Frankreich, August 1940: Der junge amerikanische Journalist Varian Fry erhält vom Emergency Rescue Committee in Marseille den Auftrag, 200 verfolgten Künstlern die Ausreise in die USA zu ermöglichen. Die Arbeit Frys ist illegal und brandgefährlich, denn das Vichy-Regime hat sich verpflichtet, Gegner des Nationalsozialismus an die deutsche Regierung auszuliefern. Unter Einsatz seines Lebens verhilft er im Verlauf eines Jahres fast 2000 Menschen, vor allem Künstlern und Intellektuellen, aber auch vielen Unbekannten, zur Flucht vor den Nazis. Eveline Hasler erzählt die Geschichte dieses "amerikanischen Schindlers" und seiner Helfer mit großer Eindringlichkeit - ein mitreißendes Geschichtsdrama.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.04.2013Dokufiktives mit Varian Fry
Was ein Roman ist, lässt sich so einfach nicht sagen. Was doch keiner ist, aber manchmal schon. Eveline Hasler hat gerade ein Buch über Varian Fry vorgelegt ("Mit dem letzten Schiff". Der gefährliche Auftrag von Varian Fry. Nagel & Kimche im Hanser Verlag, München 2013. 219 S., geb., 15,99 [Euro]). Es erzählt über weite Strecken, wie der junge amerikanische Verlagsmann und Journalist Varian Fry - er hatte auf einer Reise nach Deutschland in den dreißiger Jahren einen Eindruck von den Methoden der Nationalsozialisten bekommen - im Auftrag des New Yorker "Emergency Rescue Committee" zwischen August 1940 und September 1941 Hunderten von politischen Flüchtlingen, die nach der Niederlage Frankreichs in dessen unbesetzte Zone im Süden geflohen waren, den letzten noch möglichen Ausweg nach den Vereinigten Staaten bahnte - mit unermüdlichem Einsatz, Improvisationstalent und gut dosierter Unerschrockenheit.
Über diese dreizehn Monate in Marseille hat Fry einen Bericht in Buchform geschrieben, der noch vor Ende des Kriegs erschien: "Auslieferung auf Verlangen" ist eine wichtige Quelle, die Eveline Hasler für ihre eigene Darstellung benützt, neben Erinnerungen von Mitarbeitern und Unterstützern Frys. Es liegen auch biographische Versuche über Fry vor und einige Berichte und Bücher über die Hilfsaktionen für die Flüchtlinge im Süden Frankreichs.
Eveline Hasler hat diese Darstellungen vermutlich gelesen, die Quellen gesichtet und sich von Justus Rosenberg, der Botenjunge Frys in Marseille war, dessen Geschichte erzählen lassen. Doch sie führt ihre Quellen - eine Danksagung an Rosenberg ausgenommen - nicht an. Bei einem Sachbuch wäre das unmöglich. Doch das Buch firmiert ausweislich des Umschlags als Roman. Auf der Rückseite wird die Autorin zudem als Virtuosin des "dokumentarischen Romans" vorgestellt.
Allerdings wird schnell klar, dass es ihr nicht um einen Text geht, dessen literarischer Anspruch sich von den verwendeten Quellen losmacht. Oder anders formuliert: Es ist nicht zu sehen, dass Literatur hier wesentlich anders über die Quellen hinausragte als in Form von Sätzen wie: "Die lähmende Wärme der Abendsonne wurde im engen Raum spürbar" oder "Fry bewunderte die Art, wie sie" - nämlich Alma Mahler-Werfel - "jetzt ihre ausdrucksvollen Augen auf ihn richtete". Es bietet sich also eher an, das Buch als "Dokufiktion" anzusehen. Nur kann der Film, der diese Gattung pflegt, nicht so verfahren, wie es das entsprechende Buch durchaus tun könnte, sofern es sich nicht als Roman gäbe: Nämlich zu erkennen geben, welche Quellen hauptsächlich und in welcher Form in eine bestimmte Szene eingegangen sind. Auf diese Weise könnte der Leser erst beurteilen, was er liest.
Als Roman jedenfalls ist Eveline Haslers Buch, so gut es gemeint und so geschickt es montiert sein mag, nicht von Bedeutung, während als Dokumentation nur gelten kann, was auf seine Quellen hin durchsichtig bleibt. Man sollte sich letzteres nicht unter Berufung auf ein literarisches Genre sparen, mit dem man ansonsten nichts am Hut hat.
