Als Mann geboren, als Frau zum Star: die offenherzigste Autobiografie des Jahres.
Bereits mit fünf Jahren wusste Gloria Gray, dass sie im falschen Körper geboren wurde. In ihrer Autobiografie beschreibt sie feinfühlig und entwaffnend freimütig ihren Weg von dem kleinen Jungen, der gehänselt und gedemütigt wurde, hin zu der erfolgreichen Künstlerin und geheimnisvollen Entertainerin des Showbusiness. Sie hat ganz auf ihr inneres Wissen vertraut und wurde durch verschiedene Operationen und Hormonbehandlungen auch äußerlich zu der Frau, die sie innerlich schon immer gewesen ist.
Bereits mit fünf Jahren wusste Gloria Gray, dass sie im falschen Körper geboren wurde. In ihrer Autobiografie beschreibt sie feinfühlig und entwaffnend freimütig ihren Weg von dem kleinen Jungen, der gehänselt und gedemütigt wurde, hin zu der erfolgreichen Künstlerin und geheimnisvollen Entertainerin des Showbusiness. Sie hat ganz auf ihr inneres Wissen vertraut und wurde durch verschiedene Operationen und Hormonbehandlungen auch äußerlich zu der Frau, die sie innerlich schon immer gewesen ist.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.06.2009Mehr Frau als alle anderen
Gloria Gray stellt ihre Autobiographie „Mit allem, was ich bin” im Schlachthof vor
Einmal die Arme weit ausgebreitet – und es sieht aus, als könnte sich die Welt darin geborgen fühlen. An Gloria Gray ist alles warm und herzlich. Und alles groß: Beine bis zum Hals, wie man in Tänzerkreisen sagt, Lippen voll, von den Brüsten gar nicht zu reden . . . nur das Näschen sitzt fein und klein unter dunkel strahlenden Augen. Das Blondhaar steckt an diesem Tag unter einer Ballonmütze, um die Taille hängt ein Wimmerl, denn sie ist zur Probe mit ihrem Pianisten Martin Wettges und einem reizenden Studenten-Salonorchester in die Musikhochschule geradelt. Da hat sie natürlich kein Mikro, aber man hört es trotzdem, wie sauber sie intoniert. „Komm großer schwarzer Vogel” lockt sie ganz zart. Ludwig Hirschs Lied meint den Totenvogel. Und Gloria Gray wird es bei ihrer Vorstellung im Schlachthof (Zenettistraße 9, heute um 20.30 Uhr) all jenen aus der Szene widmen, die an den Folgen von Aids gestorben sind.
„Das Leben ist kein Pony-Hof”, sagt sie. So einen Spruch lässt man sich nicht von jeder gefallen. Von Gloria Gray schon. Denn, erstens sagt sie das mit der geforderten Selbstironie, zweitens weiß sie genau, wovon sie spricht, und drittens hat sie jetzt auch noch ein Buch darüber geschrieben. Über ihr Leben nämlich, „Mit allem was ich bin”, so der Titel (Nymphenburger Verlag, 19,95 Euro). „Es hat sich gelohnt, mit Selbstverständlichkeit zu leben”, sagt sie, deren Leben keineswegs selbstverständlich verlief. Es war von ihrem fünften Lebensjahr an eine abenteuerliche Reise zu ihrem wahren Ich, mit heftigen Kämpfen verbunden: um das richtige Geschlecht, um den Platz in der Gesellschaft, um ihre Stellung als Künstlerin, als die sie sich nunmehr seit 15 Jahren freiberuflich behauptet.
Gloria kommt, sechs Jahre nach der Schwester, in Zwiesel als Bub zur Welt, als einziger Sohn eines Fernfahrers und einer Gastwirtin. Dass sie im falschen Körper geboren wurde, empfindet sie schon ganz früh. Zu seinem fünften Geburtstag wünscht sich das Kind eine blonde Perücke. Und die Tante schenkt ihm einen wallenden Nylontraum, der es mindestens in eine lebendig-glückstrahlende Barbie verwandelt. Der Bub wollte ein Mädchen sein und übte dafür vor dem Spiegel daheim. In der Schule hat man ihn gehänselt, hat ihn „Pfanni” gerufen, nach den Halb-und Halbknödeln. Nicht Fisch, nicht Fleisch: Ihre Mitschüler ahnten, dass hier einer anders war als die anderen, konnten aber nicht benennen, inwiefern. Heute feiert es Gloria Gray als ihren größten Triumph, dass sie es geschafft hat, in Frieden und ohne Ressentiments nach Zwiesel zurückzukehren. Bei einem ihrer damals seltenen Besuche in der Heimatstadt vor sechs Jahren, da hat sie ihre ehemaligen Quälgeister getroffen und ist mit ihnen nun gut freund.
