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"Gegenstand der Untersuchung ist die mittelalterliche Buchmalerei. Eine Miniatur wird als Beispiel genommen; man kann die ganze Abhandlung als Kommentar zu ihr lesen, als Antwort auf die Frage: Weshalb entstand dieses Bild in dieser Form? Die Untersuchung bietet mit den Fragen nach den damaligen Buchpreisen und den Entlohnungen der Bildproduzenten auch einen Beitrag zur Geschichte des Buchwesens. Ein Nachtrag enthält neben den Abbildungen aller untersuchten Gregor-Bilder 225 Quellentexte im lateinischen Wortlaut und mit einer Übersetzung."

Produktbeschreibung
"Gegenstand der Untersuchung ist die mittelalterliche Buchmalerei. Eine Miniatur wird als Beispiel genommen; man kann die ganze Abhandlung als Kommentar zu ihr lesen, als Antwort auf die Frage: Weshalb entstand dieses Bild in dieser Form? Die Untersuchung bietet mit den Fragen nach den damaligen Buchpreisen und den Entlohnungen der Bildproduzenten auch einen Beitrag zur Geschichte des Buchwesens. Ein Nachtrag enthält neben den Abbildungen aller untersuchten Gregor-Bilder 225 Quellentexte im lateinischen Wortlaut und mit einer Übersetzung."
Autorenporträt
Johann Konrad Eberlein, geb. 1948, seit 1998 Ordinarius für Kunstgeschichte an der Universität Graz. Zahlreiche Publikationen zur Kunst des Mittelalters und der Moderne, Kunsttheorie und Methodik des Fachs Kunstgeschichte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.04.1996

Heiliger Vater, bitte zum Diktat
Johann Konrad Eberlein war bei den mittelalterlichen Buchmalern / Von Wolfgang Kemp

Gregor der Große (um 540 bis 604) war nicht nur ein Autor von vielgelesenen Heiligenlegenden, er wurde selbst Gegenstand von solchen. Die bekannteste Episode, die von ihm erzählt wird, hat die Buchmalerei zu dem "Image" verdichtet, das wir mit seinem Namen verbinden: Der Papst wird bei Diktat seines Ezechiel-Kommentars vom Heiligen Geist inspiriert, der ihm in Gestalt einer Taube assistiert. Die im Diktat auftretenden Pausen irritieren den Schreiber. Er durchbohrt mit seinem Griffel den Vorhang, der ihn von Papst trennt, und beobachtet heimlich das wundersame Geschehen.

Ein solches Motiv aus dem "Schreibermilieu" und die Serie seiner Verbildlichungen an den Anfang einer Studie über die Produktion mittelalterlicher Buchmalerei zu stellen hat unverkennbare Vorzüge. Der Protagonist der Szene trägt den Ehrentitel des letzten Kirchenvaters - tatsächlich lebte Gregor ja nach der Epoche der Väter. Wichtig ist daran, daß die Buchmalerei in ein Traditionsgeschehen eingebettet ist, das sich in drei Schritten darstellt: Zuerst schließt die Epoche der göttlichen Offenbarung mit den kanonischen Schriften, dann geht mit Gregor die Epoche der Väter zu Ende, die unfehlbare und inspirierte Texte, meist Exegesen, vorgelegt hatten, und darauf kommt die Zeit der Kopisten, Kommentatoren, Kompilatoren und Illustratoren.

In den Miniaturen sind diese drei "Gnadenstände" des Wortes zum Bild vereint. Der Papst, der mit seinen Kommentarschriften den "zweiten Kanon" verkörpert, steht zwischen der göttlichen Urheberschaft (Taube) und der irdischen Nachschreiberei und Nachbildnerei. Untergeordnet ist die Stellung der Schreiber, abhängig ihr Tun und Verhalten; mit Schwierigkeiten nur und gegen Verbote handelnd, ja sogar ihr Leben opfernd, wie es eine Version der Gregorlegende will, verschaffen sie sich einen Begriff von den höheren Freuden des Schreibens. In den Grenzen ihres Metiers bleibend, haben sie nur den Stilus, ihr Werkzeug, um den Vorhang zu durchbohren. In den Bildern ist seine Spitze aber nicht allein Augenersatz, sondern auch geheime Bedrohung des Diktierenden.

Johann Konrad Eberlein, dessen erstes Buch das Vorhangmotiv in Mittelalter und Renaissance untersuchte, engagiert sich in diesem auf der Seite der Vorhangdurchbohrer. Zwischen den Schreibern und den Malern macht er keinen großen Unterschied: Beider Tätigkeit kommt aus der "Kraft der drei Finger", von der eine mittelalterliche Quelle spricht - der drei Finger, die zum Halten von Pinsel beziehungsweise Stilus und Feder benötigt werden. Buchmaler und -schreiber sind Erzeuger "von allgemeinen, überindividuell bestimmten Werken"; ihre Aufgabe ist das Kopieren, welches Ausdruck und Konsequenz ihrer Stellung in der Gesellschaft und in der Geschichte ist: unfrei als Sklaven (in der Antike) beziehungsweise Mönche (im Mittelalter) und als Bewahrer einer abgeschlossenen und sakrosankten Überlieferung. "Der Konflikt kann beschrieben werden als die grundsätzliche Differenz zwischen Hersteller und Aufgabe, zwischen dem in der Jetzt-Zeit handelnden Ich und dem Zwang zur Bildschöpfung in einem unabhängig von ihm bestimmten Medium, mit einer Methode, die an Vorformulierungen gebunden war, und in einer Formensprache, deren historischer Ursprung ganz woanders lag."

