Minna? Selbst ausgewiesene Wagner-Kenner können mit diesem Namen wenig anfangen. Minna Planer war Richard Wagners erste Ehefrau. Mit ihr war er dreißig Jahre verheiratet, an ihrer Seite hat er alle Werke - von Rienzi bis zum Parsifal - komponiert oder zumindest konzipiert. Und Minna lebt - in Wagners Musik. Sie ist die Senta des Holländers, die Elsa des Lohengrin und die Fricka im Ring. In der Wagner-Literatur ist Minna dennoch über die Rolle einer Haushälterin nicht hinausgekommen. Dabei war sie eine für die damalige Zeit erstaunlich selbständige Frau, eine anerkannte Schauspielerin mit Erfolgen von Berlin bis Riga.
Sibylle Zehle ist den Spuren Minna Wagners gefolgt. Es ist der Weg einer jungen, ehrgeizigen Aufsteigerin, die versucht, der Enge ihres Elternhauses zu entfliehen und statt der ersehnten bürgerlichen Sicherheit an der Seite Richard Wagners nichts als die Unsicherheit einer unruhigen - und für sie zerstörerischen - Künstlerexistenz erfährt.
Die Autorin hat zahlreiche Dokumente entdeckt und eine Fülle neuer Fakten ermittelt, die sie zu einem atmosphärisch dichten Porträt zusammenwebt. Die künstliche Welt Wahnfrieds war erst das Werk von Cosima. Sie hat Wagners Leben stilisiert und zensiert - und ihre Vorgängerin unterschlagen. Zum "Meister" passte keine Minna - nicht mal als Erinnerung.
Sibylle Zehle ist den Spuren Minna Wagners gefolgt. Es ist der Weg einer jungen, ehrgeizigen Aufsteigerin, die versucht, der Enge ihres Elternhauses zu entfliehen und statt der ersehnten bürgerlichen Sicherheit an der Seite Richard Wagners nichts als die Unsicherheit einer unruhigen - und für sie zerstörerischen - Künstlerexistenz erfährt.
Die Autorin hat zahlreiche Dokumente entdeckt und eine Fülle neuer Fakten ermittelt, die sie zu einem atmosphärisch dichten Porträt zusammenwebt. Die künstliche Welt Wahnfrieds war erst das Werk von Cosima. Sie hat Wagners Leben stilisiert und zensiert - und ihre Vorgängerin unterschlagen. Zum "Meister" passte keine Minna - nicht mal als Erinnerung.
Sibylle Zehle schreibt eine Biographie über Minna Wagner
Sie war der Star. Alle schwärmten von ihren Augen. Richard Wagners erste Frau Minna Planer feierte als Schauspielerin Erfolge, die den zweiundzwanzigjährigen Magdeburger Kapellmeister köcheln ließen. Er schrieb ihr glühende Liebesbriefe. Getrennt von Wagner seit 1858, erlebte Minna Richards Elend und nicht Richards Glück. Zunehmend kurzatmig und depressiv, rettete sie sich in die Räusche des Opiums, trank Laudanum, das Valium des neunzehnten Jahrhunderts. Aus ihren Augen wich der Glanz. Die Liebesbriefe glossierte sie im Alter bitter und starb mit dreiundfünfzig Jahren. Die Obduktion konstatierte eine "enorme Vergrößerung und Entartung des Herzens".
In Sibylle Zehles Buch über Christiane Wilhelmine Planer, wie Minna mit vollem Namen heißt, lernt der Leser vor allem tausend Details über Richard Wagner. Daß ihn als Kind alle "Amtsmann Rührei" hänselten, daß er beim "Fidelio" heulte und daß er chronisch an Verstopfung litt. Der Leser erfährt einiges, was er vielleicht gar nicht wissen möchte, zum Beispiel über Richards Pickel, dank derer 1834 erste Zärtlichkeiten zwischen ihm und Minna entstanden, als sie ihm in Bad Lauchstädt bei der Pflege einer "Rose" half, die sein aufgedunsenes Gesicht entstellte. Darauf küßte Minna - der Leser ist erneut nur bedingt dankbar für die Details - nach der Abheilung die zurückgebliebenen Bläschen an Richards Lippen. Außerdem maß er nur 1,66 Meter. So groß war der Schatten nicht, in dem Minna stand.
Vor seinem ersten Erfolg mit "Rienzi" gerierte Richard sich als unerträglicher Prahlhans, stets verschuldet durch Spiel und Suff, unterwegs auf der Grenzlinie zwischen Genie und Scharlatan. Die Briefe an seinen Freund Theodor Apel sprechen von dieser Kluft zwischen Selbstbild und Wirklichkeit. Aber wer sich nichts vormacht, hat auch nicht mehr viel vor sich. Wie die Karriere ausging, das ist bekannt.