Da hatte sie das schon alles hinter sich, die Operation, die Behördengänge. Sie kam als Vollfrau, die sich irgendwann sogar die Silikonpolster entfernen lassen konnte – ein Busenwunder, fürwahr: („Sie dienen heute Nachbars Siamkatzen . . . als Wasserbett”, unter dem Stichwort „Busen, meiner” in ihrer Autobiographie nachzulesen.) Und sie hatte alle nötigen Papiere daheim, die ihre geschlechtliche Identität als Frau eindeutig legalisieren: einen Geburts-, ja sogar einen Taufschein, die sie als gebürtige Gloria ausweisen. Denn sie ist gläubige Katholikin und nicht wenig stolz auf ihr Kreuz um den Hals, das von Pabst Johannes Paul gesegnet wurde.
Sie hatte transsexuelle Vorkämpferinnen, zu denen auch die Anwältin Maria Augstein zählte, die den Status von Transsexuellen nach vollzogener Geschlechtsumwandlung legalisierten. Dennoch seien viele ihrer Leidensgenossinnen nicht mit ihrem neuen Leben klargekommen – Alkohol, Drogen, Suizid. Trotz gewachsener Toleranz, trotz der Aufklärung durch die Medien, vor allem das Internet, gibt es immer noch Leute, die meinen, Menschen wie Gloria blöd anmachen zu müssen. Hinzu kommen körperliche Malaisen, wobei die lebenslange Einnahme von Hormonen die geringste ist. Was Gloria Gray in all den Jahren abbekommen hat, das habe sie „geprägt und geprüft”. Ihre bodenständige Herkunft hat ihr wohl geholfen, „in der Großstadt wäre ich unter die Räder gekommen”, sagt sie.
Durch ihre Autobiographie ist zur Entertainerin, Schauspielerin, zum Model und zur „Reklame-Ikone” der Bärwurzerei ihres Geburtsortes Zwiesel nun auch noch die Autorin hinzugekommen. Das Buch beantwortet Fragen, die man sonst nicht zu stellen wagte. Hier steht Schwarz auf Weiß, was sonst ihre körperliche Erscheinung leistet: „Ich gehe als meine eigene Lobby über die Straße.” EVA-ELISABETH FISCHER
Gloria Gray und ihre Verwandlung zum wahren Ich: Schon als kleiner Bub trug sie gern blond. Die Attribute zum Vollweib wuchsen ihr allerdings nicht von allein. Fotos: privat
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Gloria Gray stellt ihre Autobiographie „Mit allem, was ich bin” im Schlachthof vor
Einmal die Arme weit ausgebreitet – und es sieht aus, als könnte sich die Welt darin geborgen fühlen. An Gloria Gray ist alles warm und herzlich. Und alles groß: Beine bis zum Hals, wie man in Tänzerkreisen sagt, Lippen voll, von den Brüsten gar nicht zu reden . . . nur das Näschen sitzt fein und klein unter dunkel strahlenden Augen. Das Blondhaar steckt an diesem Tag unter einer Ballonmütze, um die Taille hängt ein Wimmerl, denn sie ist zur Probe mit ihrem Pianisten Martin Wettges und einem reizenden Studenten-Salonorchester in die Musikhochschule geradelt. Da hat sie natürlich kein Mikro, aber man hört es trotzdem, wie sauber sie intoniert. „Komm großer schwarzer Vogel” lockt sie ganz zart. Ludwig Hirschs Lied meint den Totenvogel. Und Gloria Gray wird es bei ihrer Vorstellung im Schlachthof (Zenettistraße 9, heute um 20.30 Uhr) all jenen aus der Szene widmen, die an den Folgen von Aids gestorben sind.
