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Diese Biographie erzählt das Leben der Elisabeth Schmitz, einer überaus mutigen Frau des christlichen Widerstands gegen die Nazibarbarei. Angela Merkel nannte Elisabeth Schmitz eine »Ausnahme von der Regel des Schweigens«. Zu ihrer Beerdigung 1977 kamen sieben Gäste. Elisabeth Schmitz, studierte Historikerin und Theologin, bis 1938 Studienrätin an einem Berliner Mädchengymnasium, war im Krieg in ihre Heimatstadt Hanau zurückgekehrt. Kaum jemand hier wusste, was diese Frau unter der Nazidiktatur in Berlin an Widerstand geleistet hatte. Sie selbst schwieg dazu. Erst als man 2004 in einem…mehr

Produktbeschreibung
Diese Biographie erzählt das Leben der Elisabeth Schmitz, einer überaus mutigen Frau des christlichen Widerstands gegen die Nazibarbarei. Angela Merkel nannte Elisabeth Schmitz eine »Ausnahme von der Regel des Schweigens«. Zu ihrer Beerdigung 1977 kamen sieben Gäste. Elisabeth Schmitz, studierte Historikerin und Theologin, bis 1938 Studienrätin an einem Berliner Mädchengymnasium, war im Krieg in ihre Heimatstadt Hanau zurückgekehrt. Kaum jemand hier wusste, was diese Frau unter der Nazidiktatur in Berlin an Widerstand geleistet hatte. Sie selbst schwieg dazu. Erst als man 2004 in einem Kirchenkeller eine Aktentasche mit persönlichen Dokumenten fand, wurde bekannt, wie mutig sie in Wirklichkeit gewesen war. Die Geschichte ihres Lebens ist eine überfällige Entdeckung.
Autorenporträt
Prof. Dr. Manfred Gailus lehrt Neuere Geschichte am Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin. Er hat zahlreiche Bücher und Aufsätze über die Geschichte des Protestantismus seit dem Kaiserreich verfasst.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.09.2010