HELMUT MAYER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Was ein Roman ist, lässt sich so einfach nicht sagen. Was doch keiner ist, aber manchmal schon. Eveline Hasler hat gerade ein Buch über Varian Fry vorgelegt ("Mit dem letzten Schiff". Der gefährliche Auftrag von Varian Fry. Nagel & Kimche im Hanser Verlag, München 2013. 219 S., geb., 15,99 [Euro]). Es erzählt über weite Strecken, wie der junge amerikanische Verlagsmann und Journalist Varian Fry - er hatte auf einer Reise nach Deutschland in den dreißiger Jahren einen Eindruck von den Methoden der Nationalsozialisten bekommen - im Auftrag des New Yorker "Emergency Rescue Committee" zwischen August 1940 und September 1941 Hunderten von politischen Flüchtlingen, die nach der Niederlage Frankreichs in dessen unbesetzte Zone im Süden geflohen waren, den letzten noch möglichen Ausweg nach den Vereinigten Staaten bahnte - mit unermüdlichem Einsatz, Improvisationstalent und gut dosierter Unerschrockenheit.
Über diese dreizehn Monate in Marseille hat Fry einen Bericht in Buchform geschrieben, der noch vor Ende des Kriegs erschien: "Auslieferung auf Verlangen" ist eine wichtige Quelle, die Eveline Hasler für ihre eigene Darstellung benützt, neben Erinnerungen von Mitarbeitern und Unterstützern Frys. Es liegen auch biographische Versuche über Fry vor und einige Berichte und Bücher über die Hilfsaktionen für die Flüchtlinge im Süden Frankreichs.
Eveline Hasler hat diese Darstellungen vermutlich gelesen, die Quellen gesichtet und sich von Justus Rosenberg, der Botenjunge Frys in Marseille war, dessen Geschichte erzählen lassen. Doch sie führt ihre Quellen - eine Danksagung an Rosenberg ausgenommen - nicht an. Bei einem Sachbuch wäre das unmöglich. Doch das Buch firmiert ausweislich des Umschlags als Roman. Auf der Rückseite wird die Autorin zudem als Virtuosin des "dokumentarischen Romans" vorgestellt.
Allerdings wird schnell klar, dass es ihr nicht um einen Text geht, dessen literarischer Anspruch sich von den verwendeten Quellen losmacht. Oder anders formuliert: Es ist nicht zu sehen, dass Literatur hier wesentlich anders über die Quellen hinausragte als in Form von Sätzen wie: "Die lähmende Wärme der Abendsonne wurde im engen Raum spürbar" oder "Fry bewunderte die Art, wie sie" - nämlich Alma Mahler-Werfel - "jetzt ihre ausdrucksvollen Augen auf ihn richtete". Es bietet sich also eher an, das Buch als "Dokufiktion" anzusehen. Nur kann der Film, der diese Gattung pflegt, nicht so verfahren, wie es das entsprechende Buch durchaus tun könnte, sofern es sich nicht als Roman gäbe: Nämlich zu erkennen geben, welche Quellen hauptsächlich und in welcher Form in eine bestimmte Szene eingegangen sind. Auf diese Weise könnte der Leser erst beurteilen, was er liest.
Als Roman jedenfalls ist Eveline Haslers Buch, so gut es gemeint und so geschickt es montiert sein mag, nicht von Bedeutung, während als Dokumentation nur gelten kann, was auf seine Quellen hin durchsichtig bleibt. Man sollte sich letzteres nicht unter Berufung auf ein literarisches Genre sparen, mit dem man ansonsten nichts am Hut hat.