„Das Leben ist kein Pony-Hof”, sagt sie. So einen Spruch lässt man sich nicht von jeder gefallen. Von Gloria Gray schon. Denn, erstens sagt sie das mit der geforderten Selbstironie, zweitens weiß sie genau, wovon sie spricht, und drittens hat sie jetzt auch noch ein Buch darüber geschrieben. Über ihr Leben nämlich, „Mit allem was ich bin”, so der Titel (Nymphenburger Verlag, 19,95 Euro). „Es hat sich gelohnt, mit Selbstverständlichkeit zu leben”, sagt sie, deren Leben keineswegs selbstverständlich verlief. Es war von ihrem fünften Lebensjahr an eine abenteuerliche Reise zu ihrem wahren Ich, mit heftigen Kämpfen verbunden: um das richtige Geschlecht, um den Platz in der Gesellschaft, um ihre Stellung als Künstlerin, als die sie sich nunmehr seit 15 Jahren freiberuflich behauptet.
Gloria kommt, sechs Jahre nach der Schwester, in Zwiesel als Bub zur Welt, als einziger Sohn eines Fernfahrers und einer Gastwirtin. Dass sie im falschen Körper geboren wurde, empfindet sie schon ganz früh. Zu seinem fünften Geburtstag wünscht sich das Kind eine blonde Perücke. Und die Tante schenkt ihm einen wallenden Nylontraum, der es mindestens in eine lebendig-glückstrahlende Barbie verwandelt. Der Bub wollte ein Mädchen sein und übte dafür vor dem Spiegel daheim. In der Schule hat man ihn gehänselt, hat ihn „Pfanni” gerufen, nach den Halb-und Halbknödeln. Nicht Fisch, nicht Fleisch: Ihre Mitschüler ahnten, dass hier einer anders war als die anderen, konnten aber nicht benennen, inwiefern. Heute feiert es Gloria Gray als ihren größten Triumph, dass sie es geschafft hat, in Frieden und ohne Ressentiments nach Zwiesel zurückzukehren. Bei einem ihrer damals seltenen Besuche in der Heimatstadt vor sechs Jahren, da hat sie ihre ehemaligen Quälgeister getroffen und ist mit ihnen nun gut freund.
Da hatte sie das schon alles hinter sich, die Operation, die Behördengänge. Sie kam als Vollfrau, die sich irgendwann sogar die Silikonpolster entfernen lassen konnte – ein Busenwunder, fürwahr: („Sie dienen heute Nachbars Siamkatzen . . . als Wasserbett”, unter dem Stichwort „Busen, meiner” in ihrer Autobiographie nachzulesen.) Und sie hatte alle nötigen Papiere daheim, die ihre geschlechtliche Identität als Frau eindeutig legalisieren: einen Geburts-, ja sogar einen Taufschein, die sie als gebürtige Gloria ausweisen. Denn sie ist gläubige Katholikin und nicht wenig stolz auf ihr Kreuz um den Hals, das von Pabst Johannes Paul gesegnet wurde.
Sie hatte transsexuelle Vorkämpferinnen, zu denen auch die Anwältin Maria Augstein zählte, die den Status von Transsexuellen nach vollzogener Geschlechtsumwandlung legalisierten. Dennoch seien viele ihrer Leidensgenossinnen nicht mit ihrem neuen Leben klargekommen – Alkohol, Drogen, Suizid. Trotz gewachsener Toleranz, trotz der Aufklärung durch die Medien, vor allem das Internet, gibt es immer noch Leute, die meinen, Menschen wie Gloria blöd anmachen zu müssen. Hinzu kommen körperliche Malaisen, wobei die lebenslange Einnahme von Hormonen die geringste ist. Was Gloria Gray in all den Jahren abbekommen hat, das habe sie „geprägt und geprüft”. Ihre bodenständige Herkunft hat ihr wohl geholfen, „in der Großstadt wäre ich unter die Räder gekommen”, sagt sie.
Durch ihre Autobiographie ist zur Entertainerin, Schauspielerin, zum Model und zur „Reklame-Ikone” der Bärwurzerei ihres Geburtsortes Zwiesel nun auch noch die Autorin hinzugekommen. Das Buch beantwortet Fragen, die man sonst nicht zu stellen wagte. Hier steht Schwarz auf Weiß, was sonst ihre körperliche Erscheinung leistet: „Ich gehe als meine eigene Lobby über die Straße.” EVA-ELISABETH FISCHER
Gloria Gray und ihre Verwandlung zum wahren Ich: Schon als kleiner Bub trug sie gern blond. Die Attribute zum Vollweib wuchsen ihr allerdings nicht von allein. Fotos: privat
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