Zum WerkMit Arbeit spielt man nicht! Der Autor nimmt die Kritik von Papst Franziskus an dem Abbau von Arbeitsplätzen in einer italienischen Fabrik zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen, Regeln für eine bessere Arbeitsmarktordnung zu formulieren. Mindestlohn, Frauenquoten, Rente mit 63, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die soziale Dimension Europas - die aktuellen Diskussionspunkte werden mit Blick auf ethische wie ökonomische Argumente einer Sichtung unterzogen. Das Buch nimmt Stellung zur Bedeutung der Arbeit in einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung. Insbesondere Überlegungen der christlichen Soziallehre werden in aktuelle Diskussion einbezogen.Die gesellschaftliche Verantwortung eines Unternehmens zeigt sich auch im Handeln des Unternehmens gegenüber seinen Mitarbeitern. Eine Rechtsordnung darf diese Verantwortung einfordern. Das Arbeitsrecht ist ein wesentliches Instrument hierzu. Eben darin liegt seine bleibende Berechtigung und Notwendigkeit.Vorteile auf einen Blick- engagierte Streitschrift für eine bessere Ordnung des Arbeitsmarkts- präzise Auseinandersetzung mit aktuellen Gesetzesvorhaben- juristische Analyse guter und schlechter GesetzgebungZum AutorProf. Dr. Gregor Thüsing, LL.M., leitet das Institut für Arbeitsrecht an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. In den vergangenen zehn Jahren trat er mehr als zwanzig Mal als Sachverständiger bei Anhörungen verschiedener Ausschüsse und Gesetzesvorhaben des Bundestages auf.ZielgruppeJuristen, Verbände, Unternehmer, Gewerkschaften, politische Interessierte im weitesten Sinne.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.04.2016Gutes Arbeitsrecht
Eine ordnungspolitisch vermittelnde Streitschrift
Der Titel seines neuen Buches ist, wie Thüsing freimütig bekennt, gestohlen: "Col lavoro non si gioca - Mit Arbeit spielt man nicht". Mit diesen Worten kritisierte Papst Franziskus in einer Generalaudienz am 3. September 2014 den deutschen Stahl- und Industriegüterkonzern Thyssen-Krupp, der im Juli 2014 angekündigt hatte, in seinem süditalienischen Stahlwerk rund 550 der 2600 Stellen abzubauen. Wer Arbeitsplätze streiche, um mehr Geld zu verdienen, nehme den Menschen ihre Würde, so das Oberhaupt der katholischen Kirche. Mit Blick auf die sozialen Folgen sprach sich der Papst eindringlich dafür aus, Solidarität und Gerechtigkeit nicht auf dem Altar des Profits zu opfern. Diese Grundsatzkritik an bestimmten Erscheinungsformen des Kapitalismus bildet den Ausgangspunkt in Thüsings Streitschrift: Sie wendet sich an Juristen, Verbände, Unternehmer, Gewerkschaften, politische Interessierte im weitesten Sinne.
In elf Kapiteln geht der Verfasser der Frage nach, wie eine moderne und ausgewogene Arbeitsmarktpolitik in Deutschland gestaltet werden kann. Thüsing will "Perspektiven eines zukunftsfähigen Arbeitsrechts aufzeigen, dessen Ziel es ist, der Wirtschaft ein Gesicht zu geben und letztlich gute Arbeit zu gewährleisten". Dem Arbeitsrecht kommt eine wichtige Funktion zu, weil es den rechtlichen Rahmen bildet und für einen gerechten Ausgleich zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen zu sorgen hat. Der Verfasser konzentriert sich in seiner Darstellung auf die Schwerpunkte der aktuellen rechtspolitischen Diskussion. Analysiert werden auch die ökonomischen Folgen einzelner arbeitsmarktpolitischer Regelungen und deren historische Entstehungsbedingungen. Außerdem unterzieht der Autor die verschiedenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen einer sozialethischen Bewertung. Die vielen Verweise auf die Soziallehren der Kirchen machen die geistige Verortung des Verfassers deutlich und zeigen eindrucksvoll, dass die christlichen Soziallehren auch im 21. Jahrhundert wichtige Impulse und Erkenntnisse für die Fortentwicklung des Sozial- und Arbeitsrechts liefern können.
