Vor einem Supermarkt, am Anfang der Herbstferien, treffen sechs Kinder zufällig aufeinander: Katja, die sich mit ihren Vätern gestritten hat. Polina, die nur eben Backpulver kaufen wollte, Fridi, Mustafa und Zeck sowie Jennifer mit Rehpinscher Püppi und der Asche ihres Opas in einer Plastiktüte. Als Mustafa einen Rocker auf dem Parkplatz reinlegt, müssen die Kinder schnellstens abhauen. Ohne Handys und fast ohne Geld. Aber mit einer wichtigen Mission: Jennifers Opa soll seine letzte Ruhe in Kolomoro finden. Nur: Wie geht das, wenn man keine Ahnung hat, wo Kolomoro liegt?
Julia Blesken gewann mit "Mission Kolomoro" den ersten Kirsten-Boie-Preis der Hamburger Literaturstiftung. Eine warmherzig und liebevoll erzählte Geschichte für Kinder ab 9 Jahren - voller Diversität im urbanen Umfeld Berlins. In der Tradition der großen Erzähler der deutschen Kinderliteratur, Kirsten Boie und Erich Kästner.
Gelistet bei Antolin.
Julia Blesken gewann mit "Mission Kolomoro" den ersten Kirsten-Boie-Preis der Hamburger Literaturstiftung. Eine warmherzig und liebevoll erzählte Geschichte für Kinder ab 9 Jahren - voller Diversität im urbanen Umfeld Berlins. In der Tradition der großen Erzähler der deutschen Kinderliteratur, Kirsten Boie und Erich Kästner.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.10.2021Roadmovie Ringbahn
Ein Wunder namens Kolomoro: Julia Blesken erzählt von Opa in der Plastiktüte und der vereinenden Kraft einer gemeinsamen Aufgabe.
Von Eva-Maria Magel
Wenn man einen Berliner Opa über Holland nach Berlin zugestellt bekommt, dann weiß man, auch wenn man erst so ungefähr zehn oder elf Jahre alt ist, was man zu tun hat. Opa muss unter die Erde. Oder vielmehr: die Kohlrouladenschüssel mit seiner Asche drin, die Jennifer Klar in einer Plastiktüte mit sich herumträgt. Die Enkelin will die Überreste des geliebten Opas dorthin bringen, wo er seine letzte Ruhestätte haben wollte: im Herzen von Berlin, in Kolomoro. Dort liegt Opas Laube, Jennifers Glück. Leider weiß sie nicht so genau, wo das ist.
Kolomoro und Volle Schreie sind Landstriche, wie sie nur in Kinderuniversen vorkommen können. Die roten Ratten sind Tiere, wie nur ein Kind sie zum Leben erwecken kann. Eine Kinderbande wie diese schmieden der Zufall Schule zusammen - und ein Abenteuer. Wie Opa nach Kolomoro kommt, davon handelt die "Mission Kolomoro", auf die Julia Blesken ihre sechs Protagonisten schickt.
Im Grunde lösen die alle den Erwachsenenspruch ein, sie seien ganz anders, sie kämen nur so selten dazu. Sie kennen sich aus der Schule, haben aber nach Dienstschluss so gut wie nie etwas miteinander zu tun. Das mag nach Typen aussehen auf den ersten Blick, hier Zeck, der Ökoaktivist mit den antiautoritären Eltern, dort der kleine runde Mustafa, der in der Geschwisterschar der Jüngste ist und immer nur alles erbt, der fachmännisch von Geld, Handys, Ehre und Frauen zu sprechen weiß und am liebsten isst, dort wieder Fridi mit den strengen Eltern und dem Brokkoliauflauf zum Mittagessen, Polina mit der russischen Eislaufmutter, die das teuerste Handy und Entspannungsyoga kriegt und auf rosa Kinderpumps durch Berlin stöckelt.
