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When travel writer Christopher Stewart arrives at a riverside resort in Kerala, India to meet Koman, Radha's uncle and a famous dancer, he enters a world of masks and repressed emotions. From their first meeting, both Radha and her uncle are drawn to the enigmatic young man with his cello and his incessant questions about the past. The triangle quickly excludes Shyam, Radha's husband, who can only watch helplessly as she embraces Chris with a passion that he has never been able to draw from her. Also playing the role of observer-participant is Koman; his life story, as it unfolds, captures all…mehr

Produktbeschreibung
When travel writer Christopher Stewart arrives at a riverside resort in Kerala, India to meet Koman, Radha's uncle and a famous dancer, he enters a world of masks and repressed emotions. From their first meeting, both Radha and her uncle are drawn to the enigmatic young man with his cello and his incessant questions about the past. The triangle quickly excludes Shyam, Radha's husband, who can only watch helplessly as she embraces Chris with a passion that he has never been able to draw from her. Also playing the role of observer-participant is Koman; his life story, as it unfolds, captures all the nuances and contradictions of the relationships being made-and unmade-in front of his eyes.
Autorenporträt
Anita Nair
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.10.2006

Tanzt, Inder, tanzt!
Wer massenhaft Zeit hat, lese Anita Nairs Kathakali-Schmöker

Große Erwartungen sind erlaubt, wenn sich ein Buch dem kraftvollen Kathakali verschreibt, denn es sind große, alte Stoffe, die in diesem religiösen Tanz aus den Tempeln Keralas erzählt werden. Hier lieben und sterben in aller Dramatik noch einmal all die Helden, Halbgötter und Dämonen der in Indien seit zweieinhalbtausend Jahren heißgeliebten Epen Mahabharata und Ramayana. Getanzt wird durch die Nacht bis zum grauen Morgen, und keine menschlichen Tänzer zeigen uns die Navarasas, die neun Gesichter des Herzens von Liebe über Zorn und Furcht bis endlich zum Frieden, nein, die Götter selbst tanzen - wenn die Tänzer gut sind. Denn schon während das Gesicht in leuchtenden Farben geschminkt wird, Chundapoo-Samen in den Unterlidern die Augen wildrot werden lassen, verwandelt sich der Tänzer in seine Figur und wird auch nur noch mit deren Namen angesprochen.

Welchen klassischen Stoff Anita Nair in ihrem Roman "Kathakali" (im Englischen nicht sehr sinnvoll "Mistress" betitelt) erzählen möchte, würde man vielleicht vorschnell aus den Namen ihrer Geschichtentänzer zu erraten meinen. Ein Blick auf den blaß und rosenholzhaarig vom Himmel gefallenen Chris genügt, und Radha, die den englischen Reiseschriftsteller zusammen mit ihrem Mann Shyam und ihrem Onkel, der Kathakali-Legende Koman, abholt, ist verzückt. Chris, denken wir, wird dann wohl Krishna sein, Indiens heimlicher Lieblingsgott, der zwar in der Bhagavadgita vornehm Bhakti, die Gottesliebe, als Erlösungsweg preist, ungleich viel mehr schmunzelnde Anerkennung aber für seine jugendlichen Eskapaden mit Zehntausenden von Hirtinnen erntet. Unter diesen ist die verheiratete Radha liebste Gefährtin des flötespielenden Herzensbrechers.