HELMUT MAYER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Fast alles, was in literarischen Kreisen hierzulande ein wenig anrüchig ist, beherrscht sie mit grosser Virtuosität: Das Melodramatische verbindet sie mit Unterhaltung, das Faktische schmückt sie mit Fiktion aus, das psychologisch Komplexe reduziert sie ins eingängig Bildhafte. (...) Zu ihrem achtzigsten Geburtstag hat die Grand Old Lady des historischen Romans abermals einen Stoff gefunden, der ganz ihrem Temperament entspricht. In ihrem Buch "Mit dem letzten Schiff" erzählt sie (...) nichts Neues, aber sie erzählt es so, wie wir es noch nicht gelesen haben. (...) Entstanden ist ein ebenso berührendes wie packendes Buch." Roman Bucheli, Neue Zürcher Zeitung, 22.03.2013
"Eindringlich, bewegend und unpathetisch schildert die Schweizer Autorin Eveline Hasler Verzweiflung und Ängste der Flüchtlinge, die aufopfernde Arbeit Frys sowie Hoffnung und Menschlichkeit in Zeiten des Grauens." Guy Lang, Sonntagszeitung, 10.02.13
"Ein spannendes Porträt - und ein bedrückendes Zeitbild. Die Autorin versteht es, einzelne Schützlinge Frys scharf, fast karikaturhaft herauszuarbeiten (...) und ein komplexes Handlungsgeflecht leicht lesbar zu machen." Tina Uhlmann, Berner Zeitung, 31.01.13
"Eveline Hasler setzt in ihrem neuen Buch dem Amerikaner Varian Fry ein Denkmal." Rolf App, St. Galler Tagblatt, 04.02.13
"Eveline Hasler ist bekannt für die Aufarbeitung historischer Stoffe. Sie tut dies auch hier faktengetreu. (...) Und es gelingt ihr, dieses dunkle Kapitel der jüngeren Geschichte in Romanform - spannend, leicht lesbar und trotzdem berührend - zu beleuchten. Für alle, die es nicht vergessen wollen." Sonja Kolb, dapd, 14.02.13
"Eveline Hasler hat diesem "introvertierten Rebellen" Varian Fry ein beherztes Denkmal gesetzt." Alexander Sury, Der Bund, 07.02.13
"Eveline Hasler greift einzelne Persönlichkeiten heraus, schildert deren Situation, schlüpft regelrecht in ihre Köpfe und lässt damit ihr Publikum unmittelbar am Geschehen teilnehmen." Luzia Stettler, SRF1 Buchzeichen, 27.01.13
"Eine überaus geglückte Einstiegslektüre in das Thema Verfolgung und Rettung und eine wunderbare Huldigung an den Mut jener Menschen, die damals zu helfen wagten." Gabriele von Arnim, Norddeutscher Rundfunk, Bücherwelt, 26.03.13
"Eindringlich, bewegend und unpathetisch schildert die Schweizer Autorin Eveline Hasler Verzweiflung und Ängste der Flüchtlinge, die aufopfernde Arbeit Frys sowie Hoffnung und Menschlichkeit in Zeiten des Grauens." Guy Lang, Sonntagszeitung, 10.02.13
"Ein spannendes Porträt - und ein bedrückendes Zeitbild. Die Autorin versteht es, einzelne Schützlinge Frys scharf, fast karikaturhaft herauszuarbeiten (...) und ein komplexes Handlungsgeflecht leicht lesbar zu machen." Tina Uhlmann, Berner Zeitung, 31.01.13
"Eveline Hasler setzt in ihrem neuen Buch dem Amerikaner Varian Fry ein Denkmal." Rolf App, St. Galler Tagblatt, 04.02.13
"Eveline Hasler ist bekannt für die Aufarbeitung historischer Stoffe. Sie tut dies auch hier faktengetreu. (...) Und es gelingt ihr, dieses dunkle Kapitel der jüngeren Geschichte in Romanform - spannend, leicht lesbar und trotzdem berührend - zu beleuchten. Für alle, die es nicht vergessen wollen." Sonja Kolb, dapd, 14.02.13
"Eveline Hasler hat diesem "introvertierten Rebellen" Varian Fry ein beherztes Denkmal gesetzt." Alexander Sury, Der Bund, 07.02.13
"Eveline Hasler greift einzelne Persönlichkeiten heraus, schildert deren Situation, schlüpft regelrecht in ihre Köpfe und lässt damit ihr Publikum unmittelbar am Geschehen teilnehmen." Luzia Stettler, SRF1 Buchzeichen, 27.01.13
"Eine überaus geglückte Einstiegslektüre in das Thema Verfolgung und Rettung und eine wunderbare Huldigung an den Mut jener Menschen, die damals zu helfen wagten." Gabriele von Arnim, Norddeutscher Rundfunk, Bücherwelt, 26.03.13