Seine Romane zeugen von visionärer Kraft, von Ideenreichtum und seiner Brillanz als scharfsichtiger Beobachter unserer modernen
Gesellschaft.Genau diese Fähigkeit zeichnet seine Beiträge für Zeitschriften wie »Wired«, »New York Times Magazine« oder »Rolling Stone« aus. Einprägsam beschreibt der Erfinder des »Cyberspace« in einer Rede in New York die neue interaktive Beziehung zwischen Autor und Leser. Nachdrücklich warnt er davor, dieser »Schönen neuen Virtualität« zu vertrauen, denn sie stellt abstrakte, aber keine persönlichen und menschlichen Beziehungen her. William Gibson wagt Voraussagen zu Gegenwart und Zukunft, die bisher immer von der Wirklichkeit überholt wurden und aufhorchen lassen. Faszinierend, überraschend und stets am Puls der Zeit!
Gesellschaft.Genau diese Fähigkeit zeichnet seine Beiträge für Zeitschriften wie »Wired«, »New York Times Magazine« oder »Rolling Stone« aus. Einprägsam beschreibt der Erfinder des »Cyberspace« in einer Rede in New York die neue interaktive Beziehung zwischen Autor und Leser. Nachdrücklich warnt er davor, dieser »Schönen neuen Virtualität« zu vertrauen, denn sie stellt abstrakte, aber keine persönlichen und menschlichen Beziehungen her. William Gibson wagt Voraussagen zu Gegenwart und Zukunft, die bisher immer von der Wirklichkeit überholt wurden und aufhorchen lassen. Faszinierend, überraschend und stets am Puls der Zeit!
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.05.2013Geschmackssachen
Gescheit: William Gibson als Gegenwartspublizist
Vorhersagen mit Präzisionsanspruch sind in der Wissenschaft erwünscht, in der Technik nötig und in der Kunst überflüssig. Weiß man genau, was kommt, braucht man keine Lebensart, keine Kultur und schon gar nicht das Mehrdeutigste, was Menschen erfunden haben: Literatur. Wer die Science-Fiction aus dem Geltungsbereich dieser Wahrheit nehmen will, mag darauf hinweisen, diese Erzählgattung habe doch die eine oder andere Teflonpfanne, den einen oder anderen Überwachungsstaat korrekt geahnt. Das Argument ist freilich so haltlos wie die Annahme, es müsse Hellseherei geben, weil ab und zu jemand im Lotto gewinnt.
William Gibson wusste schon 1984, als sein Roman "Neuromancer" ihn über den fröhlichen Dorfmarktplatz des Genres hinaus einer breiteren Öffentlichkeit empfahl, dass Science-Fiction mit der Zukunft nur als einer Hilfskonstruktion zu tun hat - die Gattung ist nicht narrative Trendforschung, sondern eine Stimme, die sich aus der Fülle des Gegebenen an Teile desselben wendet, die noch ein bisschen zurückgeblieben sind (neugierige Menschen zum Beispiel), um ihnen zu ermöglichen, sich als das wahrzunehmen, was sie längst sind.
Nicht nur als Erzähler, sondern auch mit journalistischen, rezensorischen, essayistischen Gelegenheitsarbeiten hat der emsige Datenfresser und Mustererkenner Gibson diese verdienstvolle Arbeit geleistet und uns normalen Nachzüglern dabei Bücher (etwa Peter Ackroyds Stadtbiographie "London"), Platten (die Werke von Steely Dan) und ganze Kulturkreise (Japan) nähergebracht, die mehr mit dem Stand der Dinge zu tun haben, als das gewöhnliche Neuigkeitenbewusstsein wissen will.
Der Band "Misstrauen Sie dem unverwechselbaren Geschmack", der solche und ähnliche Hinweise Gibsons bündelt, enthält aber noch wesentlich Wertvolleres - vor allem den aus verschiedenen Einlassungen zu einem breiten Spektrum von Fragen der Informationsverarbeitung mosaikartig zusammengesetzten Nachweis, dass das "Informationszeitalter" als Epoche, die den Menschen insgesamt umkrempelt, so wenig greifbar bleibt wie das "Weltraumzeitalter", von dem die siebziger und achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts träumten - es handelt sich bei beiden, lernt man aus diesem Buch, um nach wie vor interpretationsbedürftige Kulturtatsachen statt um harte Fakten aus Wirtschaft und Gesellschaft.