Dieser Chris/Krishna aber spielt Cello, und als das unhandliche Instrument ins Auto verfrachtet wird, fragt der Fahrer Radhas Ehemann anzüglich, ob er glaube, daß Chris ein Mann der Flöte sei, eine kleine zotige Anspielung auf homoerotische Praktiken. Nair scheint also nicht gewillt, ihren durch Namen gesetzten Vorgaben so streng zu folgen, wie es die Regeln des Kathakali erfordern würden. Der Selfmademan Shyam, verwirrenderweise ebenfalls ein Beiname des Gottes Krishna, wird von dem sprachignoranten Chris dafür nur englisch "Sham" ausgesprochen und so zum Heuchler abgestempelt. In stetem Dreierreigen zeigen sich nun Radha, Shyam und der Onkel, der gegen Ende zu einem kurzen Pas de deux ausbricht und mit seiner englischen Geliebten Angela im Wechsel erzählt, ihre Geschichten der Liebe. Etwa drei Monate wird Chris in Shyams lauschiger Ferienanlage "Nahe-dem-Nila" wohnen und Onkel Koman für ein geplantes Buch interviewen. Daß Komans frühere Geliebte Angela seine Mutter ist, verschweigt er lange, dabei treibt ihn das Interesse an dem Mann Koman weit mehr um als am Kathakali-Künstler Koman. So vermutet man es jedenfalls, denn Chris selbst darf sich auf Nairs Bühne nicht produzieren, ihm wird keine eigene Innensicht zugestanden. Diesen konturlos weichen Chris als Helden zu sehen, dessentwegen man in liebestolle Raserei verfallen müßte, wäre schwer. Vielmehr dient er als magischer Spiegel: In ihm läßt der alternde Koman seine Erinnerungen lebendig werden, auf ihn projiziert Radha ihre Sehnsüchte nach wahrer Liebe. Da mag zwar viel von magnetisch-unausweichlicher Anziehung zwischen Chris und Radha die Rede sein, allein wie eine heiße Amour fou will ihr Verhältnis nicht erscheinen, eher wie eine hochstilisierte Affäre, eine schnelle Strohfeuerliebe zwischen einer gelangweilten, sexuell frustrierten Ehefrau und einem Exotismus suchenden Ausländer.

Schon vor Chris' Abreise geht den beiden diese Liebe verloren; doch verloren hat vor allem der allzu besitzergreifend und linkisch, aber immerhin wirklich liebende, tiefgekränkte Shyam. Er verehrt seine aus dem besseren Zweig der Familie stammende Kusine seit Jugendtagen, schien aber lange einer Heirat mit ihr für unwürdig gehalten. Zwar wird alles zu Gold, was er in seinem Geschäftsleben anpacken wird, doch Radha wird ihm nach einer unglücklichen Affäre mit einem verheirateten Mann als allzu beschädigtes Gut überlassen - er wird sie nicht heilen können.

Erstaunlicherweise gelingt es Nair ausgerechnet, den in seiner Verzweiflung sogar gewalttätigen Shyam, von Radha und ihrem tanzenden Onkel zu Unrecht als vollkommen unkultivierter Nichtkünstler verachtet, zum Menschen zu machen. Für die unschärfer gezeichnete Radha mag man nur mäßiges Interesse aufbringen, schön mythisch durchsetzt und von der Opulenz von Tausendundeiner Nacht getragen, geraten dagegen die Passagen ihres Onkels Koman, der sich Schriftsteller Chris zuliebe das Kostüm des Familiengeschichtenerzählers anlegt. Unglückliche Lieben und unklare Elternschaften scheinen zum Standardepertoire dieser Familie zu gehören, geradezu verzaubert liest man vor allem von den Irrfahrten von Radhas Großvater Sethu und wie er die schöne Muslimin Saadiya gewinnt und verliert.

Eingestreut in Komans Nachsinnen über Radha, Chris und Shyam, seine Ausbildung zum Kathakali-Tänzer und ein unglückliches Zwischenspiel in England finden sich zudem all die großen Gewinner, Verlierer und klassischen Liebespaare der Epen. Ganz so dramatisch, wie wir zu Beginn erwartet hatten, gelingt Nair ihr Werk zwar nicht, aber eben doch noch ziemlich genau so, wie man oder, seien wir ehrlich: frau es von einem typischen Indienschmöker zum Runterlesen erwartet. Die bereitzuhaltenden Requisiten für eine heimische Inszenierung dieses Kathakali-Stücks sind damit klar: Teetasse, Sofa plus Kissen, ein Fenster, das schlechtes Wetter zeigt.

SABINE LÖHR

Anita Nair: "Kathakali". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Anette Grube. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2006. 526 S., geb., 22,- [Euro].

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