Als ich gerade “Mr. Morgan und die Puppenspielerin” las, entdeckte ich in der Süddeutschen Zeitung eine kleine Notiz, nach der sich der Schauspieler Hugh Jackmann manchmal verkleidet um seine Frau glücklich zu machen. Morgan, der Held aus Anne Tylers Roman, verkleidet sich ebenfalls. Aber nicht weil
er “wieder auf etwas Action im Schlafzimmer aus ist” wie der Hollywood Star. Für Morgan “waren alle…mehrAls ich gerade “Mr. Morgan und die Puppenspielerin” las, entdeckte ich in der Süddeutschen Zeitung eine kleine Notiz, nach der sich der Schauspieler Hugh Jackmann manchmal verkleidet um seine Frau glücklich zu machen. Morgan, der Held aus Anne Tylers Roman, verkleidet sich ebenfalls. Aber nicht weil er “wieder auf etwas Action im Schlafzimmer aus ist” wie der Hollywood Star. Für Morgan “waren alle Kleidungsstücke Kostüme. Er öffnete den Wandschrank, knipste das Licht an und überlegte wer er an diesem Tag sein wollte.”
An einem frostigen Ostersonntag lernt Morgan das Ehepaar Meredith unter ungewöhnlichen Umständen kennen. Er besucht eine Puppentheatervorstellung der beiden, als bei Emily die Wehen einsetzen und ihr Mann Leon unter den Zuschauern einen Arzt sucht. Morgan, der an diesem Tag zwar nicht im richtigen “Kostüm” für diesen Beruf steckt (aber bei einem Notfall glaubt man vielleicht auch einem Mann mit Skimütze und dreckigen Fingernägeln dass er Mediziner ist) meldet sich und leistet (erfolgreich) Geburtshilfe. In den Folgejahren beobachtet der Vater von sieben Töchtern heimlich die Entwicklung der kleinen Familie, bis Emily ihn eines Tages auf offener Straße darauf anspricht. In der Folge entwickelt sich zwischen den beiden eine Freundschaft, die bald auch die Familien einschließt. Als aus dieser Freundschaft im Lauf der Jahre Liebe wird gerät das Gefüge der kleinen, scheinbar heilen, Welt von Emily und Morgan gehörig durcheinander.
Wieder einmal skizziert Anne Tyler das, wofür Sie berühmt geworden ist: Familien, deren Mitglieder und ihre Besonderheiten. Morgan sehnt sich nach Ruhe und Einfachheit. In seinem Zuhause tummeln sich neben der mütterlichen Ehefrau Bonnie, sieben Töchter, seine Mutter Louisa und die Schwester Brindle, die einen Ehemann begraben und den zweiten verlassen hat und nun die Tage ihres Lebens seufzend im Bademantel verbringt. Im Gegensatz dazu steht das karge Leben der Merediths, die eher zufällig zu Puppenspielern geworden sind und in einer nüchternen drei Zimmer Wohnung fast ohne Möbel und sonstigen Besitz leben.
Anders als in ihrem Pulitzer Preis prämierten Werk “Atemübungen” indem sie das ganze Leben des Ehepaares Maggie und Ira Moran während der Dauer von nur 24 Stunden Revue passieren lässt, umspannt die Handlung hier eine Zeit von zwölf Jahren. Zu Beginn hat mich daher besonders interessiert, wie sich die Figuren in diesem Zeitraum entwickeln würden.
Die skurrilen Fluchten Morgans, der sich durch Verkleidungen und Lügen aller Art durchs Leben spinnt, dabei aber immer liebenswürdig und sich selbst treu bleibt, sollten (so hoffte ich) doch zu irgendetwas oder irgendwohin führen. Die schüchterne Emily, die in ihrer ruhigen Sachlichkeit emotionslos wirkt und doch zu so viel selbstloser Liebe fähig ist, sollten ihr ( so dachte ich) doch etwas mehr einbringen als nur Armut und Entbehrung. Aber es ist einzig Bonnie, die verlassene Ehefrau, die sich wandelt. Von einer fürsorglichen Gattin zur Rachegöttin. Am Ende lässt sie ihren untreuen Mann per Zeitungsannonce sterben. Einen Schritt den man durchaus nachvollziehen kann. Mir ging der kauzige Morgan mit seiner farblosen Emily zu der Zeit auch schon sehr auf die Nerven.
Anne Tyler ist eine Autorin deren Werke ich gerne und mit Vergnügen lese. Intelligent und humorvoll beschreibt Sie das Leben in und mit Familien. Gerade die leisen Töne, die Kleinigkeiten im alltäglichen liegen ihr besonders. Eine Art sich in Details zu verlieren, die man heute in Büchern nur noch selten findet. Anne Tyler nimmt sich Zeit Situationen auszumalen. “Mr. Morgan und die Puppenspielerin” das 1980 zum ersten Mal erschien, hat viel von diesen Alltäglichkeiten. Als Kind der 1970er Jahre war es für mich fast schmerzlich schön, die Dekade von 1967 bis 1979 im Buch wiederzufinden. Dennoch hat mir der Roman nicht so gut gefallen, wie die anderen Werke der Autorin die ich bisher gelesen habe.