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Produktdetails
  • Verlag: B&T / Broadman & Holman
  • Seitenzahl: 605
  • Englisch
  • Abmessung: 240mm
  • Gewicht: 920g
  • ISBN-13: 9780805425505
  • Artikelnr.: 11083751
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.08.2002

Der saubere Amerikaner
Oliver North, Protagonist der „Iran-Contra-Affäre”, hat einen Roman geschrieben
Ollie hat ein Buch geschrieben. Einen Roman, 640 Seiten lang. Warum auch nicht, schließlich gehört das inzwischen schon fast zum guten Ton, dass einer, der einmal in den politischen Schlagzeilen Amerikas war, diesen zwiespältigen Ruhm auch literarisch verwertet. In diesem Buch geht es um Ehre und Verrat, um Terror und den Nahen Osten, um Saddam und Osama und einen stattlichen amerikanischen Helden in einer verratenen Mission. „Mission Compromised” erscheint kommenden Sonntag in den USA. Und der Autor, Oliver North, der stramme Oberstleutnant des United States Marine Corps, den seine Fans bis heute liebevoll Ollie nennen, machte ja auch eine recht stattliche Figur, damals, 1987, vor dem Untersuchungsausschuss des US- Kongresses zur so genannten Iran-Contra-Affäre. Physisch jedenfalls.
Das Bild der Heldenfigur kippte allerdings nach rechts weg, sobald sie auf Rechtsbewusstsein und Wahrheitsgehalt überprüft wurde. Oliver North habe, wie seine Mitangeklagten, den Kongress belogen, sagen die einen heute. Aber damals war alles so unübersichtlich und geriet irgendwie durcheinander: Einerseits unterstützte die amerikanische Regierung die antisandinistischen Contras in Nicaragua mit Geldund Waffen, andererseits lieferte sie auch Waffen an die revolutionäre Regierung in Iran, um die im Libanon festgehaltenen Geiseln freizubekommen. Oliver North war einer der Verschwörer, denen das Netz aus Waffenschiebereien, Drogenschmuggel und Geldwäsche, das sie gesponnen hatten, langsam entglitt. Eine Menge Unterlagen gerieten damals in den Reißwolf. Enrons Aktenvernichtungen sind nichts im Vergleich zu Norths mutigem Einsatz.
Nun sind eine Menge Amerikaner bis heute der festen Überzeugung, dass „Ollie” damals zwar ein bisschen illegal, aber doch aus tiefem Patriotismus gehandelt habe. Und dass das Ende seiner Militärkarriere nur den Schmutzkampagnen jener Linken und Liberalen zu verdanken sei, die ja nie begriffen hatten, dass man sich manchmal die Hände schmutzig machen muss, um das amerikanische Volk vor dem sicheren Untergang und Mittelamerika und den Rest der Welt vor der roten Gefahr zu bewahren. Olli ward nicht vergessen und wäre 1994 beinahe zum Senator gewählt worden.
Der Held in Oliver Norths Roman „Mission Compromised” (Broadman & Holman Publishers, 24,99 Dollar) ist, ganz überraschend, ebenfalls ein hochdekorierter Marine, „um die „1,85 groß, durchtrainiert und muskulös” und trifft gleich am ersten Arbeitstag auf den ominösen National Security Adviser Simon Harrod, „einen schwer übergewichtigen, schlampigen ehemaligen Antikriegs-Aktivisten”. Harrods Problem „war nicht, dass er Militärs nicht mochte. Ebenso wie der Präsident verachtete er sie”. Damit sind die Fronten klar. Ohne sie mit einem Wort zu erwähnen, schreibt Oliver North ganz offensichtlich über die Regierung Clinton, die manche konservative Kreise bis heute fast neurotisch als eine Regierung aus Schlappschwänzen, Weichlingen und Feiglingen betrachten.
