A stunning novel of the Holocaust from Newbery Medalist, Jerry Spinelli He's a boy called Jew. Gypsy. Stopthief. Filthy son of Abraham. He's a boy who lives in the streets of Warsaw. He's a boy who steals food for himself, and the other orphans. He's a boy who believes in bread, and mothers, and angels. He's a boy who wants to be a Nazi, with tall, shiny jackboots of his own-until the day that suddenly makes him change his mind. And when the trains come to empty the Jews from the ghetto of the damned, he's a boy who realizes it's safest of all to be nobody. Newbery Medalist Jerry Spinelli takes us to one of the most devastating settings imaginable-Nazi-occupied Warsaw during World War II-and tells a tale of heartbreak, hope, and survival through the bright eyes of a young Holocaust orphan.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.06.2006Pfeifen, stampfen, kreischen
Jerry Spinellis neuer Roman spielt im Warschauer Ghetto
Es gibt erschütternde Jugendromane über das Warschauer Ghetto. Geschichten, die von Überlebenden erzählen, die das tragische Geschehen aus der Augenhöhe von Kindern betrachten. Karlijn Stoffels „Mojsche und Rejsele” zum Beispiel oder Juri Orlevs „Die Bleisoldaten”. Es sind - bei aller Dramatik - stille Geschichten. Sie berichten von den immer enger gezogenen Refugien der Hoffnung und von der Zufälligkeit des Überlebens.
Nun kommt mit „Asche fällt wie Schnee” ein weiterer Jugendroman hinzu, der die Warschauer Ereignisse von Sommer 1939 bis zum Sommer 1942 aus der Sicht eines Jungen beleuchtet, der vom Himmel gefallen zu sein scheint. Der Verfasser ist Jerry Spinelli, einer der führenden amerikanischen Jugendbuchautoren, dessen Metier bisher vor allem die brüchige Welt amerikanischer Vorstadtjugendlicher war. Die Facetten dieses urbanen Universums zeichnete Spinelli mit einzigartig schwungvoller Feder, selbstironisch, milieugetreu, seelenkundig und poetisch - Geschichten voller Mut und Hoffnung.
Und nun das Warschauer Ghetto. Man spürt, dass Spinelli nicht nur Holocaust-Überlebende zu Rate gezogen und Lebensgeschichten studiert hat, sondern auch Daten und Fakten im Hintergrund recherchierte. So etwa spielt Janusz Korczaks jüdisches Waisenhaus eine nicht unerhebliche Rolle.
Spinelli kreiert einen etwa neunjährigen Jungen, der namen- und geschichtslos als Ich-Erzähler in die Handlung tritt. Damit umgeht der Autor die Mühen, für seinen kleinen Helden, der nicht zu wachsen scheint, eine Vita anzulegen. Mit der Naivität des Jungen können sich die Leser gut identifizieren. Und dem Autor erleichtert die Unschuld des Kindes den Gang an seiner Seite durch die Terra incognita. Mischa Pilsudski - den Namen geben ihm die Mitglieder einer jugendlichen Diebesbande -, Mischa Pilsudski ist wahrscheinlich ein verlorener Zigeunerjunge, weiß nichts, ahnt nichts und bewundert mit offenem Mund Stechschrittparaden und blank gewienerte Stiefel der SS-Männer.
Das Wichtigste, an das sich Mischa erinnert: „Ich renne.” Anscheinend stand der Junge - wie schon Spinellis „Maniac Magee” - in seinem Leben keine fünf Sekunden still. Das hilft ihm nun, sich durch die widrigsten Umstände zu zwängen, selbst durch eine winzige Kanalöffnung in der Ghettomauer. Zuerst imponiert er den elternlosen jüdischen Jungs aus der Diebesbande, dann der Familie der kleine Janina, die er im Ghetto wie eine jüngere Schwester umsorgt.
