Einer der letzten Menschheitsträume ist wahr geworden: mit dem Ballon nonstop um den Globus zu fahren, nur mit dem Wind als Helfer. Die besten Ballonfahrer haben es versucht - Bertrand Piccard und Brian Jones ist es gelungen. Im Kampf gegen schlechtes Wetter, widrige Winde, Hitze und Kälte arbeiteten sie sich mit Hilfe der Meteorologen voran. Hier erzählen die beiden Helden die Geschichte dieses Abenteuers.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.02.2000Mit Budweisers Geld im Ballon um die Welt
Bertrand Piccard und Brian Jones haben in ihrem „Breitling Orbiter 3” den Nonstop-Flug geschafft und eine Philosophie dabei entdeckt
Das war die letzte Herausforderung der Luftfahrt, vielleicht die größte – die Reise um die ganze Welt. Nun ist sie tatsächlich noch gelungen, im März 1999, kurz vor dem Ende des vorigen Jahrhunderts – ein globales Projekt, das in einzigartiger Weise modernste Technik mit der Poesie des Windes verband.
Der spiritus rector des Unternehmens, dem fünf Jahre Planung und Fehlversuche vorausgingen, ist der 1958 geborene Schweizer Bertrand Piccard – erblich gewissermaßen vorbelastet, durch seinen Großvater Auguste, der 1931 mit einer Druckgondel und einem Ballon in die Stratosphäre vordrang und als erster Mensch die Erdkrümmung mit eigenen Augen wahrnahm, und durch den Vater Jacques, der 1960 mit einem Tauchboot an die tiefste Stelle der Ozeane vordrang.
Die Erdumrundung führte nicht nur das Material, sondern auch die teilnehmenden Menschen an die Grenze der Belastbarkeit – so ist der Arzt und Psychiater Piccard gerade der richtige, um darüber zu berichten. Ihm wird dabei assistiert von seinem britischen Kopiloten Brian Jones, geboren 1947, der als Profiballonfahrer die technischen Abläufe erklärt – worbei ein fesselnder Dialog sich entwickelt.
Seit den Tagen von Jules Verne kommen abenteuerliche Fernreisen eher in Kinderträumen vor. Heute bevölkert allerlei Fluggerät von Hobbypiloten den Himmel und interstellare Flüge gehören so zum Alltag, dass dem Laien zunächst unklar ist, worin das Wagnis einer Weltreise im Ballon eigentlich liegt. Dass der Flug nonstop erfolgen muss, darin liegt das entscheidende Problem – für dessen Lösung die amerikanische Budweiser-Brauerei immerhin ein Preisgeld von einer Million Dollar ausgelobt hatte.
Neun Tonnen schwer ist das Gefährt, nach dem Sponsor und nach zwei Vorgängermodellen Breitling Orbiter 3 genannt, welches sich mit Hilfe von Helium über die Wetterzonen hinaus bis in 10 000 Meter Höhe erheben muss, um dort jene günstigen Luftströmungen zu erreichen, die es, wenn alles planmäßig verläuft, in zirka 20 Tagen ungefähr den Äquator entlang um den Globus tragen können. Der Ballon, ein überdimensionales Ausrufezeichen, das mit 50 Metern höher ist als der Schiefe Turm von Pisa, bewegt sich bei normaler Fahrt in völliger Ruhe. Nachts kühlt er soweit ab, dass er sinkt, während er tagsüber durch Sonneneinstrahlung sich erhitzt und wieder steigt. Die demnach wellenförmige Vorwärtsbewegung kann nur durch ständige Propangasfeuerung bzw. durch das Ablassen von Helium stabilisiert werden. Der jähe Temperaturwechsel lässt überdies die Guckfenster vereisen, so dass die Fahrt teilweise zum Blindflug wird. Eine Kursänderung erfolgt überhaupt nur dadurch, dass der Ballon neue Luftschichten erreicht, die oft ganz dicht beieinander liegen. Diese zu ermitteln, war die Aufgabe von Meteorologen, die vom Schweizer Kontrollzentrum aus in ununterbrochenem Funkkontakt mit dem Orbiter standen. Weiterhin mussten Fluglotsen zahlreiche Linienflüge umdirigieren und Überflugrechte einholen.