Ob der moderne Konfliktbegriff hier hilft, darf bezweifelt werden - die Grundstellung ist jedenfalls deutlich beschrieben. Wenn Eberlein also mehr am Zwangscharakter der Veranstaltung mittelalterlicher Buchmalerei interessiert ist, so zeigt er aber auch, was möglich ist - immer nur im Detail möglich ist. Zum Beispiel Eingriffe in die überlieferte Ikonographie des Gregormotivs. Sie gehen so weit, daß auf hier nicht nachzuvollziehende Weise aus dem Schreiber der heilige Petrus wird.

Sie arbeiten aber nicht nur an einer Selbstaufwertung, sondern auch an punktueller Aktualisierung. Anders als in der Antike wurde in der mittelalterlichen Buchproduktion nicht nach Diktat geschrieben, sondern nach Vorlage abgeschrieben, das heißt, es fand eine Transformation vom Laut zum Bild des Wortes statt. Diese könnte nun wiederum das der Legendenbildung später zugefügte Motiv des Blicks durch den Vorhang angeregt haben. Eberlein spricht hier mit einem glücklichen Ausdruck von einer "Poetisierung des Intervalls": "In das Diktat des Papstes führt der anonyme Autor der Gregor-Biographie Pausen ein, die mit dem Blick des Schreibers kongruieren. Dahinter verbirgt sich das reale Aufschauen des klösterlichen Kopisten zum nächsten Wort im vor ihm stehenden Buch, aus dem er abschreibt."

Eine Kunstgeschichte, die zu ihrem "Leitbegriff" die "investierte Arbeit" erhebt, hat sich bisher nicht als Konstante etablieren können. Auf dem Schutzumschlag dieses erneuten Versuches gibt es einen Untertitel, der in die Titelseite nicht aufgenommen wurde, also wohl unter Werbemaßnahmen fällt: "Miniatur und Arbeit. Das Medium Buchmalerei". Hier bildet sich im Bogen ein Epochenwandel des Forschungs- und Verwertungsinteresses ab. 1980, als Eberlein dieses kapitale Unternehmen begann, wäre der korrekte Suhrkamp-Titel gewesen: "Buchmalerei als Arbeit"; "Miniatur und Arbeit" klingt 15 Jahre später merkwürdig unentschieden; "Das Medium Buchmalerei" beruft sich auf die mediengeschichtliche Wende der späteren achtziger Jahre und spricht im Grunde ein anderes Publikum an.

Die Verheißung des Untertitels wird dann auch nicht eingelöst. Was aber das Hauptanliegen angeht, so erwarte man keine originären produktionsgeschichtlichen Fragestellungen im Stile der Annales-Schule: Welchen Einfluß hatten die Klimaschwankungen des 10. Jahrhunderts auf das Gallapfelvorkommen? Was Eberlein über die elementaren Produktionsfaktoren für mitteilenswert hält, teilt er referierend mit; eine aus ihnen abgeleitete Ästhetik des Produkts, wie sie etwa Kimpel und Suckale für den Bau der gotischen Kathedrale oder Baxandall für die Holzskulptur des 15. Jahrhunderts versucht haben, ergibt sich so nicht. Wenn Eberlein verspricht, "in die Betrachtung der Miniatur auch deren Herstellungspraxis als historische Aufgabe einzubeziehen", dann setzt er als maßgebliche Einflußgrößen zwei Faktoren an, die kurz "Stellung" und "Einstellung" heißen können.

Den "Einstellungen" der Buchmaler sind die Kapitel II und III gewidmet, der "Stellung" die Kapitel IV bis VI. Der erstgenannte Teil bearbeitet exemplarisch die Gruppe der Gregor-Miniaturen. Der zweite Teil hält sich an schriftliche Aussagen über die Funktion des Bildes im Christentum, über die Buchmaler und ihre Rolle und verwandte Probleme. Auf beiden Feldern erweist sich der Autor als vorzüglicher Kenner und Interpret. Zum zweiten Teil, dem quellenauswertenden, sprechend: Immer wieder ist es ja erstaunlich, welchen Reichtum die eifrig zusammengetragenen und danach nicht mehr benutzten Quellensammlungen zur mittelalterlichen Geschichte und Kunstgeschichte bereithalten. Die Bücher von Martin Warnke ("Bau und Überbau", "Hofkünstler") haben vorgeführt, wie man solche Kompendien zum Sprechen bringen kann.

Auch Eberlein versteht diese Kunst; er versteht sie so gut, daß er sich und uns Unterkapitel gönnt, die mit seinem Anliegen nur am Rande zu tun haben und dennoch schön zu lesen sind, wie etwa der Abschnitt über Malerwitze und Malergeschichten im Mittelalter. Die positiven Erfahrungen mit diesen Florilegien bringen den Leser darauf, daß bei der Lektüre der Gregorbilder eine Instanz ausgelassen wurde: der Betrachter/Leser, der alle Klassen von Autoren überblickt und zusammenlesend sich seinen Text bildet.

Johann Konrad Eberlein: "Miniatur und Arbeit". Das Medium Buchmalerei.Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1995. 501 S., 22 S/W-Abb., geb., 68,- DM.

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