Blesken aber hat das Ohr ganz nah an den Kindern. So wird diese Vielfalt, auch in der Sprache, die einen Klassenverband in einer deutschen Großstadt ausmacht - jedenfalls, wenn die Kinder nicht durch Privatschulen segregiert sind -, zu einer schlüssigen Grundlage der temporeichen Handlung. Zusammen ergänzen sich die Kinder bestens, sie lernen in diesem eintägigen Abenteuer voneinander, gleichen ihre Handicaps aus. Und ihre noch frischen Weltbilder, die sie aus ihren jeweiligen Milieus mitbringen, sorgen für allerhand Witz. Ort, Zeit, Personen, Aufgabe finden in einem reichen erzählerischen Ton zusammen, einer "Road Story" nah am Kinderkrimi und mit fantastischen Einsprengseln, auf die man im Grunde auch gut hätte verzichten können.
Vor dem Supermarkt, am ersten Ferientag, entscheidet sich, dass sie alle auf eine abenteuerliche Fahrt mit der Ringbahn aufbrechen werden, fahrscheinlos natürlich, um Jennifer bei der Aufgabe zu helfen, Opa zu begraben. Und schon dort, mit dem wütenden Kiezproll Wolle, öffnet sich, in den Stationen der Helden-Aventiure, ein kleines Panorama der Milieus und Subkulturen Berlins, die einer Kinderschar so begegnen können - Schwarzfahrer, Punks, eine prügelnde Mädchen-Gang, Einbrecher, philosophierende Obdachlose, Fahrkartenkontrolleure. Die Fahrt und Wanderung durch die Stadt stellt "Mission Kolomoro", begleitet von szenischen Illustrationen Barbara Jungs, auch in die lange Reihe der Berlin-Romane für Kinder, die einst mit "Emil und die Detektive" begann.
Dass ausgerechnet die gern etwas manieriert mit vollem Namen Katja Pfeiffer genannte Erzählfigur in der kleinen Schar die am wenigsten plausible ist, mag an der Fracht liegen, die sie trägt: Ihre gekritzelten Ratten kann sie, bisweilen jedenfalls, in Krisensituationen zum Leben erwecken. Außerdem hat sie zwei Väter, der eine ein taxifahrender Künstler, der andere Choleriker, und zugleich darf sie weniger als andere Kinder - das ist alles etwas viel. Viel könnte auch Jennifer Klar aufgebürdet sein, ohne die es keine "Mission Kolomoro" gäbe: Tochter einer alleinerziehenden Busfahrerin, die immer bei Opa in der Laube war, ihrem Glücks- und Geborgenheitsort, der nun, nach dem Tod des Opas, zu verschwinden droht. Was klischeehaft prekär klingt, hängt so plausibel miteinander zusammen, dass Jennifer und mit ihr der abwesende Opa, der Posaune spielte und Knöpfe sammelte, buchstäblich klar hervortreten.
Julia Blesken, Jahrgang 1976, Berlinerin und fünffache Mutter, ist früh bei Wettbewerben aufgefallen und erhielt Förderung für ihr erzählerisches Talent. Ihr sehr positiv aufgenommener Debütroman für Erwachsene, "Ich bin ein Rudel Wölfe", erschien 2009. Dann war Stille. Bis sie 2020 den erstmals ausgeschriebenen Kirsten-Boie-Preis für Kinderliteratur erhalten hat, verbunden mit einem Buchvertrag für ihr Manuskript. Sie hat die Zeit offenkundig gut genutzt.
Julia Blesken: "Mission Kolomoro". Roman.
Mit Illustrationen von Barbara Jung. Oetinger Verlag, Hamburg 2021. 288 S., geb., 15,- Euro. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Wunder namens Kolomoro: Julia Blesken erzählt von Opa in der Plastiktüte und der vereinenden Kraft einer gemeinsamen Aufgabe.