Ordnungspolitisch vertritt Thüsing eine vermittelnde Position: Arbeitsrecht versteht er in erster Linie als "Beschäftigungsrecht", das sowohl Arbeitnehmer- als auch Arbeitgeberinteressen genügen muss. Den arbeitsrechtlichen Brachialforderungen des Manchesterliberalismus erteilt der Verfasser ebenso eine klare Absage wie einer hypertrophischen Arbeitsrechtsgesetzgebung, die dem Arbeitgeber jeden Gestaltungsspielraum raubt. Denn die besten Arbeitsbedingungen sind, wie der Autor nachdrücklich betont, nutzlos, wenn die Wirtschaft unter den sozialen Lasten zusammenbricht, ihre Konkurrenzfähigkeit verliert und zur Arbeitslosigkeit führt.
So beleuchtet der Autor eine ganze Reihe aktueller "Baustellen" der Arbeitsrechtsordnung. Zur Sprache kommen unter anderem die Themen Mindestlohn, Leiharbeit, (Schein-)Werkverträge, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Folgen des demographischen Wandels auf den Arbeitsmarkt, Diskriminierungsschutz, die Notwendigkeit von Gewerkschaften und der Mitbestimmung, Tarifeinheit, Datenschutz, die soziale Dimension Europas und die Frage, was gute und schlechte Arbeitsrechtsgesetzgebung kennzeichnet.
Ohne Zweifel: Thüsing hat in seine Streitschrift viel hineingepackt. Besonders erhellend sind die gegen den Strich gebürsteten Problemanzeigen. So macht der Verfasser darauf aufmerksam, dass nicht die Leiharbeit an sich kritikwürdig sei, sondern nur deren Ausgestaltung. Eine Reform des Arbeitnehmerüberlassungsrechts müsse darauf zielen, Leiharbeitnehmer und Stammarbeitnehmer gleich zu behandeln und substitutive Leiharbeit einzugrenzen. Anregend sind Thüsings Empfehlungen zur Schaffung eines familienfreundlichen Arbeitsrechts. Eine konkrete Möglichkeit sieht der Autor in der stärkeren Berücksichtigung der Unterhaltspflichten bei der Sozialauswahl und bei Sozialplänen. Bedenkenswert ist sein Vorschlag, den bestehenden gesetzlichen Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit zu erweitern - durch die Gewährung des Rechts auf Mitsprache bei der Lage der Arbeitszeit.
An vielen Stellen spießt der Autor überaus treffsicher und pointiert die Widersprüche und Fehlleistungen der Arbeitsrechtsgesetzgebung auf. Als Beispiel für eine verfehlte Gesetzgebung bezieht sich Thüsing auf gesetzliche Neuregelung der Tarifeinheit. Neben handwerklichen Defiziten führt er massive verfassungsrechtliche Bedenken ins Feld. Überhaupt ist dem Verfasser ein handwerklich gutes Arbeitsrecht ein Herzensanliegen. Vom Gesetzgeber fordert Thüsing klar gefasste, systematisch aufgebaute, knappe Regelungen. Jede Form symbolischer Gesetzgebung ohne Rechtswirkungen stößt auf scharfe Ablehnung. Gutes Arbeitsrecht zeigt sich für Thüsing vor allem durch "mehr Mut zur Regelung". Er appelliert an den Gesetzgeber, erkannte Lücken schneller zu schließen und Fehler zu korrigieren.
Der Verfasser weist zu Recht darauf hin, dass weite Bereiche sowohl des Individual- als auch des Kollektivarbeitsrechts in Deutschland jeglicher gesetzlicher Normierung entbehren. An die Stelle des Gesetzgebers sei im Laufe der letzten Jahrzehnte notgedrungen die Rechtsfortbildung durch die Arbeitsgerichte getreten. Die Kodifikation des Arbeitskampfrechts oder des Arbeitsvertrages seien an den divergierenden Interessen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände und an der Schwäche des parlamentarischen Gesetzgebers gescheitert.
Insgesamt stellt die Streitschrift eine echte Bereicherung dar. Das Buch ist locker und leicht geschrieben, der Sprachduktus ist sachlich, elegant und unprätentiös. Ohne Verzicht auf juristische Prägnanz gelingt es Thüsing, komplizierte Sachverhalte und rechtliche Probleme auch für den juristischen Laien darzustellen. Die Lektüre regt zum Nach- und zum Weiterdenken ein. Das redliche Bemühen des Verfassers, bei seinen Überlegungen eine ausgewogene Balance zwischen den ökonomischen Herausforderungen und dem Schutz der Arbeitnehmerinteressen anzustreben, verdient Anerkennung.