Obwohl es niemals zu Bodenkontakt kommen durfte, sorgen die überflogenen Länder für große Hindernisse und verraten dabei so manche Eigenheiten ihrer Bewohner. Über dem Irak lässt Saddam Hussein melden, er wünsche guten Flug, könne allerdings leider nicht für die Sicherheit des Luftraums garantieren. Dabei verstehen sich die Ballonfahrer, angewiesen auf weltweite Kommunikation, als Botschafter der olympischen Friedensidee, weshalb sie auch im Auftrag des IOC allen 190 überflogenen Staaten per Fax Grüße der Verbundenheit ausrichten.
Spannend wird die Reise nicht nur durch die Bewältigung der technischen und menschlichen Probleme – jeder Klogang führt zum Druckabfall der Kabine. Auch Rivalen haben sich, wie könnte es anders sein, eingeschaltet. Sie scheitern jedoch kurz vor dem Ziel. Und trotz dramatischer Turbulenzen bleibt noch Zeit zum Nachdenken, über den Sinn des Unternehmens etwa, oder über das Glück, das sich einstellt, wenn die Distanz zu den Niederungen den Blick schärft für die Schönheit der Erde. Wer sich dem Wind anvertraut, kann die stoische Philosophie gleichsam unmittelbar erfahren. Leben bedeutet, nach Piccard, nicht ständig nach Sicherheit zu streben, sondern dem „Unbekannten ins Auge zu sehen. Dann muss man in sich den Mut und die Kraft finden, mit dem, was vor einem liegt, fertig zu werden. ” Die Erde, könnte man nach diesen Abenteuern meinen, ist deshalb rund, damit sich die positiven Gedanken in alle Richtungen ausbreiten können.
HERIBERT HOVEN
BERTRAND PICCARD, BRIAN JONES: Mit dem Wind um die Welt. Aus dem Englischen von Anja Hansen-Schmidt und Thomas Pfeiffer. Malik Verlag, München 1999. 397 Seiten, Abb. , 39,80 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Bertrand Piccard und Brian Jones haben in ihrem „Breitling Orbiter 3” den Nonstop-Flug geschafft und eine Philosophie dabei entdeckt
Das war die letzte Herausforderung der Luftfahrt, vielleicht die größte – die Reise um die ganze Welt. Nun ist sie tatsächlich noch gelungen, im März 1999, kurz vor dem Ende des vorigen Jahrhunderts – ein globales Projekt, das in einzigartiger Weise modernste Technik mit der Poesie des Windes verband.
Der spiritus rector des Unternehmens, dem fünf Jahre Planung und Fehlversuche vorausgingen, ist der 1958 geborene Schweizer Bertrand Piccard – erblich gewissermaßen vorbelastet, durch seinen Großvater Auguste, der 1931 mit einer Druckgondel und einem Ballon in die Stratosphäre vordrang und als erster Mensch die Erdkrümmung mit eigenen Augen wahrnahm, und durch den Vater Jacques, der 1960 mit einem Tauchboot an die tiefste Stelle der Ozeane vordrang.
Die Erdumrundung führte nicht nur das Material, sondern auch die teilnehmenden Menschen an die Grenze der Belastbarkeit – so ist der Arzt und Psychiater Piccard gerade der richtige, um darüber zu berichten. Ihm wird dabei assistiert von seinem britischen Kopiloten Brian Jones, geboren 1947, der als Profiballonfahrer die technischen Abläufe erklärt – worbei ein fesselnder Dialog sich entwickelt.
Seit den Tagen von Jules Verne kommen abenteuerliche Fernreisen eher in Kinderträumen vor. Heute bevölkert allerlei Fluggerät von Hobbypiloten den Himmel und interstellare Flüge gehören so zum Alltag, dass dem Laien zunächst unklar ist, worin das Wagnis einer Weltreise im Ballon eigentlich liegt. Dass der Flug nonstop erfolgen muss, darin liegt das entscheidende Problem – für dessen Lösung die amerikanische Budweiser-Brauerei immerhin ein Preisgeld von einer Million Dollar ausgelobt hatte.