Die Hölle von Washington
Major Newman, der Held, soll nun ausgerechnet jenes Büro für Geheimangelegenheiten wieder aufmachen, das unter Ronald Reagan (und ganz konkret unter Oliver North) all jene Geschäfte erledigte, von denen die offizielle Politik lieber nichts wissen möchte. Und wie North wird auch Newman in die Mühlen der Politik geraten, wird verraten werden oder sich verraten fühlen. Ein weiser älterer Berater namens Oliver North wird ihm zur Seite stehen, wird ihn in einer Szene warnen vor den Intrigen der politischen Hölle Washingtons, symbolträchtig unter dem Iwo Jima Memorial der Marines.
Begonnen habe er seinen literarischen Versuch schon vor einiger Zeit, sagt North, aber dann kam der 11. September. Und so treffen sich im Buch ganz zeitgemäß Osama bin Laden und Saddam Hussein im Irak, um grauenvolle Pläne gegen Amerika zu schmieden. Das aber sei reine Fiktion, hat Oliver North gerade der New York Times erzählt, er selbst bezweifle, dass es eine solche Verschwörung tatsächlich gegeben habe – und wenn, sei das auch egal, weil seiner Meinung nach bin Laden längst in einer afghanischen Höhle begraben liege.
Auch eine andere Sache hat North gerade gerückt: Seit einiger Zeit wurden ihm geradezu prophetische Gaben unterstellt, weil er angeblich schon bei der Kongressanhörung 1987 gesagt haben soll, dass Osama „der böseste Mensch” sei, der lebendig herumlaufe, dass er ihn, North, und seine Familie bedrohe, und dass doch „ein professionelles Killerteam ausgeschickt werden soll, um ihn und seine Männer vom Angesicht der Erde zu entfernen”. Kürzlich aber schickte Oliver North eine berichtigende Email herum: Er hatte von Abu Nidal gesprochen. (Damals war Osama bin Laden noch einer der Guten, einer der von Amerika unterstützten Mudschaheddin im Kampf gegen die bösen Sowjets.)
Selbst wenn manche Leute manchmal die Seiten wechseln: Gut und Bös lassen sich nach Oliver Norths Ansicht immer klar unterscheiden. In „Ollie’s Hot List” im Internet mit wichtigen Links stehen die National Rifle Association und die rechtsgerichtete Christian Coalition ganz oben. Und als der Kolumnist und Radiomoderator North in seiner täglichen elektronischen Meinungsumfrage seinen Fans die Frage stellte: „Ist es Zeit, über den Einsatz taktischer Nuklearwaffen in Afghanistan nachzudenken?” – antworteten 62 Prozent mit Ja. Das war am 26. Oktober letzten Jahres und der Krieg war noch nicht einmal drei Wochen alt.
North jedenfalls gehört zu den Guten, auch wenn er in den Neunzigern mal eine dubiose Firma hatte, die überteuerte kugelsichere Westen verkaufte. Er ist ein strammer Christ – und so finden seine Protagonisten, wenn sie mit den Problemen dieser Welt nicht mehr weiterkommen, Hilfe beim Allmächtigen. Das Buch selbst erscheint beim kleinen Verlag Broadman & Holman, einem Zweig der evangelikalen Southern Baptists. Mit 350000 Exemplaren Erstauflage stürzen sie nun auf den amerikanischen Markt und schicken Ollie auf Lesetour durchs ganze Land.
Aber vielleicht ist das nur der Beginn einer zweiten Karriere in der Politik. Immerhin hat George W. Bush einer Menge Leute, die damals in „Irangate” verwickelt waren, wieder einen Job verschafft, etwa John Poindexter, Ollies altem Chef. So treffen sie sich alle wieder und retten Amerika. Und diesmal geht der Roman gut aus.
PETRA STEINBERGER
Wissen ist manchmal contra-produktiv, und Oliver North musste dafür büßen.
Foto: Henry Diltz / Corbis
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