RAINER MARIA KARDINAL WOELKI
Gregor Thüsing: Mit Arbeit spielt man nicht! Verlag Beck. München 2016. 192 Seiten. 19,80 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine ordnungspolitisch vermittelnde Streitschrift
Der Titel seines neuen Buches ist, wie Thüsing freimütig bekennt, gestohlen: "Col lavoro non si gioca - Mit Arbeit spielt man nicht". Mit diesen Worten kritisierte Papst Franziskus in einer Generalaudienz am 3. September 2014 den deutschen Stahl- und Industriegüterkonzern Thyssen-Krupp, der im Juli 2014 angekündigt hatte, in seinem süditalienischen Stahlwerk rund 550 der 2600 Stellen abzubauen. Wer Arbeitsplätze streiche, um mehr Geld zu verdienen, nehme den Menschen ihre Würde, so das Oberhaupt der katholischen Kirche. Mit Blick auf die sozialen Folgen sprach sich der Papst eindringlich dafür aus, Solidarität und Gerechtigkeit nicht auf dem Altar des Profits zu opfern. Diese Grundsatzkritik an bestimmten Erscheinungsformen des Kapitalismus bildet den Ausgangspunkt in Thüsings Streitschrift: Sie wendet sich an Juristen, Verbände, Unternehmer, Gewerkschaften, politische Interessierte im weitesten Sinne.
In elf Kapiteln geht der Verfasser der Frage nach, wie eine moderne und ausgewogene Arbeitsmarktpolitik in Deutschland gestaltet werden kann. Thüsing will "Perspektiven eines zukunftsfähigen Arbeitsrechts aufzeigen, dessen Ziel es ist, der Wirtschaft ein Gesicht zu geben und letztlich gute Arbeit zu gewährleisten". Dem Arbeitsrecht kommt eine wichtige Funktion zu, weil es den rechtlichen Rahmen bildet und für einen gerechten Ausgleich zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen zu sorgen hat. Der Verfasser konzentriert sich in seiner Darstellung auf die Schwerpunkte der aktuellen rechtspolitischen Diskussion. Analysiert werden auch die ökonomischen Folgen einzelner arbeitsmarktpolitischer Regelungen und deren historische Entstehungsbedingungen. Außerdem unterzieht der Autor die verschiedenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen einer sozialethischen Bewertung. Die vielen Verweise auf die Soziallehren der Kirchen machen die geistige Verortung des Verfassers deutlich und zeigen eindrucksvoll, dass die christlichen Soziallehren auch im 21. Jahrhundert wichtige Impulse und Erkenntnisse für die Fortentwicklung des Sozial- und Arbeitsrechts liefern können.
Ordnungspolitisch vertritt Thüsing eine vermittelnde Position: Arbeitsrecht versteht er in erster Linie als "Beschäftigungsrecht", das sowohl Arbeitnehmer- als auch Arbeitgeberinteressen genügen muss. Den arbeitsrechtlichen Brachialforderungen des Manchesterliberalismus erteilt der Verfasser ebenso eine klare Absage wie einer hypertrophischen Arbeitsrechtsgesetzgebung, die dem Arbeitgeber jeden Gestaltungsspielraum raubt. Denn die besten Arbeitsbedingungen sind, wie der Autor nachdrücklich betont, nutzlos, wenn die Wirtschaft unter den sozialen Lasten zusammenbricht, ihre Konkurrenzfähigkeit verliert und zur Arbeitslosigkeit führt.
So beleuchtet der Autor eine ganze Reihe aktueller "Baustellen" der Arbeitsrechtsordnung. Zur Sprache kommen unter anderem die Themen Mindestlohn, Leiharbeit, (Schein-)Werkverträge, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Folgen des demographischen Wandels auf den Arbeitsmarkt, Diskriminierungsschutz, die Notwendigkeit von Gewerkschaften und der Mitbestimmung, Tarifeinheit, Datenschutz, die soziale Dimension Europas und die Frage, was gute und schlechte Arbeitsrechtsgesetzgebung kennzeichnet.