Von Eva-Maria Magel
Wenn man einen Berliner Opa über Holland nach Berlin zugestellt bekommt, dann weiß man, auch wenn man erst so ungefähr zehn oder elf Jahre alt ist, was man zu tun hat. Opa muss unter die Erde. Oder vielmehr: die Kohlrouladenschüssel mit seiner Asche drin, die Jennifer Klar in einer Plastiktüte mit sich herumträgt. Die Enkelin will die Überreste des geliebten Opas dorthin bringen, wo er seine letzte Ruhestätte haben wollte: im Herzen von Berlin, in Kolomoro. Dort liegt Opas Laube, Jennifers Glück. Leider weiß sie nicht so genau, wo das ist.
Kolomoro und Volle Schreie sind Landstriche, wie sie nur in Kinderuniversen vorkommen können. Die roten Ratten sind Tiere, wie nur ein Kind sie zum Leben erwecken kann. Eine Kinderbande wie diese schmieden der Zufall Schule zusammen - und ein Abenteuer. Wie Opa nach Kolomoro kommt, davon handelt die "Mission Kolomoro", auf die Julia Blesken ihre sechs Protagonisten schickt.
Im Grunde lösen die alle den Erwachsenenspruch ein, sie seien ganz anders, sie kämen nur so selten dazu. Sie kennen sich aus der Schule, haben aber nach Dienstschluss so gut wie nie etwas miteinander zu tun. Das mag nach Typen aussehen auf den ersten Blick, hier Zeck, der Ökoaktivist mit den antiautoritären Eltern, dort der kleine runde Mustafa, der in der Geschwisterschar der Jüngste ist und immer nur alles erbt, der fachmännisch von Geld, Handys, Ehre und Frauen zu sprechen weiß und am liebsten isst, dort wieder Fridi mit den strengen Eltern und dem Brokkoliauflauf zum Mittagessen, Polina mit der russischen Eislaufmutter, die das teuerste Handy und Entspannungsyoga kriegt und auf rosa Kinderpumps durch Berlin stöckelt.
Blesken aber hat das Ohr ganz nah an den Kindern. So wird diese Vielfalt, auch in der Sprache, die einen Klassenverband in einer deutschen Großstadt ausmacht - jedenfalls, wenn die Kinder nicht durch Privatschulen segregiert sind -, zu einer schlüssigen Grundlage der temporeichen Handlung. Zusammen ergänzen sich die Kinder bestens, sie lernen in diesem eintägigen Abenteuer voneinander, gleichen ihre Handicaps aus. Und ihre noch frischen Weltbilder, die sie aus ihren jeweiligen Milieus mitbringen, sorgen für allerhand Witz. Ort, Zeit, Personen, Aufgabe finden in einem reichen erzählerischen Ton zusammen, einer "Road Story" nah am Kinderkrimi und mit fantastischen Einsprengseln, auf die man im Grunde auch gut hätte verzichten können.
Vor dem Supermarkt, am ersten Ferientag, entscheidet sich, dass sie alle auf eine abenteuerliche Fahrt mit der Ringbahn aufbrechen werden, fahrscheinlos natürlich, um Jennifer bei der Aufgabe zu helfen, Opa zu begraben. Und schon dort, mit dem wütenden Kiezproll Wolle, öffnet sich, in den Stationen der Helden-Aventiure, ein kleines Panorama der Milieus und Subkulturen Berlins, die einer Kinderschar so begegnen können - Schwarzfahrer, Punks, eine prügelnde Mädchen-Gang, Einbrecher, philosophierende Obdachlose, Fahrkartenkontrolleure. Die Fahrt und Wanderung durch die Stadt stellt "Mission Kolomoro", begleitet von szenischen Illustrationen Barbara Jungs, auch in die lange Reihe der Berlin-Romane für Kinder, die einst mit "Emil und die Detektive" begann.
