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Eine wahre Geschichte gab den Anstoß: Im Nizza der neunziger Jahre verschwindet ein neunjähriger Junge, der Sohn des Ehepaars Jean-Christophe und Claude Cottard. Obwohl die Leiche des Kindes nie gefunden wird, macht man dem Vater, einem wohlhabenden Tierarzt, den Prozess. Aus Protest gegen den Scheidungswunsch und die Behauptung seiner Frau, das Kind sei von ihrem jüdischen Liebhaber, ergreift Cottard drastische Maßnahmen: Den Jungen zwingt er, eine Hakenkreuzbinde zu tragen, an sich selbst vollzieht er eine brutale Beschneidung. Diese Umstände verwundern und faszinieren den Erzähler, der…mehr

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Produktbeschreibung
Eine wahre Geschichte gab den Anstoß: Im Nizza der neunziger Jahre verschwindet ein neunjähriger Junge, der Sohn des Ehepaars Jean-Christophe und Claude Cottard. Obwohl die Leiche des Kindes nie gefunden wird, macht man dem Vater, einem wohlhabenden Tierarzt, den Prozess. Aus Protest gegen den Scheidungswunsch und die Behauptung seiner Frau, das Kind sei von ihrem jüdischen Liebhaber, ergreift Cottard drastische Maßnahmen: Den Jungen zwingt er, eine Hakenkreuzbinde zu tragen, an sich selbst vollzieht er eine brutale Beschneidung. Diese Umstände verwundern und faszinieren den Erzähler, der seine persönliche Auseinandersetzung mit dem Judentum zum eigentlichen Thema des Romans macht.

Denn hinter den grotesken Kämpfen der Cottards steckt mehr als nur ein Familiendrama für die Klatschspalten. Aus der Skandalmeldung eines wahren Verbrechens macht Weitzmann Literatur, indem er sich den Figuren bis ins Innerste nähert und auch seinen Erzähler schonungslos mit seiner Familiengeschichte und seiner jüdischen Identität konfrontiert.
Autorenporträt
Marc Weitzmann, geb. 1959 in Paris, wuchs auf in Reims und Besançon. Von 1995-2000 war er Chefredakteur des Literaturteils und bis 2005 Kolumnist der Zeitschrift INROCKUPTIBLES. Er ist Autor von Romanen und Essaybänden und lebt in Paris und New York.

Uli Aumüller ist Übersetzerin, Journalistin und Filmemacherin. Seit 1978 übersetzt sie Belletristik, Hörspiele, Drehbücher, Theaterstücke aus dem Französischen und Englischen, u.a. Jean-Paul Sartre, Albert Camus, Milan Kundera und Siri Hustvedt. Für ihre Übersetzungen erhielt sie den Paul-Celan-Preis und den Jane Scatcherd-Preis.

Patricia Klobusiczky, geb. 1968, studierte Literaturübersetzen in Düsseldorf und arbeitete zehn Jahre lang als Lektorin. Seit 2006 ist sie Übersetzerin aus dem Französischen und dem Englischen, u.a. von Lorrie Moore, Peter Hobbs, Vincent Delecroix und Louise de Vilmorin.

Uli Aumüller ist Übersetzerin, Journalistin und Filmemacherin. Seit 1978 übersetzt sie Belletristik, Hörspiele, Drehbücher, Theaterstücke aus dem Französischen und Englischen, u.a. Jean-Paul Sartre, Albert Camus, Milan Kundera und Siri Hustvedt. Für ihre Übersetzungen erhielt sie den Paul-Celan-Preis und den Jane Scatcherd-Preis.

Patricia Klobusiczky, geb. 1968, studierte Literaturübersetzen in Düsseldorf und arbeitete zehn Jahre lang als Lektorin. Seit 2006 ist sie Übersetzerin aus dem Französischen und dem Englischen, u.a. von Lorrie Moore, Peter Hobbs, Vincent Delecroix und Louise de Vilmorin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Mit der Quintessenz, Identität sei letztlich eine Illusion, möchte Rezensent Thomas Laux sich dann doch nicht einfach so abspeisen lassen von Marc Weitzmann. Da hat ihn der Autor schon auf eine ziemlich verstörende Reise zu jüdischen Identitäten und psychopathologischen Assimilationsversuchen mitgenommen, hat ihn des öfteren mit der bizarren Geschichte allein gelassen, im Spekulativen, hat Historisches mit Erinnerungen dem Leser weitgehend unbekannter Figuren verknüpft und Laux mit einem urplötzlich auftauchenden Ich-Erzähler überrascht. Für Laux bleiben da manche Fragen offen. Doch das kann auch ein Plus sein.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.05.2012