Der für das "New York Times Magazine" verfasste Aufsatz "Das Netz ist Zeitverschwendung" zum Beispiel ist, wenn man ihn neben den Stuss hält, der über seinen Gegenstand sonst so den lieben langen Tag gedruckt, gesendet und online gestellt wird, nichts Geringeres als eine Offenbarung - auswendig lernen lassen sollte man ihn mindestens auf Journalistenschulen und in Redaktionen, wo man immer noch glauben will, es gehe im Web um Reportertugenden wie "Erster sein" oder "hartnäckig dranbleiben", anstatt die Chance zu nutzen, die dieses Medium bietet, den ziellosen Spaziergang durchs Wissen als geistige Aktivität zu retten, wider Zumutungen wie das Geschäft des Ausrufers oder das unbedankte Schürfen in den lichtlosen Minen des zu Recht Vergessenen.
Die Übersetzung von Sara und Hannes Riffel ist so gescheit wie liebevoll; wer ein Drei-Z-Wort wie "Jazzzuckerguß" erfinden kann, ist eigentlich zu gut für den wüsten Textplaneten voller Bloggerwüsten und Twittersümpfe, auf dem wir uns derzeit durchs Lesen und Schreiben fretten müssen - ganz wie William Gibson selbst.
DIETMAR DATH
William Gibson: "Misstrauen Sie dem unverwechselbaren Geschmack".
Aus dem Englischen von Sara und Hannes Riffel. Tropen Verlag, Stuttgart 2013. 251 S., geb., 21,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Gescheit: William Gibson als Gegenwartspublizist
Vorhersagen mit Präzisionsanspruch sind in der Wissenschaft erwünscht, in der Technik nötig und in der Kunst überflüssig. Weiß man genau, was kommt, braucht man keine Lebensart, keine Kultur und schon gar nicht das Mehrdeutigste, was Menschen erfunden haben: Literatur. Wer die Science-Fiction aus dem Geltungsbereich dieser Wahrheit nehmen will, mag darauf hinweisen, diese Erzählgattung habe doch die eine oder andere Teflonpfanne, den einen oder anderen Überwachungsstaat korrekt geahnt. Das Argument ist freilich so haltlos wie die Annahme, es müsse Hellseherei geben, weil ab und zu jemand im Lotto gewinnt.
William Gibson wusste schon 1984, als sein Roman "Neuromancer" ihn über den fröhlichen Dorfmarktplatz des Genres hinaus einer breiteren Öffentlichkeit empfahl, dass Science-Fiction mit der Zukunft nur als einer Hilfskonstruktion zu tun hat - die Gattung ist nicht narrative Trendforschung, sondern eine Stimme, die sich aus der Fülle des Gegebenen an Teile desselben wendet, die noch ein bisschen zurückgeblieben sind (neugierige Menschen zum Beispiel), um ihnen zu ermöglichen, sich als das wahrzunehmen, was sie längst sind.
Nicht nur als Erzähler, sondern auch mit journalistischen, rezensorischen, essayistischen Gelegenheitsarbeiten hat der emsige Datenfresser und Mustererkenner Gibson diese verdienstvolle Arbeit geleistet und uns normalen Nachzüglern dabei Bücher (etwa Peter Ackroyds Stadtbiographie "London"), Platten (die Werke von Steely Dan) und ganze Kulturkreise (Japan) nähergebracht, die mehr mit dem Stand der Dinge zu tun haben, als das gewöhnliche Neuigkeitenbewusstsein wissen will.