Dass ausgerechnet die gern etwas manieriert mit vollem Namen Katja Pfeiffer genannte Erzählfigur in der kleinen Schar die am wenigsten plausible ist, mag an der Fracht liegen, die sie trägt: Ihre gekritzelten Ratten kann sie, bisweilen jedenfalls, in Krisensituationen zum Leben erwecken. Außerdem hat sie zwei Väter, der eine ein taxifahrender Künstler, der andere Choleriker, und zugleich darf sie weniger als andere Kinder - das ist alles etwas viel. Viel könnte auch Jennifer Klar aufgebürdet sein, ohne die es keine "Mission Kolomoro" gäbe: Tochter einer alleinerziehenden Busfahrerin, die immer bei Opa in der Laube war, ihrem Glücks- und Geborgenheitsort, der nun, nach dem Tod des Opas, zu verschwinden droht. Was klischeehaft prekär klingt, hängt so plausibel miteinander zusammen, dass Jennifer und mit ihr der abwesende Opa, der Posaune spielte und Knöpfe sammelte, buchstäblich klar hervortreten.
Julia Blesken, Jahrgang 1976, Berlinerin und fünffache Mutter, ist früh bei Wettbewerben aufgefallen und erhielt Förderung für ihr erzählerisches Talent. Ihr sehr positiv aufgenommener Debütroman für Erwachsene, "Ich bin ein Rudel Wölfe", erschien 2009. Dann war Stille. Bis sie 2020 den erstmals ausgeschriebenen Kirsten-Boie-Preis für Kinderliteratur erhalten hat, verbunden mit einem Buchvertrag für ihr Manuskript. Sie hat die Zeit offenkundig gut genutzt.
Julia Blesken: "Mission Kolomoro". Roman.
Mit Illustrationen von Barbara Jung. Oetinger Verlag, Hamburg 2021. 288 S., geb., 15,- Euro. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensentin Yvonne Poppek freut sich über das Herbstferien-Abenteuer von Katja, Zeck, Fridi, Mustafa und Jennifer in Julia Bleskens Roadmovie. "Opa in der Plastiktüte" heißt das mit dem Kirsten-Boie-Preis für Kinderliteratur ausgezeichneten Buch und beschreibt, wie die Kinder aus verschiedenen sozialen Schichten sich zusammenschließen, um das erste Mal selbstbestimmt und von den Eltern abgelöst zu leben, denn sie wollen den letzten Wunsch von Jennifers verstorbenen eingeäscherten und von ihr in einer Plastiktüte transportierten Opa erfüllen, erklärt Poppek. Mit der Erzählung beweist die Autorin der Rezensentin zufolge nicht nur, dass Kinder mutig sind, sondern auch, dass man sie nicht unterschätzen sollte. Hier liest man sich ein in eine fantastische, nicht ganz ungefährliche Welt, schließt Poppek.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Herausgekommen ist ein ausgesprochen starker, empfehlenswerter Kinderroman [...] Die Erzählung ist dynamisch und unterhaltsam, gleichzeitig ernsthaft und klug. Der Autorin gebührt großer Respekt für diesen außergewöhnlichen Kinderroman." Arbeitsgemeinschaft Jugendliteratur und Medien, 04.01.2022
"Sechs Kinder aus sechs unterschiedlichen Milieus schließen sich zusammen, um selbstbestimmt und losgelöst von den Eltern einen Auftrag zu erfüllen. Stefan Kaminski schafft es mühelos, jedem Kind eine eigene Stimme zu geben, Verwechslungen sind ausgeschlossen. Da wird diskutiert, argumentiert, gebrüllt, geweint, abgehauen, weggerannt, um letztlich doch wieder gestärkt anzukommen. Kaminski jagt uns durch Berlin von einem Kiez zum anderen und erweckt diese Kinder-Road-Story zu einem wahren Hörerlebnis." Jurybegründung zur Nominierung zum Deutschen Hörbuchpreis 2022