Jüdische Phantome
in Nizza
Aus der Erzählkurve geflogen: Marc
Weitzmanns Roman „Mischehe“
Wenn die Kunst des Romans, wie Alain Finkielkraut meine, die Kunst der Nuance sei, dann mühe sich der Romanautor unseres angelaufenen Jahrhunderts vergeblich ab, die Welt zu verstehen und glaubhaft wiederzugeben – schrieb Marc Weitzmann im vergangenen Jahr anlässlich der Affäre Dominique Strauss-Kahn. Die Realität sei der Fiktion so weit voraus, dass auch der Satiriker die Feder weglegen, den Computer ausschalten und neidisch den Fernseher einschalten könne.
Im vorliegenden Buch liegt ein Autor, der als Erzähler fungiert, vor dem laufenden Fernseher im zerwühlten Bett, umgeben von aufgeschlagenen Büchern und leeren Medikamentenschachteln. Halbherzig verfolgt er die Übertragung eines Gerichtsprozesses gegen einen Tierarzt in Nizza, der in seiner Ehekrise als Anspielung auf den mutmaßlichen Liebhaber seiner Frau seinem angeblichen Sohn eine Hakenkreuzbinde um den Arm gewickelt und an sich selbst dann eine brutale Beschneidung vorgenommen haben soll, bevor das Kind spurlos verschwand.
Die Möglichkeitsform der Hypothesen hat hier System. Der Autor, Kritiker und Journalist Weitzmann, 1959 in Paris geboren, von 1995 bis 2005 Mitarbeiter der Zeitschrift Inrockuptibles, bedient sich für sein Werk gern realer Vorfälle. So auch hier. Er bringt diese dann aber nicht ins Lot einer persönlichen Erfahrung oder sonstigen Zuspitzung, sondern zerwühlt sie so lang, bis nichts mehr daran offensichtlich erscheint – außer der Tatsache, dass er darin auch eigene Lebensumstände zerpflückt hat. „Mischehe“ hat vor zwölf Jahren in Frankreich eine Polemik ausgelöst, wie drei Jahre zuvor das Buch „Chaos“, in dem Weitzmanns Cousin Serge Doubrovsky, der Schöpfer des Konzepts der literarischen „Autofiktion“, unter seinem wahren Namen auftrat.
Alles erfunden und erlogen, protestierte damals der echte Doubrovsky. Deshalb ist im vorliegenden Roman nun der Erzähler beim Fernsehen nur halb bei der Sache. Auch er wurde von seiner Familie für sein Werk öffentlich gerügt. Gerade während des Prozesses gegen den Nazi-Kollaborateur Maurice Papon sei es besonders kläglich, dass ein „Nachfahre unserer Familie die Erinnerung schändet“, hieß es in der Protesterklärung.
So viel Verwicklung ums eigene Selbst könnte vom Weiterlesen entmutigen. Weitzmann kennt aber das Metier des Erzählens zu gut, als dass er seine Geschichte dreimal um den eigenen Finger wickeln würde, bevor er loslegt. Vom ersten Satz an sind wir in der Story des erfolgreichen Tierarztes von Nizza, die während des ersten Drittels des Buches praktisch von keiner Ablenkung seitens des Erzählers gestört wird. In seiner Villa an der Côte d’Azur wacht er da eines Morgens auf und findet seinen neunjährigen Sohn nicht mehr im Bett neben sich.
Die Frau dieses Mannes, eine Dauerkonsumentin von Psychotherapien und Männern aus dem Sozialmilieu, hatte mit ihrem Kommen und Gehen, ihrem ständigen „Ich muss mich zuerst selbst finden“, dem ehrgeizigen Sich-selbst-Verwirklicher mit Luxusvilla, eigener Tierpraxis und starkem Selbstvertrauen einen Strich durchs Glück gemacht. Als sie in einem besonders peniblen Moment ihm schließlich zu verstehen gibt, sein Sohn sei gar nicht von ihm, sondern von einem gewissen Abraham Zeev Gluckstein, einem Ex-Hippie und Drogensüchtigen, schreitet der Mann zum seltsamen Akt mit der Hakenkreuzbinde und der Selbstbeschneidung. Bald danach ist das Kind spurlos verschwunden.
Der Mann bekommt lebenslänglich wegen Kindsmord, ist selbst aber überzeugt, dass sein Sohn von einem israelischen Kommando verschleppt wurde und nun in einem religiösen Kibbuz bei Jerusalem arbeitet. Dem Erzähler vor seinem Fernseher scheint der Fall klar, auch das Fehlen der Leiche. Wie entsorgt denn ein Tierarzt die eingeschläferten Tiere? Im Ofen natürlich. Die Leiche des jüdischen Kindes wurde eingeäschert, und das im Frankreich des Jahres zweitausend – „fantastisch! (frohlockte ich)“.
So weit, so gut. Was dann aber folgt, ist ein verblasenes Hypothesengeschlinge um die Obsessionen einer wahren oder phantasierten jüdischen Identität. Der (jüdische) Erzähler lauert der (nicht-jüdischen) Mutter auf, um seinen Roman fertigschreiben zu können, und stellt sich vor, wie sie in der Kindergedenkstätte von Jad Vaschem unter den rezitierten Kindernamen auf den ihres verschwundenen Sohns wartet.
Marc Weitzmann werde manchmal mit Truman Capote und Philip Roth verglichen, wird auf dem Bucheinband geprahlt. Pardon, drei Nummern kleiner ginge auch für einen Autor, der ursprünglich aus der literarischen Ecke um Michel Houellebecq und Frédéric Beigbeder stammt, sich dann aber mit ihnen zerstritt und es trotz Bemühens um Polemiken an Berühmtheit nicht ganz so weit gebracht hat. Dabei wird er hier von den Übersetzern vorzüglich bedient. Bis knapp zur Hälfte ist das Buch fesselnd, danach wäre ein kurzer Digest ausreichend.
JOSEPH HANIMANN
MARC WEITZMANN: Mischehe. Roman. Aus dem Französischen von Uli Aumüller und Patricia Klobusiczky. Schöffling Verlag, Frankfurt am Main 2011. 293 Seiten, 19,95 Euro.
Wie entsorgt ein Tierarzt
eingeschläferte Tiere?
Im Ofen natürlich
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