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Viele Beobachter diesseits und jenseits des Atlantiks beschreiben den 11. September 2001 als Wendepunkt der jüngeren amerikanischen Geschichte. Insbesondere die seither offen zur Schau getragene religiöse Rhetorik des amerikanischen Präsidenten stößt in Europa auf großes Misstrauen. Der Schlüssel zum Verständnis dieser Rhetorik liegt in der religiösen Tradition Amerikas. Schon die Pilgerväter des frühen 17. Jahrhunderts waren aufgebrochen, um auf einem unverdorbenen Kontinent eine "city upon a hill" zu errichten, ein neues Jerusalem, das als Licht der Reinheit und der Religiosität in die Welt…mehr

Produktbeschreibung
Viele Beobachter diesseits und jenseits des Atlantiks beschreiben den 11. September 2001 als Wendepunkt der jüngeren amerikanischen Geschichte. Insbesondere die seither offen zur Schau getragene religiöse Rhetorik des amerikanischen Präsidenten stößt in Europa auf großes Misstrauen. Der Schlüssel zum Verständnis dieser Rhetorik liegt in der religiösen Tradition Amerikas. Schon die Pilgerväter des frühen 17. Jahrhunderts waren aufgebrochen, um auf einem unverdorbenen Kontinent eine "city upon a hill" zu errichten, ein neues Jerusalem, das als Licht der Reinheit und der Religiosität in die Welt leuchten sollte.
Das Buch zeichnet die vier Jahrhunderte Religionsgeschichte nach, die Amerika bis heute prägen. Diese geht von den Anfängen der ersten Siedler des 17. Jahrhunderts, der Amish People, der Sieben-Tage-Adventisten, über die Erweckungsbewegungen des 18. und 19. Jahrhunderts, den amerikanischen Bürgerkrieg, den Kolonialismus, dann das Civil Rights Movement und Vietnam bis hin zu den vielen evangelikalen Pfingstkirchen heute, den Megachurches und dem von Bush ausgerufenen Kreuzzug gegen den Terrorismus.
Das Buch klärt viele Fragen zu Religion und ethnischer Herkunft, die in den Präsidentschaftswahlen 2008 wieder heiß diskutiert wurden.
Autorenporträt
Robert Jewett, PhD, ist Gastprofessor für Neues Testament an der Universität Heidelberg und lehrt auch Biblische Geschichte an der Universität Wales-Lampeter. Seit den siebziger Jahren beschäftigt er sich mit dem besonderen Reiz, den Gewalt auf die amerikanische Gesellschaft ausübt, sowohl in der Unterhaltungsbranche, als auch in der Außenpolitik. Er ist Autor und Co-Autor zahlreicher Bücher, darunter »The Myth of the American Superhero« (2002), »Captain America and the Crusade Against Evil« (2004), »Romans. A Commentary« (2007).

Ole Wangerin ist Studienrat für Geschichte und ev. Religion am Gymnasium. Zusammen mit Professor Jewett hat er drei Jahre lang amerikanische Religionsgeschichte am Heidelberg Center for American Studies gelehrt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.10.2008

Gott behüte
Robert Jewett über Amerikas religiöses Sendungsbewusstsein
„Amerika ist eine Nation der Einzigartigkeit. Die leuchtende Stadt auf dem Berg sollen wir sein . . . Keine perfekte Nation, aber zusammen stehen wir für ein vollkommenes Ideal, das heißt, Demokratie, Toleranz, Freiheit und Rechtsgleichheit,” die als „Kraft zum Guten in dieser Welt” einzusetzen seien. So umschrieb Gouveneurin Sarah Palin in der Debatte der Vizepräsidentschaftskandidaten ihre und John McCains „Weltanschauung”. Kurz zuvor verkündete die Provinzpolitikerin: „Wir werden Israel unterstützen, eine Zwei-Staaten-Lösung, auch unsere Botschaft in Jerusalem errichten.” Wessen Hauptstadt Jerusalem dann sein werde, das ließ sie offen; wichtig war ihr, in der heiligen Stadt das Sternenbanner zu hissen.
In der Metapher der „leuchtenden Stadt auf dem Berg” hallt nicht nur Ronald Reagans Rhetorik wider, auch die Bergpredigt (Matthäus 5, Vers 14), die Jerusalem-Zions-Tradition aus dem Alten Testament (Jesaja 2, 2) oder aus dem letzten Bibelbuch, der „Offenbarung” (21, 10-11): Die Vereinigten Staaten als neues Jerusalem. Das mit dem Mythos der Einzigartigkeit der USA verquickte, ursprünglich religiöse Bild der Stadt auf dem Berg wurzelt fest im amerikanischen Selbstbewusstsein.