Neun Tonnen schwer ist das Gefährt, nach dem Sponsor und nach zwei Vorgängermodellen Breitling Orbiter 3 genannt, welches sich mit Hilfe von Helium über die Wetterzonen hinaus bis in 10 000 Meter Höhe erheben muss, um dort jene günstigen Luftströmungen zu erreichen, die es, wenn alles planmäßig verläuft, in zirka 20 Tagen ungefähr den Äquator entlang um den Globus tragen können. Der Ballon, ein überdimensionales Ausrufezeichen, das mit 50 Metern höher ist als der Schiefe Turm von Pisa, bewegt sich bei normaler Fahrt in völliger Ruhe. Nachts kühlt er soweit ab, dass er sinkt, während er tagsüber durch Sonneneinstrahlung sich erhitzt und wieder steigt. Die demnach wellenförmige Vorwärtsbewegung kann nur durch ständige Propangasfeuerung bzw. durch das Ablassen von Helium stabilisiert werden. Der jähe Temperaturwechsel lässt überdies die Guckfenster vereisen, so dass die Fahrt teilweise zum Blindflug wird. Eine Kursänderung erfolgt überhaupt nur dadurch, dass der Ballon neue Luftschichten erreicht, die oft ganz dicht beieinander liegen. Diese zu ermitteln, war die Aufgabe von Meteorologen, die vom Schweizer Kontrollzentrum aus in ununterbrochenem Funkkontakt mit dem Orbiter standen. Weiterhin mussten Fluglotsen zahlreiche Linienflüge umdirigieren und Überflugrechte einholen.
Obwohl es niemals zu Bodenkontakt kommen durfte, sorgen die überflogenen Länder für große Hindernisse und verraten dabei so manche Eigenheiten ihrer Bewohner. Über dem Irak lässt Saddam Hussein melden, er wünsche guten Flug, könne allerdings leider nicht für die Sicherheit des Luftraums garantieren. Dabei verstehen sich die Ballonfahrer, angewiesen auf weltweite Kommunikation, als Botschafter der olympischen Friedensidee, weshalb sie auch im Auftrag des IOC allen 190 überflogenen Staaten per Fax Grüße der Verbundenheit ausrichten.
Spannend wird die Reise nicht nur durch die Bewältigung der technischen und menschlichen Probleme – jeder Klogang führt zum Druckabfall der Kabine. Auch Rivalen haben sich, wie könnte es anders sein, eingeschaltet. Sie scheitern jedoch kurz vor dem Ziel. Und trotz dramatischer Turbulenzen bleibt noch Zeit zum Nachdenken, über den Sinn des Unternehmens etwa, oder über das Glück, das sich einstellt, wenn die Distanz zu den Niederungen den Blick schärft für die Schönheit der Erde. Wer sich dem Wind anvertraut, kann die stoische Philosophie gleichsam unmittelbar erfahren. Leben bedeutet, nach Piccard, nicht ständig nach Sicherheit zu streben, sondern dem „Unbekannten ins Auge zu sehen. Dann muss man in sich den Mut und die Kraft finden, mit dem, was vor einem liegt, fertig zu werden. ” Die Erde, könnte man nach diesen Abenteuern meinen, ist deshalb rund, damit sich die positiven Gedanken in alle Richtungen ausbreiten können.
HERIBERT HOVEN
BERTRAND PICCARD, BRIAN JONES: Mit dem Wind um die Welt. Aus dem Englischen von Anja Hansen-Schmidt und Thomas Pfeiffer. Malik Verlag, München 1999. 397 Seiten, Abb. , 39,80 Mark.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.12.1999Weltreisen
"Mit dem Wind um die Welt" von Bertrand Piccard und Brian Jones. Malik-Piper Verlag, München 1999. 397 Seiten, sechzig Farbfotografien, eine Karte. Gebunden, 39,80 Mark. ISBN 3-89029-145-7.
