen, sondern auch über die sowjetischen. Nun legt er zum 100. Jahrestag der Gründung des Security Service eine sachlich-nüchterne Überblicksdarstellung über den Zeitraum von 1909 bis 2009 vor, mit einem Anmerkungsapparat von 110 Seiten, der sich oft auf ein "Archiv des Security Service" - ohne nähere Angaben - beschränken muss. Immerhin hatte der Autor "praktisch ungehinderten Zugang zu den Akten des Nachrichtendienstes aus dem 20. Jahrhundert" sowie zu einer "begrenzten Anzahl von Aufzeichnungen aus dem 21. Jahrhundert". Als besonders schwierig habe sich "die Freigabe jener Erkenntnisse erwiesen, die andere Regierungsstellen betreffen". Ob er hier das Foreign Office meint? Dessen Staatssekretär von 1938 bis 1946, Sir Alexander Cadogan, hatte Folgerungen der Entscheidungsträger aus den Aktivitäten der Nachrichtendienste einmal als "missing dimension of most diplomatic history" bezeichnet.
Am Anfang des Security Service stand die Angst vor einer Invasion der "Hunnen". Bei Kriegsbeginn 1914 stieg die Zahl der Mitarbeiter von 17 auf 40 Personen. 65 deutsche Agenten wurden während des Ersten Weltkriegs verhaftet und interniert oder verurteilt. Außerdem überprüfte der MI 5 britische Staatsbürger, die des "Pazifismus und Antimilitarismus" verdächtig waren. Bei Kriegsende verzeichnete eine "Schwarze Liste" 13 500 Namen, die als "Vorbeugender Index" bis 1925 auf 25 250 Personen anwuchs. In den dreißiger Jahren konnte die Spionageabwehr durch vielfältige Informationen aus und über Deutschland zwar ein vernichtendes Urteil über die Appeasementpolitik der Regierung Chamberlain fällen. Jedoch vermochte der MI 5 es nicht, das Vordringen von "Stalins Engländern" - den in Cambridge rekrutierten Spionen Blunt, Burgess, Cairncross, Maclean und Philby - in einflussreiche Stellen zu verhindern. Im Kalten Krieg befasste sich der MI 5 auch mit der Abwehr von Technologie- und Wirtschaftsspionage, während in der Gegenwart der Terrorismus der IRA und islamistischer Gruppen im Mittelpunkt steht. In diesem Zusammenhang konstatiert Andrew "Symptome einer verkürzten Aufmerksamkeitsspanne mit Blick auf die Geschichte". Daher müsse der MI 5 die eigene Geschichte in Langzeitperspektive kennen, um mit neuen Herausforderungen fertig zu werden. Das gilt sicher in gleichem Maß für die deutschen Dienste, die ebenfalls ihre Ursprünge und Entwicklungen aufarbeiten lassen sollten.
RAINER BLASIUS
Christopher Andrew: MI 5. Die wahre Geschichte des britischen Geheimdienstes. Aus dem Englischen von Stephan Gebauer, Enrico Heinemann und Norbert Juraschitz. Verlag Propyläen, Berlin 2010. 912 S., 24,95 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Der britische Geheimdienst wird hundert und belohnt sich mit der autorisierten, vom Historiker Christopher Andrew geschriebenen Geschichte "MI5". Bestens unterhalten fühlt sich Rezensentin Sylvia Staude nach der Lektüre der 900 "spannenden, lustigen und lehrreichen" Seiten, die einige Aktionen des Geheimdienstes preisgeben. So gelang es den Briten im Zweiten Weltkrieg beispielsweise, den Deutschen einen falschen Landepunkt für eine Invasion der Alliierten zu suggerieren, indem sie eine mit fingierter Identität und scheinbar brisanten Papieren ausgestattete Leiche an der spanischen Küste antreiben ließen. Weniger "heiter" findet die Rezensentin die Kapitel über die Gegenwart des MI5, wenn Andrew unter anderem erzählt, wie versucht wurde, indiskretes Wissen gegen die Politik auszuspielen. Dass der Autor selbst nicht ganz glücklich mit den Eingriffen des Geheimdienstes vor der Veröffentlichung ist und eine Prüfung durch den parlamentarischen Nachrichtendienstausschuss fordert, stört die Rezensentin nicht weiter, weiß sie doch gar nicht, was sie nicht wissen soll.
© Perlentaucher Medien GmbH
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