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Vor fünf Jahren publizierte Didier Eribon die auch in Deutschland inzwischen bekannte Biographie über Michel Foucault, in der er den Weg eines Menschen und seines Werks nachzeichnete, aber auch und vor allem die Geschichte dieses Menschen und seines Denkens einschreiben wollte in die weit größere des intellektuellen Lebens Frankreichs der Nachkriegszeit. Diese Biographie ist heute zu einem Standardwerk und wurde allein in 16 Sprachen übersetzt (deutsch bei Suhrkamp). Das vorliegende neue Buch antwortet auf Kritiken und Fragen: Was bedeutet es, eine Biographie eines Philosophen zu schreiben?…mehr

Produktbeschreibung
Vor fünf Jahren publizierte Didier Eribon die auch in Deutschland inzwischen bekannte Biographie über Michel Foucault, in der er den Weg eines Menschen und seines Werks nachzeichnete, aber auch und vor allem die Geschichte dieses Menschen und seines Denkens einschreiben wollte in die weit größere des intellektuellen Lebens Frankreichs der Nachkriegszeit. Diese Biographie ist heute zu einem Standardwerk und wurde allein in 16 Sprachen übersetzt (deutsch bei Suhrkamp). Das vorliegende neue Buch antwortet auf Kritiken und Fragen: Was bedeutet es, eine Biographie eines Philosophen zu schreiben? Unter welchen Bedingungen entsteht die Geschichte eines Werks, eines intellektuellen Ziels? Welche Rolle spielt die persönliche Erfahrung in der Arbeit eines Philosophen, der seine Bücher als autobiographische Fragmente darstellt? Welchen Platz gewinnt die Homosexualität in einem Werk, das sich der Geschichte der Sexualität widmet? All diese Fragen bilden den ersten Teil des Buches. Aber man muß auch deutlich machen, daß man einen Lebensweg nicht verstehen kann, ohne ihn in eine reale historische Perspektive zu stellen, anders gesagt, ohne den individuellen Weg und die Theorie Foucaults einzuschreiben in das Spiel seiner vielfältigen und manchmal widersprüchlichen Beziehungen, Begegnungen, Affinitäten und Ablehnungen Menschen und ihren Arbeiten gegenüber, die seine »Zeitgenossen« waren. Daraus ergab sich der zweite Teil des Buches, der sich vor allem mit George Dumézil, Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir, George Canguilhem, Roland Barthes, Jacques Lacan, Claude Lévi-Strauss und Louis Althusser beschäftigt.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Außer seiner ersten Foucault-Biographie, die 1989 bei Flammarion erschienen ist, veröffentlichte Didier Eribon mehrere Bücher, u.a. zwei Bände Gespräche mit Georges Dumézil und Claude Lévi-Strauss, sowie 1992 Faut-il brûler Dumézil?
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.12.1998

Jenseits von Gut und Böse
Foucault war weder Heiliger noch Dämon: Seine Legende wächst trotzdem weiter

Als 1958 Edmond Faral, der Geschäftsführer des Collège de France, starb, der 1949 vergeblich versucht hatte, die Wahl des Religionshistorikers Georges Dumézil zu verhindern, drückte Michel Foucault diesem sein Mitgefühl aus: "Ich dachte daran, Dir zu schreiben, um Dich zum Tod von Faral zu beglückwünschen. Ich denke, das einzige, was Du bedauerst, ist, daß Du daran keinen Anteil hast . . ." Foucault war also nicht weniger Akademiker als jener Wiener Professor, der auf die Frage eines anderen: "Welcher Kollege ist denn gestorben, daß die Fahnen auf halbmast stehen?" zur Antwort gab: "Keine Ahnung, aber wissen S' was? Mir is jeder recht." Und wirkt Foucaults Konzeption des historischen Ereignisses als "Umkehrung eines Kräfteverhältnisses, der Sturz einer Macht, die Umfunktionierung einer Sprache und ihre Verwendung gegen die bisherigen Sprecher, die Schwächung, die Vergiftung einer Herrschaft durch sie selbst, das maskierte Auftreten einer anderen Herrschaft", nicht wie der unverblümte Ausdruck des akademischen Hauens und Stechens im Harnisch der Höflichkeit, in dem sich Foucault noch nach seiner eigenen Wahl ins Collège de France geübt zu haben scheint?

Nietzsche, an den Foucault sich 1971 bei seiner Konzeption des historischen Ereignisses anlehnte, hat im Anschluß an die antiken Kyniker die Anekdote als Medium und Prüfstein der Philosophiegeschichtsschreibung geadelt: In wenigen Anekdoten aus dem Leben eines Philosophen sollte sich in beispielhafter oder polemischer Verkürzung die Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit seines Systems erweisen. Doch das Anekdotische verführt zum Kurzschluß: James Millers Foucault-Biographie von 1993 (siehe F.A.Z. vom 5. Dezember 1995), die dessen Werk auf das vermeintlich traumatisierende Kindheitserlebnis zurückführt, wie Foucault seinem Vater, einem Chirurgen, bei einer Amputation zusah, konnte sich den Gedanken vom "Tod des Menschen" nur als Todessehnsucht seines Urhebers erklären, ohne darin die kritische Historisierung eines in der Anthropologie des achtzehnten Jahrhunderts erstarrten Menschenbildes zu erkennen, das Foucault befreien und einer neuen Interpretation zugänglich machen wollte.

Didier Eribon hat sich nun in einem selbständigen Begleitbuch zu seiner eigenen Foucault-Biographie von 1989 (siehe F.A.Z. vom 16. Januar 1992) scharf gegen Millers zynische Deutung gewandt. Er hält ihr eine Reihe von Doppelporträts entgegen, die eine Galerie der Entwicklung von Foucaults Werk in Denk-Konstellationen ergeben: Foucault und Dumézil, Foucault und Barthes, Foucault und Lacan, Foucault und Althusser. Sie bestätigen die Formel des französischen Philosophen Alain: "Intelligenz bedarf einer festen Freundschaft." Foucaults schneidende Scharfzüngigkeit blitzt im Kapitel über die Konstellation "Foucault und Habermas" auf.

Doch auch Eribons Buch stürzt seine Leser in einen Zwiespalt: Es widerlegt die Foucault-Industrie der Hagio- und Dämonographien zwar durch die historische Materialität von - größtenteils bislang unveröffentlichten - Dokumenten, überbietet sie aber durch noch pointiertere Anekdoten. So kann man sich nur dem Postulat des Herausgebers Hans-Dieter Gondek anschließen, daß Foucault "zunächst sei, was er gedacht hat". MARTIN STINGELIN

Didier Eribon: "Michel Foucault und seine Zeitgenossen". Aus dem Französischen von Michael von Killisch-Horn. Vorwort von Hans-Dieter Gondek. Klaus Boer Verlag, München 1998. 352 S., geb., 88,- DM.

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