Die Charakterisierung der jungen Menschen gelingt Spinelli beeindruckend lebensnah. Es gibt berührende Szenen, ganz ohne Kitsch und Sentimentalität, wenn der Autor die Phantasien und die Logik der Kinder im Ghetto beschreibt (Andreas Steinhöfel erhält diese Lebendigkeit in seiner Übersetzung). Die naiven Weltbilder scheinen so entfernt nicht von denen der Ghettokids in den amerikanischen Großstädten. Ja, selbst Schikane, Hunger, Tod, die kläglichen Reste von Freundschaft, Liebe und Geborgenheit bleiben sehr nahe an dem, was Überlebende berichten.
Keinerlei Stillstand
Was die Glaubwürdigkeit der Geschichte allerdings erheblich stört, ist die Dominanz der Bilder. Da fühlt man sich manchmal mehr inmitten der ästhetisch ausgefeilten Konstruktion einer Untergangskulisse à la Steven Spielberg als in einer Welt der beschränkten Horizonte eines Kindes. Dem Jungen widerfährt nahezu alles, was wir aus Literatur und Film über das Warschauer Ghetto zu kennen glauben. Selbst, wenn Mischa und Janina fasziniert das nächtliche Qualmen, Pfeifen, Stampfen und Kreischen der Lokomotiven der Deportationszüge beobachten, müssen sie an einem zusammengestürzten Schornstein stehen, der sich bedrohlich vom Nachthimmel abhebt.
Tatsächlich gibt es keinerlei Stillstand im Leben des kleinen Mischa. Kaum atmet er durch, wird er mit dem nächsten bedeutsamen tragischen Ereignis konfrontiert. Als habe Jerry Spinelli Sorge, seine Dramaturgie könne außer Takt geraten, wenn nicht genügend
Atmosphäre im Hintergrund wirke.
Das führt dazu, dass man die Anstrengung merkt, mit der Spinelli seine Geschichte authentisch gestalten will. Erst nach der Katastrophe, als sich Mischas Spuren in Spinellis realer Welt, in Philadelphia, wiederfinden, entspannt sich der spürbare Konstruktionsdruck, und der Autor ist wieder ganz in dem Metier, in dem er jeden verfallenen Hinterhof kennt.
SIGGI SEUSS
JERRY SPINELLI: Asche fällt auf Schnee. Übersetzung von Andreas Steinhöfel. Cecilie Dressler Verlag, Ham-
burg 2006. 238 Seiten, 12,90 Euro. Ab 12 Jahre
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Jerry Spinellis neuer Roman spielt im Warschauer Ghetto
Es gibt erschütternde Jugendromane über das Warschauer Ghetto. Geschichten, die von Überlebenden erzählen, die das tragische Geschehen aus der Augenhöhe von Kindern betrachten. Karlijn Stoffels „Mojsche und Rejsele” zum Beispiel oder Juri Orlevs „Die Bleisoldaten”. Es sind - bei aller Dramatik - stille Geschichten. Sie berichten von den immer enger gezogenen Refugien der Hoffnung und von der Zufälligkeit des Überlebens.
Nun kommt mit „Asche fällt wie Schnee” ein weiterer Jugendroman hinzu, der die Warschauer Ereignisse von Sommer 1939 bis zum Sommer 1942 aus der Sicht eines Jungen beleuchtet, der vom Himmel gefallen zu sein scheint. Der Verfasser ist Jerry Spinelli, einer der führenden amerikanischen Jugendbuchautoren, dessen Metier bisher vor allem die brüchige Welt amerikanischer Vorstadtjugendlicher war. Die Facetten dieses urbanen Universums zeichnete Spinelli mit einzigartig schwungvoller Feder, selbstironisch, milieugetreu, seelenkundig und poetisch - Geschichten voller Mut und Hoffnung.
Und nun das Warschauer Ghetto. Man spürt, dass Spinelli nicht nur Holocaust-Überlebende zu Rate gezogen und Lebensgeschichten studiert hat, sondern auch Daten und Fakten im Hintergrund recherchierte. So etwa spielt Janusz Korczaks jüdisches Waisenhaus eine nicht unerhebliche Rolle.
