Der Atlantik hat sich über Nacht von der Küste Floridas zurückgezogen und eine Wüste hinterlassen. Kreuzfahrtschiffe rosten im Sand vor Miami, die Hotels bleiben leer, der Hafenbetrieb ist eingestellt und selbst die Dauerwerbesendungsindustrie liegt am Boden. Mittendrin eine überambitionierte Indie-Game-Programmiererin, eine strauchelnde Arbeiterfamilie, eine junge Soziologin und ein E-Sport-Team aus Wuppertal. Witzig und traurig, düster und labyrinthisch: »Miami Punk« von Juan S. Guse ist ein Roman über die Bedeutung von Arbeit, über Herrschaft und Macht und über einsame Nächte vor dem Computer.
Ausgezeichnet mit dem KELAG-Preis beim Ingeborg-Bachmann-Preis 2022
Ausgezeichnet mit dem KELAG-Preis beim Ingeborg-Bachmann-Preis 2022
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.07.2019Surreal und
super-komplex
Computerspiele sind nicht nur Unterhaltung, sie sind auch Arbeit. Selbst nachts, wenn sie eigentlich nicht arbeiten muss, bastelt die junge Programmiererin Robin an ihren Spieleprojekten oder liefert sich super-komplexe Onlinegefechte mit Kontrahenten auf der ganzen Welt. In ihrer Heimatstadt Miami gibt es auch sonst nicht mehr viel zu tun, seitdem sich der Atlantik auf rätselhafte Weise zurückgezogen hat und große Teile von Industrie und Wirtschaft mit ihm verschwunden sind. In diese surreale Welt verschlägt es außerdem ein E-Sportteam aus Wuppertal, das noch ein Mal in „Counterstrike“ gewinnen will. „Miami Punk“ ist der große deutsche Computerspielroman und eine schillernde literarische Bearbeitung der neuen, digitalisierten Arbeitswelt. Selten liegen (Lese-)Arbeit und Unterhaltung so nah zusammen.
NICOLAS FREUND
Juan S. Guse: Miami Punk. Roman. S. Fischer, Frankfurt a. M. 2019. 640 Seiten, 26 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
super-komplex
Computerspiele sind nicht nur Unterhaltung, sie sind auch Arbeit. Selbst nachts, wenn sie eigentlich nicht arbeiten muss, bastelt die junge Programmiererin Robin an ihren Spieleprojekten oder liefert sich super-komplexe Onlinegefechte mit Kontrahenten auf der ganzen Welt. In ihrer Heimatstadt Miami gibt es auch sonst nicht mehr viel zu tun, seitdem sich der Atlantik auf rätselhafte Weise zurückgezogen hat und große Teile von Industrie und Wirtschaft mit ihm verschwunden sind. In diese surreale Welt verschlägt es außerdem ein E-Sportteam aus Wuppertal, das noch ein Mal in „Counterstrike“ gewinnen will. „Miami Punk“ ist der große deutsche Computerspielroman und eine schillernde literarische Bearbeitung der neuen, digitalisierten Arbeitswelt. Selten liegen (Lese-)Arbeit und Unterhaltung so nah zusammen.
NICOLAS FREUND
Juan S. Guse: Miami Punk. Roman. S. Fischer, Frankfurt a. M. 2019. 640 Seiten, 26 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.09.2019Wörter, porentief rein
Literatur im Waschsalon: Zu Beginn einer neuen Frankfurter Reihe liest Juan S. Guse aus seinem Roman "Miami Punk".
Von Florian Balke
Gegenüber liegt "Eis Christina" mit seinem Ruf wie Donnerhall, Lesungen aber hat es in dieser Gegend des Frankfurter Nordends bislang noch nicht gegeben. Schon gar nicht im Selbstbedienungs-Waschsalon. Nun jedoch gibt es zwischen den U5-Haltestellen Musterschule und Glauburgstraße den ersten Abend von etwas, das eine Reihe werden soll. Sie trägt den schönen Namen "Never Wash Them At More Than 40°C
They Said" und macht allein schon dadurch das Hingehen und Unterstützen erforderlich. Auch wenn gute Literatur natürlich nicht auf den Schonwaschgang angewiesen ist, sondern sogar Kochwäsche und Bleiche übersteht. Zum Auftakt liest Juan S. Guse aus seinem im Februar bei Fischer erschienenen Roman "Miami Punk".
Das ist inmitten der Wasserfluten in den Waschmaschinen und der stets ein wenig feuchten Luft solcher Salons fast ein bisschen verwunderlich, schließlich wird die Millionenstadt des Romantitels bei Guse nicht vom steigenden Atlantik verschlungen, sondern liegt plötzlich am Rande einer Wüste, aus der das Meer sich rätselhafterweise zurückgezogen hat. Aber um seltsame Transformationen geht es ja nicht nur in Romanen, sondern auch beim Waschen, das Kleidung von schmutzig wieder zurück in weiß verwandelt. Oder von farbig in blass, wenn es schiefgeht. Das ist bei Guse nicht der Fall. Der zweite Roman des 1989 in Seligenstadt geborenen Autors erzählt durchtrieben und doppelbödig von einer Computerspielentwicklerin, deutschen Gamern, Verschwörungen, Rebellen, Genres, Kunstgattungen, Spiel, Ernst, Erfindung und Wirklichkeit.
