Die weißrussische Hauptstadt Minsk wurde nach 1945 als sozialistische Musterstadt geplant und aufgebaut. Die Stadtplaner fanden hierzu ideale Voraussetzungen vor: Weißrussland war bis vor dem Zweiten Weltkrieg ein reines Agrarland und zudem hatten die deutschen Besatzer die Stadt komplett zerstört. Am Beispiel von Minsk verdeutlicht das Buch den Wandel des städtebaulichen Leitbildes in der Sowjetunion von den 1930er bis in die 1950erJahre und die damit verbundene Errichtung des 'Systems der geschlossenen Städte'. Der Autor zeigt den Prozess der Industrialisierung und Modernisierung ebenso auf wie die Entwicklung der Stadt Minsk vom lokalen Handelszentrum zur sowjetischen Industriemetropole. Die vorliegende Studie widmet sich damit dem Problem von Stadtwachstum und Verstädterung in 'Nachzüglergesellschaften' und will auf dieser Grundlage dazu anregen, die Urbanisierung als ein Leitmotiv der Sowjetunionforschung zu etablieren.
Thomas M. Bohn ist Professor für Geschichte Osteuropas an der LudwigMaximiliansUniversität München.
Thomas M. Bohn ist Professor für Geschichte Osteuropas an der LudwigMaximiliansUniversität München.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Ingo Petz zeigt sich begeistert von der Studie des Osteuropa-Historikers Thomas Bohn. Dass sich Habilschriften auch ohne akademische Sozialisation lesen lassen, ja dass es sogar lehrreich, wegweisend und aufregend sein kann, sich geschichtswissenschaftlich, raumhistoriografisch schlau zu machen, durfte er anhand dieses Bandes erfahren. Wie sich sozialistische Stadtplanung und rurale Milieus miteinander verbinden, erfährt Petz am Beispiel der Stadt Minsk. Bohn erzählt dem Rezensenten "luzide" vom Leben, von städtebaulicher Theorie und Praxis in Osteuropa und ganz nebenbei auch von Hoffnung. Die gegen den sozialistischen Masterplan verteidigten privaten Nischen der Minsker sind für Petz Ausdruck für die demokratische Kraft innerhalb der Sowjetgesellschaft.
© Perlentaucher Medien GmbH
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