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Mister Fortune, britischer Buchhalter und spätberufener Missionar, wagt sein erstes Abenteuer. Er läßt sich, als einziger Weißer, auf der Pazifikinsel Fanua nieder, um den armen Wilden die christliche Botschaft zu bringen. Doch ein listiger Dämon, unsichtbar, aber allgegenwärtig, stellt sich ihm in den Weg, um die paradiesische Insel und ihre Bewohner im Urzustand zu erhalten. Abenteuerroman, theologische Satire und pazifisches Märchen - dieser Roman leuchtet in den Farben von Gauguins Bildern. Er entstand in den Jahren, als die europäischen Weltreiche unantastbar schienen und der Siegeszug…mehr

Produktbeschreibung
Mister Fortune, britischer Buchhalter und spätberufener Missionar, wagt sein erstes Abenteuer. Er läßt sich, als einziger Weißer, auf der Pazifikinsel Fanua nieder, um den armen Wilden die christliche Botschaft zu bringen. Doch ein listiger Dämon, unsichtbar, aber allgegenwärtig, stellt sich ihm in den Weg, um die paradiesische Insel und ihre Bewohner im Urzustand zu erhalten. Abenteuerroman, theologische Satire und pazifisches Märchen - dieser Roman leuchtet in den Farben von Gauguins Bildern. Er entstand in den Jahren, als die europäischen Weltreiche unantastbar schienen und der Siegeszug westlicher Lebensart unangefochten und unazufhaltsam. Verspielt nimmt er vorweg, was unsere Generation als Zerstörung und Versagen vor dem Reichtum fremder Kultur erkannt hat. "Man kann Miss Warner nicht genug danken dafür, daß sie das alchimistische Geheimnis entdeckt hat, wie man die Vergangenheit, das Mögliche und manchmal das Unmögliche in reines Gold verwandelt." (The Observer)
Autorenporträt
Warner, Sylvia Townsend
Sylvia Townsend Warner, geboren 1893 in Harrow-on-the-Hill im tiefsten Herzen Englands, studierte Musikwissenschaft, wandte sich dann dem Journalismus zu. Ab 1925 veröffentlichte sie Romane, Gedichte und Erzählungen und war später Reporterin im Spanischen Bürgerkrieg. Während über vierzig Jahren war sie regelmäßige Autorin des New Yorker. Sylvia Townsend Warner starb 1978.

Roubaud, Jacques
Jacques Roubaud, geboren 1932 bei Lyon, ist Schriftsteller und Lyriker. Als Professor lehrte er Mathematik und formale Poetik in Paris.

Weigelt, Helga
Helga Weigelt, geboren 1933, besuchte zunächst die Schauspielschule in München, ehe sie sich zur Übersetzerin ausbildete. Seit vielen Jahren übersetzt sie aus dem Englischen, Französischen und Italienischen. Sie lebt in Darmstadt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.07.1996

Glasperlen
Sylvia Townsend Warner missioniert den Missionar Von Katharina Rutschky

Das britische Empire war ja unter anderem auch eine Veranstaltung für Leute, die zu Hause nicht zurechtkamen und deshalb anderswo um so feuriger am five o'clock tea festhielten. Zu ihnen gehört Mr. Fortune, Bankangestellter und spät berufener Missionar, der Held in Sylvia Townsend Warners Romankomödie aus dem Jahr 1927. Frustriert von der Kontoführung, den öden Sonntagen und seiner eigenen liebeleeren Einsamkeit, investiert er ein kleines Erbe in die Ausbildung zum Missionar und kommt nach Polynesien. Vier Denominationen bemühen sich auf der Hauptinsel des Raratonga-Archipels um das Seelenheil der eingeborenen Heiden. In diesem Gedränge kann Mr. Fortune seinen Missionseifer nicht betätigen, zumal er auch hier wieder viel Zeit mit der Buchhaltung hinbringen muß, weil die andern Gottesmänner sie nicht gelernt haben. Ungern lassen sie ihn deshalb ziehen, als er sich zum Pionier christlicher Verkündigung und, davon leider nicht zu trennen, britischer Konvention und Moral auf einer Insel berufen fühlt, deren Einwohner immer noch ohne sie auskommen müssen. Eine Herausforderung für das Empire, das in den Jahren vor 1914 in schönster Blüte steht, aber eben auch für Mr. Fortune.