Ohne Zweifel: Thüsing hat in seine Streitschrift viel hineingepackt. Besonders erhellend sind die gegen den Strich gebürsteten Problemanzeigen. So macht der Verfasser darauf aufmerksam, dass nicht die Leiharbeit an sich kritikwürdig sei, sondern nur deren Ausgestaltung. Eine Reform des Arbeitnehmerüberlassungsrechts müsse darauf zielen, Leiharbeitnehmer und Stammarbeitnehmer gleich zu behandeln und substitutive Leiharbeit einzugrenzen. Anregend sind Thüsings Empfehlungen zur Schaffung eines familienfreundlichen Arbeitsrechts. Eine konkrete Möglichkeit sieht der Autor in der stärkeren Berücksichtigung der Unterhaltspflichten bei der Sozialauswahl und bei Sozialplänen. Bedenkenswert ist sein Vorschlag, den bestehenden gesetzlichen Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit zu erweitern - durch die Gewährung des Rechts auf Mitsprache bei der Lage der Arbeitszeit.
An vielen Stellen spießt der Autor überaus treffsicher und pointiert die Widersprüche und Fehlleistungen der Arbeitsrechtsgesetzgebung auf. Als Beispiel für eine verfehlte Gesetzgebung bezieht sich Thüsing auf gesetzliche Neuregelung der Tarifeinheit. Neben handwerklichen Defiziten führt er massive verfassungsrechtliche Bedenken ins Feld. Überhaupt ist dem Verfasser ein handwerklich gutes Arbeitsrecht ein Herzensanliegen. Vom Gesetzgeber fordert Thüsing klar gefasste, systematisch aufgebaute, knappe Regelungen. Jede Form symbolischer Gesetzgebung ohne Rechtswirkungen stößt auf scharfe Ablehnung. Gutes Arbeitsrecht zeigt sich für Thüsing vor allem durch "mehr Mut zur Regelung". Er appelliert an den Gesetzgeber, erkannte Lücken schneller zu schließen und Fehler zu korrigieren.
Der Verfasser weist zu Recht darauf hin, dass weite Bereiche sowohl des Individual- als auch des Kollektivarbeitsrechts in Deutschland jeglicher gesetzlicher Normierung entbehren. An die Stelle des Gesetzgebers sei im Laufe der letzten Jahrzehnte notgedrungen die Rechtsfortbildung durch die Arbeitsgerichte getreten. Die Kodifikation des Arbeitskampfrechts oder des Arbeitsvertrages seien an den divergierenden Interessen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände und an der Schwäche des parlamentarischen Gesetzgebers gescheitert.
Insgesamt stellt die Streitschrift eine echte Bereicherung dar. Das Buch ist locker und leicht geschrieben, der Sprachduktus ist sachlich, elegant und unprätentiös. Ohne Verzicht auf juristische Prägnanz gelingt es Thüsing, komplizierte Sachverhalte und rechtliche Probleme auch für den juristischen Laien darzustellen. Die Lektüre regt zum Nach- und zum Weiterdenken ein. Das redliche Bemühen des Verfassers, bei seinen Überlegungen eine ausgewogene Balance zwischen den ökonomischen Herausforderungen und dem Schutz der Arbeitnehmerinteressen anzustreben, verdient Anerkennung.
RAINER MARIA KARDINAL WOELKI
Gregor Thüsing: Mit Arbeit spielt man nicht! Verlag Beck. München 2016. 192 Seiten. 19,80 Euro
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Die FAZ hatte die mehr oder weniger gute Idee, das vorliegende Buch über Arbeitsmarkt und Arbeitsethik vom Kardinal Rainer Maria Woelki besprechen zu lassen - das alles wohl, weil der Titel des Buchs auf einen Ausspruch von Papst Franziskus anspielt. Woelkis Kritik liest sich so trocken wie das hier in Rede stehende Fachgebiet und am Ende etwas gutachterhaft. Der Kardinal macht aber glaubhaft, dass hier eine gute Aufschlüsselung aktueller Problematiken des Arbeitsrechts vorliegt. Er lobt den Verfasser, der einen gerechten Ausgleich zwischen Arbeitnehmer- und -geberinteressen suche, und er folgt der Kritik des Verfassers am immer schwächeren Gesetzgeber, der immer mehr konkrete Rechtsfindung den Gerichten überlasse. Insgesamt ein sehr lesenswertes Buch, auch in ethischer Hinsicht, so der Kardinal.
© Perlentaucher Medien GmbH
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