Wieso verstehen auf einmal so viele Theologen so viel von Rassenkunde?
Eine Lehrerin im Zwist mit dem nationalsozialistischen Staat: Manfred Gailus über die unscheinbare Widerständlerin Elisabeth Schmitz
Im Winter trug sie den braunen Rock, im Sommer den grauen, der Saum zwei Handbreit unter dem Knie, blasse Bluse, Strickjacke, dicke Strümpfe, die grauen Haare aufgesteckt, die Stimme monoton und weinerlich, unscheinbar und reserviert, der ganze Habitus auf Distanz gebürstet. So ist sie ihren Schülerinnen in Erinnerung geblieben. Wer in den fünfziger oder sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts aufs Gymnasium ging, kennt diesen Typ Marke alte Jungfer.
Kinder sind gnadenlos. Nicht einen Moment lang hätte man einen Gedanken daran verschwendet, was für ein Leben, was für ein Schicksal sich hinter einer Fassade gediegener Altbackenheit verbergen mochte. Das Bild einer mutigen Widerständlerin, die das drohende Naziunheil früher als andere erkannte, sich früher als andere einen Reim auf die Konsequenzen machte, protestierte, appellierte und unter Einsatz ihres Lebens Juden versteckte, brachte niemand zusammen mit der biederen Lehrerin. Zumal sie niemals über ihre Heldentaten sprach. Erst sechzig Jahre nach Kriegsende fand man in einem Kirchenarchiv eine Aktentasche mit Dokumenten, die Zeugnis ablegten von ihrem Widerstand.
Der Historiker Manfred Gailus, Spezialist für die Erforschung der Rolle des Protestantismus im Nationalsozialismus, hat jetzt die Biographie der Elisabeth Schmitz vorgelegt, der tapferen, unscheinbaren Lehrerin und gläubigen evangelischen Christin, die das Versagen der evangelischen Kirche angesichts der Judenverfolgung im Dritten Reich – eines der düstersten Kapitel in der Geschichte des Protestantismus – früh erkannt und angeprangert hat. So früh erkannt, dass es nach Lektüre ihrer ‚Denkschrift zur Lage der deutschen Nichtarier‘ von 1935 wieder einmal schwer fällt, den Zeitzeugen – so sie noch am Leben sind –, die noch immer beteuern sie hätten nichts gewusst und nichts gesehen, zu glauben. Erst posthum wurde Elisabeth Schmitz zu einer Ikone der bekennenden Kirche.
Zu ihren Lebzeiten hatte sie es nicht leicht, sich Gehör zu verschaffen, und bei ihrer Beerdigung im Jahr 1974 in ihrer Geburtsstadt Hanau standen gerade mal sieben Personen an ihrem Grab. Sie wirkte im Stillen. In ihrer auf Matrizen geschriebenen und in einer Auflage von 200 Stück gedruckten Denkschrift sammelte sie ganz konkrete, oftmals kleine, unspektakuläre Alltagsvorkommnisse einer vergifteten Gesellschaft als Belege für die Schikanen an Juden, Schikanen von Nachbarn und Kollegen, Lehrern und anderen Amtspersonen, auch kirchlichen.
Nüchtern und trocken listete Schmitz die immer brutaler und offener zutage tretenden Akte der Repression an Nichtariern auf, und verband damit den Appell an ihre, die evangelische Kirche, doch endlich einzugreifen und christlich zu handeln und ihr Wächteramt gegenüber Volk und Staat ernst zu nehmen. Eine Denkschrift und zugleich ein bewegendes Dokument von Mut und Menschlichkeit.
Elisabeth Schmitz wurde 1893 in eine wilhelminisch-bildungsbürgerliche Welt hineingeboren und gehörte zur ersten Generation von Frauen, die studieren und für ihre berufliche Tätigkeit als Lehrerin einen akademischen Abschluss vorweisen konnten. Die ethisch-moralische Richtschnur für ihr erwachsenes Leben wurde in diesen Jahren gelegt. Als Studentin bewunderte sie den Historiker Friedrich Meinecke und suchte die Nähe des Kulturtheologen Adolf von Harnack.
Schmitz wurde Lehrerin, fand schnell eine Stelle, aber nach den Novemberprogromen 1938 war es ihr aus Überzeugungs- und Gewissensgründen nicht mehr möglich ihren Beruf auszuüben, und sie ließ sich in den vorzeitigen Ruhestand versetzen. „Es ist mir in steigendem Maße zweifelhaft geworden“, schrieb sie zur Begründung an die zuständige Behörde, „ob ich den Unterricht bei meinen rein weltanschaulichen Fächern – Religion, Geschichte, Deutsch – so geben kann, wie ihn der nationalsozialistische Staat von mir erwartet und fordert.“ Dem Ersuchen nach vorzeitiger Entlassung aus dem Staatsdienst wurde stattgegeben, und Schmitz bekam wundersamer Weise noch eine kleine Pension.
Nach Hitlers Machtergreifung 1933 nahm sie ihre Freundin bei sich auf, eine jüdische Ärztin der man ihre Praxis abgenommen hatte. Schmitz war bewusst, dass sie sich ständig selbst in Gefahr brachte, wenn sie wiederholt Nichtarier bei sich aufnahm und den Entrechteten mit Geld und Lebensmitteln half. Andere, die Ähnliches taten landeten im Gefängnis oder im KZ, sie nicht. 1943 zog sie zurück nach Hanau, nahm nach dem Krieg den Schuldienst wieder auf und arbeitete bis zu ihrer Pensionierung 1958 als Lehrerin in Hanau.
Elisabeth Schmitz lebte ganz in ihrer Gemeinde, in den religiösen Zirkeln ihres Glaubens. Ihre wenigen Kontakte zu einzelnen Personen hegte sie fast ausschließlich im Blick auf Glauben und Gemeinde. Schüchtern war sie, mit Männern und „dieser Sache“ hatte sie wenig im Sinn, Freunde meinten, sie lebte am Leben vorbei. 1934 der bekennenden Kirche beigetreten, beharrte sie darauf, dass das Christentum in theologischer Hinsicht ohne das Judentum als Fundament nicht denkbar war. In ihrem Briefwechsel mit Carl Barth empörte sie sich, dass sich die Kirche dem völkischen Zeitgeist und den antijüdischen Invektiven nicht vehement widersetzte, dass sie nichts für die Opfer tat, dass Pfarrer und andere Amtsträger sich sogar, den kursierenden dumpfen und zerstörerischen Thesen demütig unterwarfen: „Wieso verstehen auf einmal so viele Theologen von Biologie u. Rassenkunde mehr als alle Anthropologen?“
An ihren Kontakten mit Carl Barth, Martin Niemöller, und später Helmut Gollwitzer hielt sie, wenn auch vielleicht eher einseitig, lange fest. Auch als das kirchenoppositionelle Netzwerk unter den Extrembedingungen der Terrorjustiz des Naziregimes einer harten Probe ausgesetzt war. Ein lesenswertes, wenn auch zuweilen etwas breit akademisch angelegtes Buch (mit umfangreichem Anhang), über eine tief gläubige, unscheinbare Frau, die sich in ihrem Handeln ausschließlich von ihrem Gewissen leiten ließ und sich dabei von ihrer Kirche allein und im Stich gelassen fühlte. FRANZISKA SPERR
MANFRED GAILUS: Mir aber zerriss es das Herz. Der stille Widerstand der Elisabeth Schmitz. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010. 320 Seiten, 24,90 Euro.
Die Studienrätin Elisabeth Schmitz (1893-1977), hier eine Aufnahme aus dem Jahr 1948. Foto: Dietgard Meyer/epd
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensentin Franziska Sperr zeigt sich sehr beeindruckt von der Lebensgeschichte der evangelischen Lehrerin Elisabeth Schmitz, die während der Nazizeit aus politischen Gründen den Schuldienst aufgab, Juden half, aufnahm, und dies alles - wundersamerweise? -  unbeschadet überstand. Bis zu einem Fund nach ihrem Tod wusste fast niemand von ihrem stillen, aber konsequenten Widerstand. Nach Meinung der Rezensentin zeigt der Autor Manfred Gailus mit seinem Buch, dass man, wie Schmitz, durchaus auch 1935 schon sehen konnte, in welcher Gefahr sich die deutsch-jüdische Bevölkerung befand. Sperr findet das Buch im Großen und Ganzen "lesenswert", wenn auch bisweilen zu "breit akademisch angelegt".

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