Produktdetails
  • Verlag: Flamingo
  • Seitenzahl: 311
  • Englisch
  • Abmessung: 180mm
  • Gewicht: 170g
  • ISBN-13: 9780006552062
  • ISBN-10: 0006552064
  • Artikelnr.: 08955313
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.03.2001

Lesung 
Die Generation X fängt von vorn an
Der kanadische Autor Douglas Coupland stellt seinen neuen Roman „Miss Wyoming” vor

Was kann einen Schriftsteller berühmter machen als ein Romantitel, der sich verselbstständigt? Generation X – das ist inzwischen so etwas wie die Corporate Identity für eine Gesellschaft von 30-Jährigen, die sich dem mittelmäßigen amerikanischen Wohlstandstraum der Väter entziehen und lieber einen faden Abglanz von Aussteigertum leben. Als Douglas Couplands „Generation X” 1991 erschien, lasen viele sein Buch als Zeugnis des chicen Elends der Post-Baby-Boomers, rasch erhitzt mit den Mitteln des Pops und ein paar guten Schlagwörtern: Slacker, Gen X-ler und Mc Jobs. Das hat den coolen jungen Starautor dann aber doch erschreckt, wie hurtig die Werbeindustrie auf dieses Logo sprang und die karrierefeindliche Generation X zur Zielgruppe machte: Kommerz auf der Basis eines Missverständnisses.
Jetzt ist Douglas Couplands neues Buch in deutscher Übersetzung erschienen: „Miss Wyoming”: Susan Colgate, ehemalige Schönheitskönigin, begegnet dem pathologisch schwatzenden John Johnson, Produzent elender Serienfilme, wie man sie auf Langstreckenflügen sehen muss. Beide bewegen sich in der Welt des Drittklassigen und beide leiden daran. Aber es gibt etwas, das John und Susan verbindet: Beide sind schon einmal knapp dem Tod entronnen.
Douglas Coupland erzählt gleichermaßen in Rückblenden und einer rasant weiter gedrehten Story, wie sich die durch Kindheitskomplexe und Erfolglosigkeit geprägten Liebenden allmählich aus der Gesellschaft herausschrauben und versuchen, von vorn anzufangen. Vieles in diesem Roman erinnert an Generation X: die genaue Schilderung der Figuren und ihrer Soziologien, die direkte Alltagssprache. Neu ist: Coupland fängt an, zu erzählen.
Hilmar Klute
•  Douglas Coupland liest am Mittwoch, 28. März, 21 Uhr, in der Muffathalle, 54 81 81 81
So bunt ist das Leben der Generation X und so traurig zugleich: Douglas Coupland zeigt auch zum ersten Mal seine Collagen in Deutschland.
Foto: Friebe
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.06.2001

Kein Ausweg aus dem Klischee
Douglas Couplands Hollywoodroman "Miss Wyoming"

"Es muß bizarr sein, supertoll auszusehen. Ich meine, Intelligenz kann man wenigstens verbergen." Dies hat Douglas Coupland in "Mikrosklaven", dem Buch über die Generation der arbeitswütigen und bleichgesichtigen Programmierfreaks, seinen Ich-Erzähler Dan ins Computertagebuch schreiben lassen. Jetzt, ein paar Bücher später, hat der kanadische Autor in seinem neuen Roman "Miss Wyoming" eine solche Bizarrerie zum Thema und eine damit Geschlagene zur Hauptfigur gemacht.

Susan Colgate, die immer noch junge, aber nicht mehr sonderlich gefragte Schauspielerin, wird vorgestellt als "eine Frau, die den Kunden an den Supermarktkassen von den Zeitschriftencovern entgegenschaute, lächelnd zwar, aber eingefroren in Raum und Zeit, fernab der realen Welt voll schreiender Babys, Scheckkarten und gelegentlicher Ladendiebstähle".

Dort, "fernab der realen Welt", führt Susan Colgate ein Leben, das dem Leser zumindest aus zweiter Hand bekannt vorkommt. Es ist ein typisches Hollywood-Leben mit schicken Restaurants und schicken Bekannten. Anders als im Fall von vielen Coupland-Protagonisten vor ihr muß der Autor daher keine Definitionen einführen und Listen anlegen, um das Milieu zu erklären.

Im ersten Kapitel erfährt man, wie Susan Colgate zufällig den prominenten Produzenten John Johnson kennenlernt. Der hat in letzter Zeit nur Flops zustande gebracht und ist somit in beruflicher Hinsicht Susans männliches Pendant. Es ist Interesse auf den ersten Blick. Die von beiden konstatierte Seelenverwandtschaft rührt offenbar daher, daß sowohl Susan als auch John einmal beinahe ums Leben gekommen wären: Susan bei einem Flugzeugunfall, John durch einen Drogencocktail.