Es war kein überflüssiger Rekord, den Bertrand Piccard und Brian Jones im März dieses Jahres aufgestellt haben. Den Luftverkehr wird es zwar schwerlich revolutionieren, dass sie zwanzig Tage in der Kabine ihres Heißluftballons "Breitling Orbiter 3" durchhielten und eine Strecke von 40 813 Kilometern zurücklegten, kurz: dass sie als erste Menschen die Erde mit einem Ballon umrundeten. Aber für unsere Träume ist ihre Reise von unschätzbarem Wert. Denn sie beweist, dass man mit dem Wort "unmöglich" nicht vorsichtig genug umgehen kann. "The Greatest Adventure" heisst das Buch der beiden Aeronauten im Original, eine doppelte Ich-Erzählung, in der sie die vielen Jahre der Vorbereitung und die drei Wochen in der Kapsel minutiös beschreiben. Dennoch präsentieren sie sich keineswegs als bärbeißige Draufgänger; im Gegenteil. Nie stellen sie in Zweifel, dass nur das Bodenteam und vor allem die Meteorologen mit ihren Hochrechnungen den Erfolg des Unternehmens möglich machten - und bisweilen erscheinen sie angesichts deren Kommandos fast wie Marionetten des Himmels. Der Aufregung an Bord und im Buch freilich tut das keinen Abbruch. Dabei reagieren die beiden Piloten unterschiedlich: Während der Engländer Jones auch riskante Zwischenfälle mit schwarzem Humor kommentiert, lässt sich der Schweizer Piccard beim Blick hinab auf die Welt immer wieder zu philosophischen, oft sentimentalen Gedankenspielen hinreißen. So entstand ein wunderbares, spannendes Buch - über Physik und Technik, über Wirtschaft, Politik und Visionen. Auch über Freundschaft und die Sorgen der Daheimgebliebenen. Was passiert eigentlich, zitiert Jones seine Frau Jo, wenn die Welt doch nicht rund ist? (F.L.)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Mit dem Wind um die Welt" von Bertrand Piccard und Brian Jones. Malik-Piper Verlag, München 1999. 397 Seiten, sechzig Farbfotografien, eine Karte. Gebunden, 39,80 Mark. ISBN 3-89029-145-7.
Es war kein überflüssiger Rekord, den Bertrand Piccard und Brian Jones im März dieses Jahres aufgestellt haben. Den Luftverkehr wird es zwar schwerlich revolutionieren, dass sie zwanzig Tage in der Kabine ihres Heißluftballons "Breitling Orbiter 3" durchhielten und eine Strecke von 40 813 Kilometern zurücklegten, kurz: dass sie als erste Menschen die Erde mit einem Ballon umrundeten. Aber für unsere Träume ist ihre Reise von unschätzbarem Wert. Denn sie beweist, dass man mit dem Wort "unmöglich" nicht vorsichtig genug umgehen kann. "The Greatest Adventure" heisst das Buch der beiden Aeronauten im Original, eine doppelte Ich-Erzählung, in der sie die vielen Jahre der Vorbereitung und die drei Wochen in der Kapsel minutiös beschreiben. Dennoch präsentieren sie sich keineswegs als bärbeißige Draufgänger; im Gegenteil. Nie stellen sie in Zweifel, dass nur das Bodenteam und vor allem die Meteorologen mit ihren Hochrechnungen den Erfolg des Unternehmens möglich machten - und bisweilen erscheinen sie angesichts deren Kommandos fast wie Marionetten des Himmels. Der Aufregung an Bord und im Buch freilich tut das keinen Abbruch. Dabei reagieren die beiden Piloten unterschiedlich: Während der Engländer Jones auch riskante Zwischenfälle mit schwarzem Humor kommentiert, lässt sich der Schweizer Piccard beim Blick hinab auf die Welt immer wieder zu philosophischen, oft sentimentalen Gedankenspielen hinreißen. So entstand ein wunderbares, spannendes Buch - über Physik und Technik, über Wirtschaft, Politik und Visionen. Auch über Freundschaft und die Sorgen der Daheimgebliebenen. Was passiert eigentlich, zitiert Jones seine Frau Jo, wenn die Welt doch nicht rund ist? (F.L.)
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"Während der Engländer Brian Jones auch riskante Zwischenfälle mit schwarzem Humor kommentiert, läßt sich der Schweizer Bertrand Piccard beim Blick hinab auf die Welt immer wieder zu philosophischen Gedanken hinreißen. So entstand ein wunderbares, spannendes Buch.", Süddeutsche Zeitung