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Der lange erwartete neuen Roman der Bestsellerautorin von "Fugitive Pieces" (Dt. Fluchtstücke). Ann Michaels verknüpft historische Ereignisse, die Versetzung des Tempels von Abu Simbel 1964, mit dem Schicksal zweier Menschen: Avery und seiner Frau Jean. Die Geschichte des Paares, das versucht den Weg zurück zueinander zu finden, auf getrennten Wegen durch die ganze Welt, auf der Suche nach einen Platz, den sie ihr zu Hause nennen können. Eine atemberaubender und berührender Roman über die Kraft der Liebe.

Produktbeschreibung
Der lange erwartete neuen Roman der Bestsellerautorin von "Fugitive Pieces" (Dt. Fluchtstücke).
Ann Michaels verknüpft historische Ereignisse, die Versetzung des Tempels von Abu Simbel 1964, mit dem Schicksal zweier Menschen: Avery und seiner Frau Jean.
Die Geschichte des Paares, das versucht den Weg zurück zueinander zu finden, auf getrennten Wegen durch die ganze Welt, auf der Suche nach einen Platz, den sie ihr zu Hause nennen können. Eine atemberaubender und berührender Roman über die Kraft der Liebe.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.07.2009

Alle Toten dieser Welt
Interessant, aber zu schmerzensselig: Anne Michaels neuer Roman
„Fugitive Pieces”, der erste Roman der zunächst als Lyrikerin bekannten Kanadierin Anne Michaels, erschien 1996 im englischen Original, ein Jahr später auf Deutsch. Ein Jahrzehnt, so rechnet der Berlin Verlag etwas grob, hätten „die begeisterten Leser des Weltbestsellers” warten müssen, bis sie nun endlich den zweiten Roman der 1958 in Toronto geborenen Autorin in Händen halten dürften, dem die gleiche „außergewöhnliche poetische Kraft” attestiert wird.
Aber schon der Roman „Fluchtstücke” erzählte eher pathetisch als poetisch von einem jüdischen Jungen, der in einem Wandschrank die Ermordung seiner Familie überlebte und von einem griechischen Geologen zum Dichter erzogen wurde. Wer ihn mit Imre Kertész’ vollkommen unpathetischem „Roman eines Schicksallosen” verglich oder mit der Prosa und Lyrik von Raymond Federman, der seine eigene „Wandschrankerfahrung” ins Zentrum seines Werkes stellte, konnte erkennen, worin das Problem lag. Es wiederholt sich nun beim neuen Roman: So ehrenwert es ist, sich in fremdes Leid einzufühlen, so groß ist die Gefahr, sich im Leiden der anderen zu suhlen.
Dabei ist der Stoff ihres Romans interessant und aufwendig recherchiert. Am Beispiel des Sankt-Lorenz-Seewegs in Kanada, des Assuan-Staudamms in Ägypten und des Wiederaufbaus von Warschau nach dem Zweiten Weltkrieg wirft Anne Michaels die Frage auf, ob sich Zerstörung jemals wieder gutmachen lässt. Doch trotz detaillierter Beschreibungen technischer Details und einfühlsamer Erkundungen, was es z.B. für die Nubier bedeutet haben mag, nicht nur ihre Heimatorte, sondern auch ihre Toten und Heiligtümer bei ihrer Umsiedlung zurück zu lassen, ist der Impetus des Romans nicht politisch oder historisch. Anne Michaels ersetzt geschichtliches Denken und konkrete Anklage durch die ewige Wiederkehr des Mythos, indem sie alles und jedes miteinander in Kontakt bringt: „Die Zukunft wirft ihren Schatten auf die Vergangenheit. In diesem Sinne enthalten die ersten menschlichen Zeichnungen bereits alles: sie sind eine Art Landkarte. Die ersten Tage militärischer Besatzung; die Empfängnis eines Kindes; Saat und Boden. Leid ist Begehren in seiner reinsten Form.”
Aufwendig recherchiert
Anne Michaels Prosa ist nicht poetisch. Sie ist schmerzensselig. Dieser Schmerz wird am Körper der weiblichen Heldin durchexerziert. Der rote Faden, der die Beschreibung von Naturzerstörung und Heimatverlust zusammenhält, ist die Liebesgeschichte zwischen dem Ingenieur Avery und der Pflanzenliebhaberin Jean. Auch wenn Anne Michaels einzelne Liebesszenen gelingen, ächzt die Geschichte unter der Beweislast, die sie tragen muss. Am Anfang genügt schon der Anblick Jeans, wie sie im ausgetrockneten Flussbett des Sankt-Lorenz-Stroms Pflanzen zur Erinnerung an eine bald verschwundene Landschaft sammelt, damit Avery, der an der Begradigung des Flusses beteiligt war, in Liebe erglüht und mächtig aus dem Ingenieurstritt gerät.
Später, als die beiden verheiratet in Ägypten leben und sich jede Nacht aus ihrem Leben erzählen, stürzt sich Avery, der für die Versetzung des Tempels von Abu Simbel verantwortlich ist, so tief in seine Arbeit und die damit verbundenen Gewissensfragen, dass er sich immer weiter von seiner Frau entfernt. Zwar freut er sich über ihre Schwangerschaft, doch als das Kind im Mutterleib stirbt, lässt er sie mit ihrer Verzweiflung allein. Wochenlang beherbergt sie das reglose Wesen in ihrem Leib. Die Ärzte wollen warten, bis ihr Körper den kleinen Leichnam von alleine austreibt. Als Jean schließlich nach einer Schnitt-Geburt mit dem toten Mädchen im Arm einschläft, entwindet er es aus ihren Armen. Diesen Verrat kann sie ihm nicht verzeihen. Beide kehren nach Toronto zurück. Er gibt sie frei, weil er ihre Schwermut nicht mehr erträgt. Sie findet Trost bei einem Maler, der das Warschauer Ghetto überlebt hat.
Was für ein seltsames Unterfangen ist dieses Buch! Da recherchiert eine Autorin jahrelang historische Fakten und verschenkt am Ende den Ertrag ihrer Arbeit, indem sie ein Rührstück daraus macht. „Wintergewölbe”, so heißen Gebäude, die dazu dienen, Tote aufzubahren, die wegen des zugefrorenen Erdbodens nicht bestattet werden können. Die Autorin trauert um alle Toten der Welt und inkorporiert diese Trauer in den Leib ihrer Hauptfigur. Von einem Roman, der sich ein Nachdenken über Räume auf die Fahnen schreibt, darf und soll man mehr erwarten, als solch eine metaphorische Übertragung.
MEIKE FESSMANN
ANNE MICHAELS: Wintergewölbe. Roman. Aus dem Englischen von Nora Matocza und Gerhard Falkner. Berlin Verlag, Berlin 2009. 347 Seiten, 22,70 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.12.2010