Wenige kennen die Lebensgeschichte Minnas. Ihre Jugend prägten Völkerschlacht und Armut. Sie half der Familie, erlebte eine entbehrungsreiche Kindheit als ernste, große Schwester mit viel Verantwortung. Mit vierzehn wird sie schwanger, von einem Hauptmann der sächsisch-königlichen Garde. Es war "halb Gewalt, halb Verführung" diktiert Richard später ihrer Nachfolgerin Cosima in die Tagebücher. Sibylle Zehle fügt hinzu: "Es war ein Sommertag." Das Kind jubelte Minna mit Mutters Hilfe dem eigenen Vater unter, verheimlichte dies ihr Leben lang und blieb unfruchtbar. Vielleicht bildeten diese Erfahrungen das Fundament ihrer Karriere als Tragödin.
Richard neidete seiner Frau die Karriere. Minna war vier Jahre älter als er. Er, der Egomane, brauchte sie als bewunderndes Publikum, ihre zahlreichen Gastspiele verstimmten ihn. Er eifersüchtelte und nörgelte, bis Minna die Schauspielerei aufgab und Richard 1836 heiratete. August Röckel machte Richard Ende der vierziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts mit der Revolution bekannt. Damit begann die langsame Trennung von Minna, die ihm nicht verzieh, daß er für die "gute Sache" seine Stelle als Kapellmeister in Dresden riskierte, mit der er finanziell zum ersten Mal so weit Oberwasser gewonnen hatte, daß er sich von den Schulden befreien konnte. Schulden werden sein Leben bestimmen. Richard praßte zwanghaft. Davon konnte ihn auch die tugendhafte Minna nicht abbringen. Ihre Unfruchtbarkeit und seine Demütigungen, die halb offenen Liebeleien mit anderen Frauen, kamen hinzu.
Sibylle Zehle, Journalistin, schrieb mit der Unterstützung von Jutta Themme eine Biographie, die nicht nur auf die Ehrenrettung Minna Planers zielt. Es sind Nachrichten aus einer Zeit, als die Bühnenbildner "Wald", "Lichtung" und "Straße" noch aus dem Katalog bestellten, als Sänger sich auf eigene Kosten Rüstungen anfertigen ließen, die das Honorar der Komponisten weit übertrafen, und als das Musiktheater noch nicht Schlachtfeld vergreisender Repertoireverwalter, sondern eine Bühne für junge Revolutionäre war. Das Buch überzeugt als Zeit- und Sittenporträt, es stellt sich nicht in die Reihe der Literatur zu Leben und Werk Richard Wagners, die Cosima kanonisierte. Zehle zeigt Minna und Richard ohne Schminke. Nur die rhetorischen Fragen und das blumige Ausmalen von Befindlichkeiten stauen den Lesefluß. Man sollte sich dazu nebenbei die jüngst digital erschienenen Briefe Richards ansehen. Minna war Richards große Liebe. Umsonst versuchte Cosima die Erinnerungen an Minna zu tilgen, indem sie Briefe verbrannte. Die Auslöschung Minnas gelang ihr nicht.
GÖTZ LEINEWEBER
Sibylle Zehle: "Minna Wagner. Eine Spurensuche". Hoffmann & Campe, Hamburg 2004. 573 S., Abb., geb., 24,90 [Euro].
"Richard Wagner: Werke, Schriften und Briefe". Digitale Bibliothek 107. Herausgegeben von Sven Friedrich. Directmedia, Berlin 2004. 51714 Bildschirmseiten, Volltextsammlung, CD-ROM, 45 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Götz Leineweber lobt diese Biografie von Minna Wagner, der ersten Frau von Richard Wagner, als ungeschminkte Darstellung. Auch als "Zeit- und Sittenporträt" überzeugt ihn das Buch der Journalistin Sibylle Zehle, die darin über die Zeit des Musiktheaters berichtet, in der noch nicht "vergreisende Repertoireverwalter" sondern "junge Revolutionäre" das Sagen hatten, wie sie mit einem kleinen Seitenhieb auf heutige Verhältnisse schreibt. Manches, wie Einzelheiten zu Richard Wagners Pickeln, hätte der Rezensent wohl lieber nicht erfahren und auch auf die vielen "rhetorischen Fragen und die blumigen Ausmalungen" der Seelenzustände der Porträtieren hätte er verzichten mögen. Trotzdem lobt er diese Lebensbeschreibung als erhellend, nicht zuletzt, weil sie nicht zu der von Cosima Wagners "kanonisierten" Reihe von Literatur über Richard Wagner gehört.
© Perlentaucher Medien GmbH
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