Eine irrsinnige Solo-Expedition: 9.000 Kilometer auf dem Iron Curtain Trail von der Arktischen See ans Schwarze Meer - mit einem DDR-Klapprad.
Tim Moore, bereits als extrem tollkühner und -patschiger Held etlicher urkomischer Abenteuertrips in Erscheinung getreten, erklimmt einen neuen Gipfel des leichtsinnigen Übermuts. Er nimmt sich vor, die 9.000 Kilometer entlang des einstigen Eisernen Vorhangs abzuradeln, und setzt sich dazu auf ein altes DDR-Klapprad mit mickrigen 20-Zoll-Laufrädern und lächerlichen zwei Gängen. Bekannt dafür, keiner Unannehmlichkeit aus dem Weg zu gehen (und jeder Unannehmlichkeit zu begegnen), beginnt er seine Reise am nördlichsten Punkt der russisch-norwegischen Grenze genau rechtzeitig, um den brutalen Zenit des arktischen Winters zu erleben und sein tapferes MIFA 904 fortan durch die endlose Eishölle der finnischen Tundra prügeln zu dürfen.
Moore schläft in Banktresoren, herrschaftlichen Palästen und original erhaltenen sowjetischen Jugendherbergen, er schlägt sich mit wodka-befeuerter Feindseligkeit, rumänischen Erdrutschen und einer überaus knödellastigen Diät herum. Aber der Abenteurer aus England und sein niedliches Fahrrad aus volkseigener Produktion halten durch - dank der Gastfreundschaft von lappländischen Rentierzüchtern und serbischen Rockstars sowie den magischen Segnungen eines deutschen Energydrinks. Und irgendwann, nach drei Monaten, zwanzig durchquerten Ländern und einem Temperatursprung um 58 Grad Celsius, holpern die beiden tatsächlich an ihr Ziel, die bulgarische Schwarzmeerküste - spürbar älter und weiser geworden, aber vor allem älter.
Tim Moore, bereits als extrem tollkühner und -patschiger Held etlicher urkomischer Abenteuertrips in Erscheinung getreten, erklimmt einen neuen Gipfel des leichtsinnigen Übermuts. Er nimmt sich vor, die 9.000 Kilometer entlang des einstigen Eisernen Vorhangs abzuradeln, und setzt sich dazu auf ein altes DDR-Klapprad mit mickrigen 20-Zoll-Laufrädern und lächerlichen zwei Gängen. Bekannt dafür, keiner Unannehmlichkeit aus dem Weg zu gehen (und jeder Unannehmlichkeit zu begegnen), beginnt er seine Reise am nördlichsten Punkt der russisch-norwegischen Grenze genau rechtzeitig, um den brutalen Zenit des arktischen Winters zu erleben und sein tapferes MIFA 904 fortan durch die endlose Eishölle der finnischen Tundra prügeln zu dürfen.
Moore schläft in Banktresoren, herrschaftlichen Palästen und original erhaltenen sowjetischen Jugendherbergen, er schlägt sich mit wodka-befeuerter Feindseligkeit, rumänischen Erdrutschen und einer überaus knödellastigen Diät herum. Aber der Abenteurer aus England und sein niedliches Fahrrad aus volkseigener Produktion halten durch - dank der Gastfreundschaft von lappländischen Rentierzüchtern und serbischen Rockstars sowie den magischen Segnungen eines deutschen Energydrinks. Und irgendwann, nach drei Monaten, zwanzig durchquerten Ländern und einem Temperatursprung um 58 Grad Celsius, holpern die beiden tatsächlich an ihr Ziel, die bulgarische Schwarzmeerküste - spürbar älter und weiser geworden, aber vor allem älter.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.05.2018Verrückte Raupe
Der Iron Curtain Trail ist ein fast zehntausend Kilometer langer Radweg entlang des einstigen Eisernen Vorhangs. Der Brite Tim Moore ist ihn gefahren, von der Barentssee bis zum Schwarzen Meer, durch zwanzig Länder hindurch. Vorige Reisen zeigten bereits seinen Hang zu Originalität, er wanderte mit einem Esel auf dem Jakobsweg, reiste durch Europa, um alle Eurovision-Song-Contest-Teilnehmer zu treffen, die null Punkte ersungen hatten, und fuhr mit einem hundert Jahre alten Rad mit Holzfelgen den Giro d'Italia von 1914 nach. Für diese Tour stieg Moore auf ein DDR-Klapprad Mifa 904, mit zwei Gängen und 20-Zoll-Reifen. Seine Reise beginnt im März in Kirkenes, also im Tiefschnee. Da schütteln sogar die Finnen fassungslos