Der Ton, in dem der Roman "Miss Wyoming" gehalten ist, unterscheidet sich deutlich von früheren Coupland-Büchern. Man lauscht nicht wie sonst dem Parlando eines Ich-Erzählers; vielmehr ist der Blick ein auktorialer. Auch die Form ist anders, komplizierter als der häufig anzutreffende chronologische Bericht: Nach dem ersten Kapitel über das Treffen bricht die potentielle Liebesgeschichte ab. In Rückblenden werden dann abwechselnd die Biographien der beiden dargestellt. Sie lesen sich als aneinandergereihte Stereotype: Seit der frühen Kindheit Teilnahme an Mißwahlen, eine Schönheitsoperation und schließlich die Verzweiflungsheirat mit einem homosexuellen Rocksänger bei Susan sowie proustsches Alleinsein als asthmakranker Junge, Erfolg und Prostituiertenbesuche bei John. Beide waren kluge Kinder, die ihre Umgebung rasch durchschauten. Fast zu kluge Kinder: Auffallend ist, daß in diesem Buch schon Klein-Susan und Klein-John sprechen wie abgeklärte Jugendliche. Douglas Couplands Figuren scheinen zwar nie richtig erwachsen werden zu können, gleichzeitig sind sie aber auch nie richtig jung gewesen. Sie werden von einer Art Dauerjugend heimgesucht.

Dazu paßt, daß es auch in diesem Roman einmal mehr um Selbstfindung geht. Und hier zeigt der Autor vor allem eins: Daß es keinen Ausweg aus den Klischees gibt. Auch nachdem beide aus ihrem bisherigen Leben ausgebrochen sind, nachdem sie fernab vom Medien- und Starrummel ihre Existenz führen, wird es nicht besser, obwohl sie aus Geldmangel durchaus Neues und Ungewohntes erleben: Susan wird bei der Essenssuche im Müllcontainer zwischen sich langsam abkühlenden Cheeseburger-Resten eingeschlossen und kann erst am Morgen, nachdem der Müllwagen da war, den Kopf aus dem Abfall herausstrecken. John wird obdachlos und ernährt sich ähnlich: Er ißt bei McDonald's die Reste von den Tabletts.

Ist es nun Absicht, daß die Handlung - auch, als es mit beiden wieder bergauf geht - so sehr an einen Groschenroman erinnert und es mit der Plausibilität auch nicht weit bestellt ist? Mit der realen Welt und ihren "schreienden Babys, Scheckkarten und gelegentlichen Ladendiebstählen" hat das alles jedenfalls nichts zu tun. Man könnte natürlich, bei Coupland naheliegend, hinter all den Soap-Elementen auch ein Kunstprinzip vermuten, die Spiegelung eines Hollywoodstreifens oder ähnliches. Doch in das Konzept der Satire passen kaum Erklärungssätze wie: "John war ein Opfer der kitschigen Vorstellung, daß, wenn er sich allen weltlichen Beiwerks entledigte, ihn das zu einem tiefer empfindsamen Menschen machen, ihn mit neuem Leben erfüllen würde - ihn zum King von Fast-food-Amerika und seinem unendlichen Straßennetz machen würde." Eher meint man da den Ausdruck der Verzweiflung des Autors herauszuhören, der seinen grundsympathisch gezeichneten Protagonisten nur allzugerne zu einem Glück verhelfen würde, das aus mehr besteht als einem neuen Kassenschlager, einem neuen Filmangebot oder einem Button-Down-Hemd im famosen schokobraunen Farbton.

Als Trost läßt er John seiner Susan die finale Erkenntnis mitteilen, daß das wahrhaft Aufregende im Leben die wiederholte Neuerfindung der eigenen Person sei, daß es also kein Scheitern, sondern im Gegenteil eine phantastische Sache sei, Phasen als Schönheitskönigin, Kinderstar, abgehalfterte Schauspielerin, Rock-'n'-Roll-Braut und Überlebende eines Flugzeugabsturzes erlebt zu haben. Wohlmeinende Kritiker haben dies als zeitgemäße Anverwandlung des amerikanischen Pioniermythos gelesen. Möglicherweise sind sie aber nur auf die esoterische Tröstung hereingefallen, welche die Protagonisten im Happy-End erfahren.

Fest steht jedenfalls: Sobald Coupland sich von den Jugend- und Subkulturen abwendet, die er so witzig und präzise beschreiben kann, wenn Originalität und Recherche in speziellen Milieus aufhören, dann läßt das Ergebnis zu wünschen übrig. Heraus kommt nur ein Buch "Miss Wyoming", das bei aller Kolportage ebenso unglaubwürdig wirkt wie Susans und Johns freiwilliges Abtauchen in die Welt aus Müll und Speiseresten.

SILKE SCHEUERMANN

Douglas Coupland: "Miss Wyoming". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Tina Hohl. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2001. 336 S., geb., 39,90 DM.

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