Spinelli kreiert einen etwa neunjährigen Jungen, der namen- und geschichtslos als Ich-Erzähler in die Handlung tritt. Damit umgeht der Autor die Mühen, für seinen kleinen Helden, der nicht zu wachsen scheint, eine Vita anzulegen. Mit der Naivität des Jungen können sich die Leser gut identifizieren. Und dem Autor erleichtert die Unschuld des Kindes den Gang an seiner Seite durch die Terra incognita. Mischa Pilsudski - den Namen geben ihm die Mitglieder einer jugendlichen Diebesbande -, Mischa Pilsudski ist wahrscheinlich ein verlorener Zigeunerjunge, weiß nichts, ahnt nichts und bewundert mit offenem Mund Stechschrittparaden und blank gewienerte Stiefel der SS-Männer.
Das Wichtigste, an das sich Mischa erinnert: „Ich renne.” Anscheinend stand der Junge - wie schon Spinellis „Maniac Magee” - in seinem Leben keine fünf Sekunden still. Das hilft ihm nun, sich durch die widrigsten Umstände zu zwängen, selbst durch eine winzige Kanalöffnung in der Ghettomauer. Zuerst imponiert er den elternlosen jüdischen Jungs aus der Diebesbande, dann der Familie der kleine Janina, die er im Ghetto wie eine jüngere Schwester umsorgt.
Die Charakterisierung der jungen Menschen gelingt Spinelli beeindruckend lebensnah. Es gibt berührende Szenen, ganz ohne Kitsch und Sentimentalität, wenn der Autor die Phantasien und die Logik der Kinder im Ghetto beschreibt (Andreas Steinhöfel erhält diese Lebendigkeit in seiner Übersetzung). Die naiven Weltbilder scheinen so entfernt nicht von denen der Ghettokids in den amerikanischen Großstädten. Ja, selbst Schikane, Hunger, Tod, die kläglichen Reste von Freundschaft, Liebe und Geborgenheit bleiben sehr nahe an dem, was Überlebende berichten.
Keinerlei Stillstand
Was die Glaubwürdigkeit der Geschichte allerdings erheblich stört, ist die Dominanz der Bilder. Da fühlt man sich manchmal mehr inmitten der ästhetisch ausgefeilten Konstruktion einer Untergangskulisse à la Steven Spielberg als in einer Welt der beschränkten Horizonte eines Kindes. Dem Jungen widerfährt nahezu alles, was wir aus Literatur und Film über das Warschauer Ghetto zu kennen glauben. Selbst, wenn Mischa und Janina fasziniert das nächtliche Qualmen, Pfeifen, Stampfen und Kreischen der Lokomotiven der Deportationszüge beobachten, müssen sie an einem zusammengestürzten Schornstein stehen, der sich bedrohlich vom Nachthimmel abhebt.
Tatsächlich gibt es keinerlei Stillstand im Leben des kleinen Mischa. Kaum atmet er durch, wird er mit dem nächsten bedeutsamen tragischen Ereignis konfrontiert. Als habe Jerry Spinelli Sorge, seine Dramaturgie könne außer Takt geraten, wenn nicht genügend
Atmosphäre im Hintergrund wirke.
Das führt dazu, dass man die Anstrengung merkt, mit der Spinelli seine Geschichte authentisch gestalten will. Erst nach der Katastrophe, als sich Mischas Spuren in Spinellis realer Welt, in Philadelphia, wiederfinden, entspannt sich der spürbare Konstruktionsdruck, und der Autor ist wieder ganz in dem Metier, in dem er jeden verfallenen Hinterhof kennt.
SIGGI SEUSS
JERRY SPINELLI: Asche fällt auf Schnee. Übersetzung von Andreas Steinhöfel. Cecilie Dressler Verlag, Ham-
burg 2006. 238 Seiten, 12,90 Euro. Ab 12 Jahre
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