Dass das Ganze ausgerechnet in dem Waschsalon stattfindet, in dem der Verfasser dieser Zeilen zwischen 2006 und 2011 alle 14 Tage zwei große Sporttaschen Wäsche wusch, ist natürlich besonders erfreulich. Es gibt Musik und Bier und Karten an der Abendkasse. Da die 30 zur Verfügung stehenden Plätze bestimmt schnell weg sind, empfehlen die Veranstalter kurzfristig Interessierten, sich heute im Laufe des Tages noch einmal bei ihnen über Facebook zu erkundigen, wie es steht.
NEVER WASH THEM AT MORE THAN 40°C THEY SAID
26. September, 19.30 Uhr, Wash World, Eckenheimer Landstraße 65, Frankfurt
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Literatur im Waschsalon: Zu Beginn einer neuen Frankfurter Reihe liest Juan S. Guse aus seinem Roman "Miami Punk".
Von Florian Balke
Gegenüber liegt "Eis Christina" mit seinem Ruf wie Donnerhall, Lesungen aber hat es in dieser Gegend des Frankfurter Nordends bislang noch nicht gegeben. Schon gar nicht im Selbstbedienungs-Waschsalon. Nun jedoch gibt es zwischen den U5-Haltestellen Musterschule und Glauburgstraße den ersten Abend von etwas, das eine Reihe werden soll. Sie trägt den schönen Namen "Never Wash Them At More Than 40°C
They Said" und macht allein schon dadurch das Hingehen und Unterstützen erforderlich. Auch wenn gute Literatur natürlich nicht auf den Schonwaschgang angewiesen ist, sondern sogar Kochwäsche und Bleiche übersteht. Zum Auftakt liest Juan S. Guse aus seinem im Februar bei Fischer erschienenen Roman "Miami Punk".
Das ist inmitten der Wasserfluten in den Waschmaschinen und der stets ein wenig feuchten Luft solcher Salons fast ein bisschen verwunderlich, schließlich wird die Millionenstadt des Romantitels bei Guse nicht vom steigenden Atlantik verschlungen, sondern liegt plötzlich am Rande einer Wüste, aus der das Meer sich rätselhafterweise zurückgezogen hat. Aber um seltsame Transformationen geht es ja nicht nur in Romanen, sondern auch beim Waschen, das Kleidung von schmutzig wieder zurück in weiß verwandelt. Oder von farbig in blass, wenn es schiefgeht. Das ist bei Guse nicht der Fall. Der zweite Roman des 1989 in Seligenstadt geborenen Autors erzählt durchtrieben und doppelbödig von einer Computerspielentwicklerin, deutschen Gamern, Verschwörungen, Rebellen, Genres, Kunstgattungen, Spiel, Ernst, Erfindung und Wirklichkeit.
Dass das Ganze ausgerechnet in dem Waschsalon stattfindet, in dem der Verfasser dieser Zeilen zwischen 2006 und 2011 alle 14 Tage zwei große Sporttaschen Wäsche wusch, ist natürlich besonders erfreulich. Es gibt Musik und Bier und Karten an der Abendkasse. Da die 30 zur Verfügung stehenden Plätze bestimmt schnell weg sind, empfehlen die Veranstalter kurzfristig Interessierten, sich heute im Laufe des Tages noch einmal bei ihnen über Facebook zu erkundigen, wie es steht.
NEVER WASH THEM AT MORE THAN 40°C THEY SAID
26. September, 19.30 Uhr, Wash World, Eckenheimer Landstraße 65, Frankfurt
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Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
"Wunderbar schwer verdaulich" lautet die Empfehlung am Ende von Marten Hahns kurzer Kritik zu einem langen Roman. Es scheint durchaus anstrengend zu ein, ihn zu lesen, und zwar, weil Guse den Roman als Puzzle aufbaut, das sich vor den Augen des geduldigen Lesers zusammensetzt, so der Kritiker, und noch dazu fantastische Elemente hinzukommen, die man auch erst mal verkraften müsse. Es geht um Computerspiele, die sich in die Realität einschleichen, und Meere, die vom einen Tag auf den anderen verschwinden. Wer's liest, wird dran glauben!
© Perlentaucher Medien GmbH
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Ein dunkles Zeichengewitter, eine soziologisch informierte Gesellschaftshochrechnung, Literatur aus der Zukunft. Felix Stephan Süddeutsche Zeitung 20200207