Geteiltes Leid
Erbaulich ist das nicht: Ein Roman von Anne Michaels

Anne Michaels' Erstling "Fluchtstücke" von 1997 wurde von der Kritik gelobt und von einem Massenpublikum verschlungen. In "Wintergewölbe", ihrem zweiten Roman, greift die kanadische Autorin nun in jeder Hinsicht in die Vollen und bürdet jeder Figur, jeder Handlung, jedem Wortwechsel eine höhere Bedeutung auf: Am Ufer des kanadischen St. Lawrence Rivers trifft Avery, als Architekt verantwortlich für die geplante Flutung des gesamten Gebietes, auf die junge Jean, eine in sich gekehrte Schönheit, die versucht, die letzten Überbleibsel einheimischen Lebens, seltene Pflanzen und Tiere, vor der Flut zu retten. Eine Geschlechterkonstellation, die offenbar an tiefe Weisheiten aus dem Alten Testaments anknüpfen soll: Das Weib bringt Leben, der Mann die Verwüstung. Er flutet, sie pflanzt. In Liebe und Ehe vereint, gehen Mann und Weib bei Michaels wenig später nach Ägypten, wo Avery den Tempel von Abu Simbel versetzen soll, damit dieser nicht wie Hunderte nubischer Dörfer im gewaltigen Nasser-Stausee verschwindet. Jean leidet unter der Hitze und bösen Vorahnungen, wird aber trotzdem schwanger. Als sie ihr ungeborenes Kind verliert, löst sich die glückliche Symbiose des Paares auf. Erst Jahre später, nach Toronto zurückgekehrt, findet Jean Trost in der Liebe zu dem Künstler Lucjan, einem Überlebenden des Warschauer Gettos.

Der Gedanke, den Anne Michaels hier illustrieren will, dürfte Leserinnen ihrer "Fluchtstücke" bekannt vorkommen: Erinnern und Vergessen ändern sich nicht in ihrer Struktur. Ob im Warschauer Getto, während der Stauung des St. Lawrence Rivers oder der Flutung Nubiens, die Menschen leiden immer gleich. Und auch Vergessen, Verzeihen, Heilung verlaufen über die Zeiten hinweg nach gleichen Mustern. An sich ist das ein ernstzunehmendes Ergebnis intensiver Beschäftigung mit einschneidenden historischen Ereignissen. Auch der Versuch, diese Erkenntnis in eine sentimentale Romanhandlung zu überführen, ist nicht ehrenrührig. Überdies schlägt sich Michaels Recherche-Leistung in unzähligen Details zu den jeweiligen historischen Begebenheiten nieder.

Umso enttäuschender daher, dass die Autorin nicht zu bemerken scheint, wie sehr ihre Dreiecksgeschichte mit klassisch verteilten Geschlechterrollen unter der ihr aufgebürdeten Beweislast ächzt. Einer Liebesgeschichte ist es nicht zuträglich, wenn sie das Leiden ganzer Generationen oder gleich der gesamten Menschheit schultern soll. Hinzu kommt ein Pathos, das den Ruch esoterisch angehauchter Erbauungsliteratur verströmt: "Leid ist Begehren in seiner reinsten Form. Mit dem ersten Grab - dem ersten Mal, dass ein Name in die Erde gesät wurde - mit der Erfindung der Erinnerung. Kein Wort vergisst diesen Ursprung. Die Zukunft wirft ihren Schatten auf die Vergangenheit." Deutlich wird hier vor allem, wie die Vergangenheit der Autorin einen Schatten auf ihre Sprache wirft. Anne Michaels begann als Lyrikerin. In diesem Roman ist die Neigung zu poetischem Überschwang mit ihr durchgegangen.

SARAH ELSING

Anne Michaels: "Wintergewölbe". Roman.

Aus dem Amerikanischen von Gerhard Falkner. Berlin Verlag, Berlin 2009. 350 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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'Has the same quality of crystalline exactness that reviewers of Fugitive Pieces fell over themselves to call "poetic", a miracle of layering or patterning ... A remarkable book' New Statesman