Im 17. Jahrhundert zündelten die tief religiösen, calvinistisch-demokratischen Pilgerväter Neuenglands die ersten Funken, die später in kreuzfahrerischen Eifer für Freiheit und Demokratie entflammten. Der puritanische „Commonwealth” in der Massachusetts Bay pries sich als „Stadt auf dem Berge” und empfahl sich dem Rest der Welt als Muster, wie ein echt protestantisches Staatswesen zu organisieren sei. Als theokratische Demokratie feierten diese Kolonisten sich als Gottes neues Israel. Beseelt von einem apokalyptischen Geschichtsbild, erwarteten sie für ihre Kolonie eine bedeutende Rolle im Enddrama der Weltgeschichte. Ihr Streiten gegen die anglikanische Kirche deuteten sie als den von der „Offenbarung” vorausgesagten Kampf zwischen Christus und Antichrist, an dessen Ende Christus seine tausendjähriges Königsherrschaft auf Erden antreten werde.
Hier prägte sich vor, was sich in der amerikanischen Geschichte mannigfaltig variierte und auch bei Sarah Palin kein Ende finden wird. Seit 1980 ringen amerikanische Fundamentalisten und Evangelikale mit Erfolg um politischen Einfluss. In Jubel brachen sie aus, als die aus der Pfingstbewegung kommende Evangelikale Sarah Palin nominiert wurde. Die „Assemblies of God”, denen Palin entstammt, stellten einflussreiche Tele-Evangelisten, die das Vordringen der Evangelikalen in die Politik zwischen 1980 und 2000 vorantrieben. Gegenwärtig kontrollieren die politisch engagierten Fundamentalisten und Evangelikalen 85 Prozent der protestantisch-religiösen Radio- und Fernsehsendungen.
Ohne sie wären die Wahlen von 2000 und 2004 anders verlaufen. In diesem Oktober riefen 33 Prediger in 22 Staaten von den Kanzeln herab ihre Schäfchen dazu auf, sich im Wahlkampf für die Republikaner ins Zeug zu legen. In ihrer konzertierten Aktion testen die Hirten das Finanzamt aus, denn Politik von der Kanzel müsste eigentlich von Rechts wegen die Steuerbegünstigung ihrer Gemeinden beenden. Wie die Bush-Regierung die von den USA einstmals mit entworfene Charta der Vereinten Nationen verachtete und sich bei der präventiven Irak-Invasion über das Völkerrecht hinwegsetzte, so provozieren die Kanzelprediger im Kleinen das nationale Rechtssystem – all for the holy cause. Die verfassungsgebenden Gründungsväter der stolzen Nation drehen sich im Grabe herum. Den Staat trennten diese von den Kirchen, um religiöse Freiheit sicherzustellen, welche nunmehr im Missbrauch gegen die eigene Mutter sich kehrt.
Verstehen werden Europäer die religiöse Politrhetorik Amerikas erst, wenn sie die transatlantische Religionsgeschichte aufblättern. Ein neues Buch des amerikanischen Kulturkritikers und Theologen Robert Jewett erleichtert den Blick erheblich. Jewett entfaltet eine materialreiche Geschichte des religiösen Eiferns in Nordamerika. Sie führt von den Anfängen der Kolonisten des 17. Jahrhunderts über die Erweckungsbewegungen des 18. und 19. Jahrhunderts, den Bürgerkrieg, das jüdische Immigrantentum verschiedener Couleur, den Kolonialismus, die Bürgerrechtsbewegung und Vietnam bis hin zu den vielen evangelikalen Pfingstkirchen heute, den Megachurches und dem von Bush ausgerufenen Kreuzzug gegen den Terrorismus.
Eindrückliche Stationen säumen den Weg der vier Jahrhunderte. Im Jahr 1743 unterzeichneten Kleriker in Neuengland ein Manifest, in dem sie für ihren Landstrich den Beginn des tausendjährigen Christusreiches ausriefen. Selbstredend barg solcher Glaube das Bewusstsein, von Gott dazu bestimmt zu sein, den Rest der Welt in dieses neue Zeitalter zu führen. Selbst den Französisch-Indianischen Krieg (1754-1763) gegen den frankokanadisch-katholischen Antichristen deuteten viele Kolonisten als Ouvertüre des tausendjährigen Reiches, das sich in Amerika etablieren werde. In diesen Beispielen vermischten sich Realpolitik und Religion, paradoxerweise in einer Gesellschaft, die sich der Trennung von Religion und Zentralregierung verschrieb. Dieser bis heute aktuelle Widersinn löst sich beim Blick in die Geschichte: Die vielfältigen Religionsgruppen fochten für ihre religiöse Freiheit gegenüber der anglikanischen Kirche und forderten deshalb selbst die Scheidelinie zwischen Religion und britischem Zentralregiment – ein Prinzip, das als Trennung von Kirche und Staat nach der amerikanischen Revolution überlebte. Es garantierte religiöse Freiheit und Vielfalt.