den Kopf. Moore ist ein Blödelmeister, er lässt keinen Kalauer aus. Hat man sich darauf einmal eingelesen, ist das Buch wirklich lustig. Denn Moore nimmt sich selbst nicht so wichtig, beschreibt die Mühsal mehr als das Heldentum, das sorgt meist für Lesegenuss. Manchmal drehen sich die Sätze vor lauter Launigkeit in endlosen Schleifen, aber meist kriegt er die Kurve. Moore, Jahrgang 1964, ist ein Kind des Kalten Krieges und zeigt sich noch immer fassungslos darüber, dass er heute über all diese Grenzen mit dem Fahrrad hin- und herfahren kann. Er singt das Hohelied auf Europa, und jenseits der Blödeleien vermittelt er Hintergrundwissen über die bereisten Länder und die Kriege entlang der Grenzen. Wie etwa der sogenannte Winterkrieg, die verlustreiche Katastrophe von 1939 zwischen Russland und Finnland. Das Kernstück führt ihn entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Wie ein Anthropologe - nur eben lustig - seziert Moore deutsche Befindlichkeiten und Gewohnheiten: dunkles Holz, Bierglas mit Goldrand und Schnitzel von der Größe einer Satellitenschüssel. Und kaum jemand entlang dieses Abschnitts spricht Englisch, dafür findet er tipptopp gepflegte Häuschen mit Reetdächern auf dem Darß, Raucher allerorten und Radwege sonder Zahl. Am Ende steht Moore am Schwarzen Meer, und der Leser hat etwas gelernt und sich amüsiert.
bär
"Mit dem Klapprad in die Kälte. Abenteuer auf dem Iron Curtain Trail" von Tim Moore. Covadonga Verlag, Bielefeld 2017. 320 Seiten, einige Fotos. Broschiert, 14,80 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Iron Curtain Trail ist ein fast zehntausend Kilometer langer Radweg entlang des einstigen Eisernen Vorhangs. Der Brite Tim Moore ist ihn gefahren, von der Barentssee bis zum Schwarzen Meer, durch zwanzig Länder hindurch. Vorige Reisen zeigten bereits seinen Hang zu Originalität, er wanderte mit einem Esel auf dem Jakobsweg, reiste durch Europa, um alle Eurovision-Song-Contest-Teilnehmer zu treffen, die null Punkte ersungen hatten, und fuhr mit einem hundert Jahre alten Rad mit Holzfelgen den Giro d'Italia von 1914 nach. Für diese Tour stieg Moore auf ein DDR-Klapprad Mifa 904, mit zwei Gängen und 20-Zoll-Reifen. Seine Reise beginnt im März in Kirkenes, also im Tiefschnee. Da schütteln sogar die Finnen fassungslos den Kopf. Moore ist ein Blödelmeister, er lässt keinen Kalauer aus. Hat man sich darauf einmal eingelesen, ist das Buch wirklich lustig. Denn Moore nimmt sich selbst nicht so wichtig, beschreibt die Mühsal mehr als das Heldentum, das sorgt meist für Lesegenuss. Manchmal drehen sich die Sätze vor lauter Launigkeit in endlosen Schleifen, aber meist kriegt er die Kurve. Moore, Jahrgang 1964, ist ein Kind des Kalten Krieges und zeigt sich noch immer fassungslos darüber, dass er heute über all diese Grenzen mit dem Fahrrad hin- und herfahren kann. Er singt das Hohelied auf Europa, und jenseits der Blödeleien vermittelt er Hintergrundwissen über die bereisten Länder und die Kriege entlang der Grenzen. Wie etwa der sogenannte Winterkrieg, die verlustreiche Katastrophe von 1939 zwischen Russland und Finnland. Das Kernstück führt ihn entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Wie ein Anthropologe - nur eben lustig - seziert Moore deutsche Befindlichkeiten und Gewohnheiten: dunkles Holz, Bierglas mit Goldrand und Schnitzel von der Größe einer Satellitenschüssel. Und kaum jemand entlang dieses Abschnitts spricht Englisch, dafür findet er tipptopp gepflegte Häuschen mit Reetdächern auf dem Darß, Raucher allerorten und Radwege sonder Zahl. Am Ende steht Moore am Schwarzen Meer, und der Leser hat etwas gelernt und sich amüsiert.
bär
"Mit dem Klapprad in die Kälte. Abenteuer auf dem Iron Curtain Trail" von Tim Moore. Covadonga Verlag, Bielefeld 2017. 320 Seiten, einige Fotos. Broschiert, 14,80 Euro.
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