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Breyten Breytenbach, Südafrikas bekanntester Dichter, reist nach Jahren des Exils zurück in seine Heimat, ins Herzland der Buren. In seinem Buch mischen sich Traum und Erinnerung, komische und grausige Anekdoten, grandiose Landschaftsbeschreibungen und anrührende Porträts der unterschiedlichsten Menschen. Ein Einblick in ein zwiespältiges Land, der unter die Haut geht.

Produktbeschreibung
Breyten Breytenbach, Südafrikas bekanntester Dichter, reist nach Jahren des Exils zurück in seine Heimat, ins Herzland der Buren. In seinem Buch mischen sich Traum und Erinnerung, komische und grausige Anekdoten, grandiose Landschaftsbeschreibungen und anrührende Porträts der unterschiedlichsten Menschen. Ein Einblick in ein zwiespältiges Land, der unter die Haut geht.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.04.1999

Schokoladenprinz, schwerhörig
"Mischlingsherz": Breyten Breytenbachs Rückkehr nach Afrika

Breyten Breytenbachs "Mischlingsherz" erinnert in mancher Hinsicht an Rilkes "Malte Laurids Brigge": Kurze, zum Teil hermetische Prosastücke, dort siebenundsiebzig, hier mit Einleitung und Epilog siebenundsechzig an der Zahl, zusammengehalten durch ständig wiederkehrende Motive und Szenarien; eine lyrisch-philosophische Sprache mit extravaganten Metaphern und Vergleichen ("Strauße sehen haargenau wie pensionierte Bolschoi-Ballettänzer aus"), die stets bereit scheint, in Verse auszubrechen, hier wie dort Eintauchen in die Kindheit, in die Vergangenheit; Suche nach den Wurzeln sowohl der väterlichen wie der mütterlichen Familie; Spurensicherung in der Geschichte, Todesnähe, Fragen nach der eigenen Identität, Ernstnehmen einer Geister- und Mythenwelt, die gleiche Entschlossenheit, keiner, auch der grausigsten Szene nicht auszuweichen.

Doch enden die Ähnlichkeiten bald. Breytenbach ist kein dekadenter Aristokrat, der in der Fremde sich seines Declassements erwehrt, sondern ein robuster, wenn auch scharfsinniger Sohn seiner Heimaterde, des südafrikanischen Burenlandes, in das er zu einer letzten Bestandsaufnahme zurückkehrt, nicht nur zu seinen Menschen, sondern auch zur Natur, die er mit mindestens der gleichen Verve beschreibt. So sieht etwa ein Gewitter bei ihm aus: "Blitze tanzen, als würden sie auf Dornen treten, es leuchtet zuckend auf, dort wo Gott im Zwielicht Fotos macht" (im Gegensatz zu Maltes ist Breytens Gott ein moderner Typ, dessen "Trommelfell im letzten Krieg beschädigt" wurde und der deswegen nicht mehr hört), "Kupferstiche, Flüche, Eruptionen, Anfälle, Peitschenhiebe, Knoten, Keulen, dumpfes Aufprallen, Orgasmen, altmodische Funken von Zunderbüchsen, elektrische Schauer."

So eloquent ist der Erzähler auch bei friedlicheren Gelegenheiten, etwa wenn er episch wird und die Namen der heimatlichen Vögel festhält: Felsentauben, deren Augen wie rote Körner aussehen; Wildtauben; gewöhnliche Kap-Turteltauben, die seltene Lachtaube (die auf afrikaans rotbrüstige oder Zitronentaube heißt); Malachit-Sonnenvögel mit ihren Jacken aus blaugrüner Seide; Paradies-Fliegenschnäpper, wie kleine opalisierende Schwertkämpfer; Maskenwebervögel; stattliche Oryxweber; ein Eisvogel, afrikanische Löffler, Edelreiher, Seidenreiher und Silberreiher; Schakalbussarde und Hagedaschen.

Vor allem aber ist die Natur noch ungezähmt in ihrer Trockenheit und ihren exzessiven Regengüssen, die in zerstörerische Überschwemmungen ausarten. Ungezähmt und nur mit dem dünnen Firnis der Zivilisation überzogen sind auch die Menschen. Die am häufigsten wiederholte Phrase lautet: Es ist ein gewalttätiges Land. Grausige Szenen nehmen überhand, Kinder werden bei lebendigem Leib zerstückelt, Kehlen werden durchgeschnitten, Köpfe abgehackt, Bäuche aufgeschlitzt, Mädchen verschleppt und vergewaltigt. Die Ordnungshüter scheinen hilflos zu sein, so daß man beinahe froh ist, wenn eine der mißbrauchten Frauen die Vergeltung selbst in die Hand nimmt und ihrem Angreifer den Penis abbeißt.