Der Band "Misstrauen Sie dem unverwechselbaren Geschmack", der solche und ähnliche Hinweise Gibsons bündelt, enthält aber noch wesentlich Wertvolleres - vor allem den aus verschiedenen Einlassungen zu einem breiten Spektrum von Fragen der Informationsverarbeitung mosaikartig zusammengesetzten Nachweis, dass das "Informationszeitalter" als Epoche, die den Menschen insgesamt umkrempelt, so wenig greifbar bleibt wie das "Weltraumzeitalter", von dem die siebziger und achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts träumten - es handelt sich bei beiden, lernt man aus diesem Buch, um nach wie vor interpretationsbedürftige Kulturtatsachen statt um harte Fakten aus Wirtschaft und Gesellschaft.
Der für das "New York Times Magazine" verfasste Aufsatz "Das Netz ist Zeitverschwendung" zum Beispiel ist, wenn man ihn neben den Stuss hält, der über seinen Gegenstand sonst so den lieben langen Tag gedruckt, gesendet und online gestellt wird, nichts Geringeres als eine Offenbarung - auswendig lernen lassen sollte man ihn mindestens auf Journalistenschulen und in Redaktionen, wo man immer noch glauben will, es gehe im Web um Reportertugenden wie "Erster sein" oder "hartnäckig dranbleiben", anstatt die Chance zu nutzen, die dieses Medium bietet, den ziellosen Spaziergang durchs Wissen als geistige Aktivität zu retten, wider Zumutungen wie das Geschäft des Ausrufers oder das unbedankte Schürfen in den lichtlosen Minen des zu Recht Vergessenen.
Die Übersetzung von Sara und Hannes Riffel ist so gescheit wie liebevoll; wer ein Drei-Z-Wort wie "Jazzzuckerguß" erfinden kann, ist eigentlich zu gut für den wüsten Textplaneten voller Bloggerwüsten und Twittersümpfe, auf dem wir uns derzeit durchs Lesen und Schreiben fretten müssen - ganz wie William Gibson selbst.
DIETMAR DATH
William Gibson: "Misstrauen Sie dem unverwechselbaren Geschmack".
Aus dem Englischen von Sara und Hannes Riffel. Tropen Verlag, Stuttgart 2013. 251 S., geb., 21,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Mit großem Genuss arbeitet sich Frank Schäfer durch diese Essaysammlung des Kult-SciFi-Autors und Cyberpunk-Begründers Willliam Gibson, in dessen letzten Romanen Schäfer bereits einen zunehmenden Verzicht auf futuristische Kulissen beobachtet hat. Hier, so der Rezensent, kann man nachlesen, warum: In einer Zeit, in der sich die Zukunftsversprechungen der Vergangenheit durch vollkommene Gegenwärtigkeit auszeichnen, wird auch der Zukunftsprognostiker irgendwann zukunftsmüde: Doch nicht alles so großartig, wie wir uns das vorgestellt haben, resümert Schäfer den Autor. Die Gegenwart der Zukunft der Vergangenheit findet Gibson vor allem in Japan und dessen technologischer Aufgereiztheit, berichtet Schäfer. Man rechne allerdings nicht damit, in diesen Essays - viele davon Auftragsarbeiten - bloß Vorstufen von Gibsons Romanen zu entdecken, vielmehr handelt es sich um "luzide Gegenwartsanalysen, uneitel, unakademisch, unsystematisch, assoziativ" und von eigenem poetischen Wert, so Schäfer. Zum Technikwarner wird Gibson - der seinem Cyberpunk-Ruhm zum Trotz erst spät online ging - schließlich, wenn er sich mit den immer weiter um sich greifenden Aufzeichnungsmitteln, fürchtet einen Stillstand der Zeit und sucht am Ende Gott, so Schäfer am Ende seiner ausführlichen Rezension.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Der Band enthält vor allem den aus verschiedenen Einlassungen zu einem breiten Spektrum von Fragen der Informationsverarbeitung mosaikartig zusammengesetzten Nachweis, dass das "Informationszeitalter" als Epoche, die den Menschen insgesamt umkrempelt, so wenig greifbar bleibt wie das "Weltraumzeitalter", von dem die siebziger und achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts träumten - es handelt sich bei beiden, lernt man aus diesem Buch, um nach wie vor interpretationsbedürftige Kulturtatsachen statt um harte Fakten aus Wirtschaft und Gesellschaft ... « Dietmar Dath, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.5.2013