Ein gehöriger Vorrat von Glasperlen soll seiner frommen Pädagogik den Weg bereiten, den er dann mit glänzenden liturgischen Geräten, eindrucksvollen Ritualen und viel Harmoniumsmusik zur Allee zu erweitern gedenkt, auf der bekehrte und belehrte Eingeborene dann zuhauf Gott zugeführt werden. Natürlich kommt alles ganz anders. Bekehrt wird in den drei Jahren auf der Insel Mr. Fortune, Schritt für Schritt, und zwar so gründlich, daß Ms. Warner als seine Erfinderin und Supervisorin ihm (und dem christlichen Empire) das Buch am Ende mit einer gewissen sympathetischen Ratlosigkeit zueignet. Was soll denn nun werden aus Timothy Fortune, jetzt, wo er seine Mission praktisch überprüft und seine zivilisatorischen Ambitionen für hohl und lebensfeindlich erkannt hat? Ein christlich-britischer Gentleman, der die Vorzüge einer Ganzkörperpflege mit Öl und die Freuden des Schwimmens im Mondschein begriffen hat, ist eben kein solcher mehr. Sorgen sind daher mehr als berechtigt.

Komödien, auch Romankomödien, werden hinsichtlich ihrer Bedeutung und ihres analytischen Tiefgangs gern unterschätzt. Heute ist man verblüfft, wie zum Beispiel Lubitsch in "Ninotschka" (1939) die Aporien des damals noch real prozedierenden Stalinismus und Sozialismus begriffen und mit seinen und den Mitteln Hollywoods anschaulich gemacht hat. "Wir haben jetzt weniger, aber dafür bessere Russen", kommentiert Greta Garbo die Moskauer Prozesse. Als Kommissarin in Paris erkennt sie aber auch: "Ihr habt das Klima, wir haben die bessere Moral." In Warners Roman ist Mr. Fortune die Ninotschka des britisch-christlichen Empires, und was in Lubitschs Film Garbos Schönheit für das Verständnis des Sozialismus tut, bewirkt im Roman die Verführbarkeit von Mr. Fortune für das Leben.

Was in einer Inhaltsangabe wie eine politisch korrekte Abrechnung mit den Schwächen unserer Zivilisation, der Ideologie des Imperialismus und dem religiösen Alleinvertretungsanspruch christlicher Missionare erscheinen mag, ist es in der Durchführung der Komödie keineswegs. Sie lebt von der Schwäche der menschlichen Existenz und kann sie schon deshalb nie von einem archimedischen Punkt aus denunzieren. Ganz im Gegenteil: Mit dem Mittel der Ironie kocht sie die größten Themen gar und eßbar, macht sie nicht klein und verächtlich. "Das ist nun also meine erste Nacht auf Fanua", denkt Mr. Fortune und betrachtet den Stern Kanopas, der zu seiner Erlösung allein auf Gott angewiesen ist, denn kein Missionar kann ihm zu Hilfe kommen wie er den Fanuanern. Aber auch dieser erhabene Gedanke hindert Mr. Fortune nicht, sofort einzuschlafen. Merke: Zum Glück werden auch größere Irrtümer immer von Menschen begangen.

Es ist wohl diese Moral des Erzählers, nicht des Erzählten, die heute so frisch und modern wirkt, wie sie in den zwanziger Jahren radikal war, die es Warner schwergemacht hat, als erstklassige Autorin zweiten Ranges jene Anerkennung zu finden, die sie verdient. Literarische Lexika, die mit männlichen Autoren derselben Qualifikation reichlich aufwarteten, hatten 1967 von ihr noch lange keine Kenntnis genommen, als ihr die erste öffentliche Ehrung zuteil wurde. Da war sie Mitte Siebzig, hatte sieben Romane, fünf Gedichtbände und neun mit Short stories hinter sich. Über Jahrzehnte veröffentlichte der "New Yorker" ihre gewitzten Erzählungen - vieles, was dort und anderswo publiziert wurde, ist heute gar nicht mehr zugänglich. Man muß nicht gleich nach einer Ausgabe der sämtlichen Werke, gar einer kritischen, oder der Kanonisierung einer grundskeptischen Schriftstellerin rufen, um nicht doch im Falle Warners erhebliche Zweifel an den geschlechtsneutralen Kriterien literarischer Traditionsbildung zu entwickeln.

Sylvia Townsend Warner: "Mister Fortunes letztes Paradies". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Helga Weigelt. Mit einem Nachwort von Jacques Roubaud. Unionsverlag, Zürich 1996. 220 S., geb., 32,- DM.

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