Und wenn es nicht mit wilder Grausamkeit zugeht, dann ist das Benehmen der Leute wenigstens bizarr, so zum Beispiel dasjenige des alten Mannes, der in den Baum vor seinem Haus klettert und nicht mehr auf die Erde zurückkehrt. Das Essen muß ihm gebracht werden, und aus den Seiten der Bibel, die man ihm zu seiner Läuterung hinaufreicht, dreht er Zigaretten, um die Botschaft des Heilands zu inhalieren. An solchen grotesken Geschichten herrscht keinerlei Mangel. Ein Schiff kentert, die gesamte Mannschaft ersäuft, nur ein blinder Passagier überlebt, der beschließt, auf dem Wrack zu bleiben. Dort findet man ihn eines Tages klavierspielend im Salon. Selbst der "Schokoladenprinz", der Präsident Mandela, wird nicht verschont, er wird, schwerhörig und steifbeinig, wie auf eine Theaterbühne hereingeführt, "als wäre er ein exotisches Tier".

Zwischendurch wieder gleitet der Fluß der Schilderungen harmlos dahin, mit Besuchen bei Freunden, Verwandten, Künstlern und Intellektuellen, von denen einprägsame Porträts entworfen werden, so daß nach und nach das breite Panorama eines ländlichen Südafrikas entsteht, bevölkert von Sonderlingen, Säufern, naiven oder pathologischen Verbrechern, aber hauptsächlich von hart arbeitenden, hart lebenden Menschen. Allmählich schließen sich die Textfragmente zu einer vielfältigen Einheitlichkeit von Land und Leuten zusammen. Zur bitteren Satire wird der Text nur dort, wo vom "Sündenfall" der Apartheid die Rede ist, zum Beispiel vom Verhalten des offiziellen Christentums. "Die Synode der Holländischen Reformierten Kirche des West Cape beruft", so heißt es, "eine Untersuchungskommission, die die Geschichtlichkeit von Jonas' Behauptung untersuchen soll, er habe drei Tage im Bauch des Wals verbracht, bevor er auf fremdem Boden ausgespuckt wurde. Es ist ein quälender Disput - ausgetragen von einer Versammlung von Klerikern, die niemals, während all der dunklen Jahre der Verzweiflung, in der Bibel irgendwelche Gründe gefunden haben, um die von der Kirche sanktionierte Unterdrückung aufgrund von Hautfarbe anzufechten." Solche Sätze brauchen einen von einem Schriftsteller nicht wunderzunehmen, der wegen seiner Ablehnung des Rassismus sieben Jahre im Gefängnis verbringen mußte.

Wenn in seiner Beschreibung der buntscheckigen Bevölkerung seines heimatlichen Landstücks immer wieder eine große Gemeinsamkeit betont wird, so ist es die durch Geschichte und Lebensstil geprägte. Ihre Gesten, ihr Sitzen und Stehen sind die Bewegungen eines einzigen Musters. Diese grundlegende Gleichheit gilt auch für die Hautfarbe. Sie alle sind braun, sei es von Geburt oder von Sonne und Wetter. Schon der Titel des Buches deutet auf die Gemischtheit des Menschenschlages, die aber keineswegs auf die Mentalität beschränkt bleibt; auch die Körper mischen sich in Ehen und anderen Vereinigungen. So manche weiße Matrone aus bester Familie, der die Perücke von den Leichenwäscherinnen abgezogen wird, hat darunter das Kräuselhaar des Mischlings. EGON SCHWARZ

Breyten Breytenbach: "Mischlingsherz. Eine Rückkehr nach Afrika". Aus dem Englischen von Matthias Müller. Carl Hanser Verlag, München / Wien 1999. 238 S., geb., 34,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Egon Schwarz vergleicht Breytenbachs neues Buch mit Rainer-Maria Rilkes „Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“: Hier wie dort handle es sich um eine Zusammenstellung kurzer, oft hermetischer Prosastücke. Hier wie dort gebe es eine Freude an „extravaganten Metaphern“. Damit endet die Vergleichbarkeit: Breytenbach schreibe nicht als dekadenter Aristokrat. Ganz anders als bei Rilke sind die Trockenheit der afrikanischen Landschaft und die Gewalt der Gesellschaft, die Breytenbach in „grotesken Geschichten“ erzähle. Schwarz zeichnet in seiner sehr wohlwollenden Kritik nach, wie Breytenbach unter der scheinbaren Buntscheckigkeit der südafrikanischen Gesellschaft die „grundlegende Gleichheit“ betont: „Sie alle sind braun, sei es von Geburt oder von Sonne und Wetter.“

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