Irene Berkel untersucht den sexuellen Missbrauch im Spannungsfeld zwischen realem Kern und phantasmatischem Überschuß. Sexueller Missbrauch ist in den Medien, in Film, Literatur und Kunst seit langem gängige Münze. Welches Bild von Familie wird uns aber auf diese Weise vermittelt? Was bewegt eine Gesellschaft, deren Vater- und Männerbild in gravierender Weise kompromittiert erscheint? Die vorliegende Untersuchung beleuchtet den öffentlichen Diskurs über den sexuellen Missbrauch als modernes Faszinationsphänomen und Symptom einer Krise der Generationenfolge. Vor diesem Hintergrund stellt Irene Berkel die Frage nach der soziokulturellen Funktion von Inzestverbot und Generationenschranke wie auch nach der religiösen Konzeption von Genealogie, die unserer abendländischen Kultur zugrunde liegt.
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Aufschlussreich scheint Rezensentin Ines Kappert diese Studie über den gesellschaftlichen und medialen Umgang mit der Missbrauchsthematik, die Irene Berkel vorgelegt hat. Mit deren These, Missbrauch werde zum Phantasma einer Gesellschaft, die wegen ihres Jugendlichkeitswahns und der zunehmenden erotischen Besetzung von Kindern die Differenz zwischen den Generationen zusehends einschrumpfe, kann sie einiges anfangen. Besonders Berkels Entlarvung des Missbrauchsdiskurs als einen Entlastungsdiskurs, der Gewaltverhältnisse personalisiert, findet sie überzeugend. Dabei begrüßt sie vor allem die Kritik der Autorin an biologistischen Bezichtigungen, alle Männer seien Täter. Weniger gelungen scheint ihr demgegenüber die Auseinandersetzung mit der fiktionalen Bearbeitung von übergriffigen Vätern am Beispiel der Filme "Das Fest" von Thomas Vinterberg, "Twin Peaks " von David Lynch und "Die Verdammten" von Lucino Visconti. Hier hält sie Berkel vor, die Filme als Filme nicht wirklich ernst zu nehmen und ihren psychoanalytischen Ansatz zudem als "Welterklärungsschule und absolute Instanz" einzusetzen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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