Während des Unabhängigkeitskrieges (1775-1783) taten sich erneut vor allem Calvinisten hervor, Gott als politische Partei zu vereinnahmen. „New England’s God for ever reigns” wurde gesungen, der Revolutionskrieg gegen England zur Sache des Himmels erklärt. Viele träumten wieder von einem Amerika, das erwählt ist, das göttliche Freiheits- und Friedensreich für alle Völker einzuläuten – nach dem großen Krieg gegen den satansbesessenen Antichristen, den englischen König Georg III. Das wörtlich ausgelegte Buch der „Offenbarung” mit seinem Endkampf von Harmageddon vor dem tausendjährigen Friedensreich musste erneut als Skript herhalten.
Der Millenianismus trieb selbst säkulare Blüten. Deisten unter den Gründungsvätern der USA sahen ihre aufgeklärte Demokratie fortschrittsgläubig in ein goldenes Zeitalter einmünden. John Adams schrieb 1813 in einem Brief: „Unsere reine, tugendhafte (. . .) Republik wird für immer fortdauern, den Globus regieren und die Vollkommenheit des Menschen herbeiführen.” Glücklicherweise behielten andere einen kühleren Kopf, allen voran James Madison als federführender Autor der US-Verfassung. Die US-Verfassung kam auf der Basis der Separation von Kirche und Staat erstmals in der Neuzeit ohne Gottesbezug und Kirchenregiment aus. Madison prophezeite, die mit der Garantie der Gewissensfreiheit einhergehende Trennung von Regierung und Religion werde das religiöse Leben nicht austrocknen, vielmehr beleben. Er sollte recht behalten.
Heute tummeln sich in den USA mehr als 2150 verschiedene religiöse Gruppierungen. Die meisten entstanden nach dem Bürgerkrieg zwischen 1865 und 1925. Zahlreiche millenianistisch eingestellte unter ihnen hielten sich lange aus der Politik heraus, bis sie seit einer Generation auf die politische Bühne drängen. Da sie in ihrem apokalyptischen Weltbild der Ankunft eines tausendjährigen Christusreiches entgegenharren, nehmen sie die prophezeite Weltkatastrophe davor in Kauf. Der Bush’sche Weg in den Nahen Osten wurde von diesen Vorstellungen begleitet.
Robert Jewett analysiert scharf, mutig zeichnet er lange Entwicklungslinien. Ein reichhaltiges Bild entfaltet sich, bunter, als Tupfer dieser Rezension andeuten. Dass Geschichte nie unbefangen geschrieben wird, weiß Jewett, und er geht damit ehrlicher gegenüber sich und den Lesern um als andere Historiker. Der Europäer wundert sich zuweilen über die Amerika-Zentrierung, die selbst bei ihm sich einschleicht, wenn er kritiklos zum Beispiel den Historiker Nathan Hatch zitiert: „Dadurch, dass Christen in Amerika die Regel vorgaben ,kein anderes Glaubensbekenntnis als die Bibel‘, wurden sie zu führende Verfechtern des Individualismus.” Dass bereits 1521 Luther auf dem Reichstag zu Worms allein Bibel, Ratio und Gewissen als Maßstäbe ausrief, kommt nicht in den Blick.
Gleichviel: Dies ist ein außerordentliches Buch, das sich vor unseren Augen täglich fortschreibt. Der gefährliche Wahn, die „Offenbarung” wörtlich auslegen und als Drehbuch gegenwärtiger und zukünftiger Weltgeschichte missbrauchen zu können, geistert in vielen fundamentalistischen Hirnen weiter. Folgerichtig schreckt da auch militärischer Konflikt nicht. Im ABC-Interview von Charles Gibson befragt, ob ein von ihr befürworteter baldiger NATO-Beitritt Georgiens zu Situationen führen könnte, die eine militärische Konfrontation mit Russland unausweichlich machten, antwortete Palin, ohne mit der Wimper zu zucken: „Vielleicht!”
Für viele Fromme stellt der von ihnen erwartete letzte Weltkrieg von Harmageddon, der das Christusreich einläuten wird, kein Grausen dar. Ed Kalnins in Wasilla, Pastor einer Pfingstkirche, der Sarah Palin einmal angehörte, predigt allen Ernstes, Alaska werde in der kriegerischen Endzeit zu einem der wenigen Zufluchtsorte für Gläubige werden. Dass dergleichen eschatologischer Eskapismus, in Amerika in vielerlei Gestalt verbreitet, das biblische Zeugnis gegen den Strich bürstet – nirgendwo steht, dass Frommen Leid erspart bliebe, im Gegenteil –, das fällt den Bibeltreuen offenbar nicht auf. Gerne wüssten wir mehr darüber, was die Hockey-Mom Sarah Palin über solche Eschatomogeleien denkt, wenn sie anstrebt, am vierten November sich in die Nähe des Nuklearbombenknopfes katapultieren zu lassen. Gott behüte. PETER LAMPE
ROBERT JEWETT mit OLE WANGERIN: Mission und Verführung. Amerikas religiöser Weg in vier Jahrhunderten. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008. 341 Seiten, 34,90 Euro.
Auch Sarah Palin sieht die USA wieder einmal als „die leuchtende Stadt auf dem Berg”
Wahlen in den USA
Eine materialreiche Geschichte des christlichen Fundamentalismus in Nordamerika
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