Marktplatzangebote
8 Angebote ab € 0,90 €
  • Broschiertes Buch

Es gibt viele Tierarten, die keine Orientierungsprobleme zu kennen scheinen. Mit beneidenswerter Sicherheit finden sie ihre Nester, den Weg in die Überwinterungsquartiere; sie orten ihre Beute auch in Dunkelheit oder unter Wasser. Doch, was so einfach aussieht, beruht auf Sinnesleistungen von phantastischer Präzision und Raffinesse. Der Physiker und Biologe Dezsö Varju vermittelt anhand ausgewählter Beispiele einen Einblick in diese faszinierende Welt der tierischen Sinne.

Produktbeschreibung
Es gibt viele Tierarten, die keine Orientierungsprobleme zu kennen scheinen. Mit beneidenswerter Sicherheit finden sie ihre Nester, den Weg in die Überwinterungsquartiere; sie orten ihre Beute auch in Dunkelheit oder unter Wasser. Doch, was so einfach aussieht, beruht auf Sinnesleistungen von phantastischer Präzision und Raffinesse. Der Physiker und Biologe Dezsö Varju vermittelt anhand ausgewählter Beispiele einen Einblick in diese faszinierende Welt der tierischen Sinne.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.05.1998

Stachelig ist die Haut der Blattwanze
Aber der Erdfloh hat die Pfeilnase vorn: Dezsö Varju kennt die Sinne der Tiere

Zielsicher steuert eine Fliege den Rand des Weinglases an. Und will man sie fangen, so entwischt sie behende. Mit einem Gehirn von der Größe eines Stecknadelkopfes kann uns eine gewöhnliche Stubenfliege ganz schön auf Trab halten. Noch eindrucksvoller sind die Flugkünste der Schwebfliegen. Die meisten dieser Feld-, Wald- und Wiesenbewohner gleichen auf den ersten Blick einer Biene, Hummel oder Wespe, zeigen sich aber viel wendiger. Senkrecht nach oben oder nach unten, vorwärts oder rückwärts - eine Schwebfliege kann sich ganz nach Belieben durch den Luftraum bewegen. Doch sie verharrt auch gerne im Schwirrflug an Ort und Stelle. Um nicht abzudriften, fixiert sie dann einen Zweig, einen Halm oder ein anderes Objekt in ihrem Gesichtsfeld. Offenbar spielen die Fliegenaugen eine wichtige Rolle bei der Flugüberwachung. Einen Fingerzeig, wie man das nachprüfen kann, gibt der Autor auch: "Wenn ich eine schwirrende Schwebfliege sehe, so versuche ich meinen senkrecht ausgestreckten Zeigefinger als Fixationsobjekt anzubieten. Ab und zu wird er akzeptiert. Dann kann ich das Tier durch Bewegung meines Fingers an der Nase herumführen. Probieren Sie es mal, es macht Spaß!"

Dezsö Varju, bis 1997 Professor für Biokybernetik an der Universität Tübingen, ermuntert seine Leser, hier und da einmal genauer hinzuschauen. Seine Menagerie setzt sich vor allem aus heimischen Geschöpfen zusammen. Doch je nach Ausstattung ihrer Sinnesorgane erscheint uns die Welt, in der sie leben, faszinierend fremdartig. Man denke zum Beispiel an die langbeinigen Insekten, die sich auf Tümpeln und Teichen tummeln. Diese Wanzen mit dem treffenden Namen Wasserläufer zeigen ein feines Gespür für den schwankenden Untergrund, auf dem sie stehen. Wenn eine Mücke ins Wasser fällt und dort hilflos herumzappelt, breiten sich ringsum Wellen aus, die einen nahrhaften Bissen verheißen. Solch ein Signal kommt bei den Wasserläufern gut an. Schnurstracks eilen sie herbei, um ihre Beute nach Wanzenart auszusaugen. Die Sinnesorgane in ihren Beingelenken fühlen sich auch dann noch angesprochen, wenn sich der Wasserspiegel nur um wenige Tausendstel eines Millimeters bewegt. Wasserläufer sind aber nicht bloß Empfänger bewegender Nachrichten. Sie können auch selbst Wellen aussenden und so mit ihresgleichen kommunizieren.

Weitaus komplexer ist die Welt der Schallwellen, in der die Fledermäuse leben. Wie es diesen Nachtschwärmern gelingt, sich auch in völliger Dunkelheit zurechtzufinden, blieb lange ein Rätsel. Erst Ende der dreißiger Jahre kamen die Biologen dahinter, daß die Fledermäuse bei ihren nächtlichen Ausflügen mit Ultraschall arbeiten. Sie erzeugen sehr hohe Töne und lauschen auf die Echos. Manche Fledermäuse können mit ihrer Echoortung sogar den Flügelschlag eines Schmetterlings erkennen. Doch nicht immer gelingt ihnen ein Überraschungsangriff. Etliche Nachtfalter haben ein Ohr für die nahende Gefahr: An ihrer Brust oder am Hinterleib findet sich links und rechts jeweils eine Art Trommelfell, das von Schallwellen in Schwingungen versetzt wird und dabei empfindliche Sinneszellen erregt. Besonders hellhörig sind die Falter im Bereich des Ultraschalls. Sobald ihre Hörorgane Alarm schlagen, ändern sie eilig die Fluchtrichtung oder lassen sich rasch zu Boden fallen.

Andere Tiere besitzen Fähigkeiten, die unser Vorstellungsvermögen noch mehr strapazieren. Erst kürzlich entdeckten Wissenschaftler aus Neuseeland, daß Forellen eine gute Nase für das Magnetfeld der Erde haben. In dem Riechorgan der Fische finden sich Sinneszellen, die auf magnetische Felder reagieren und über den Trigeminus-Nerv mit dem Gehirn in Verbindung stehen. Viele andere Organismen, von der Brieftaube bis zur Honigbiene, zeigen ebenfalls ein Gespür für das Magnetfeld der Erde. Daß man bislang fast immer vergeblich nach entsprechenden Sinnesorganen gesucht hat, macht diese Fähigkeit um so rätselhafter.

Wenn Tiere auf Wanderschaft gehen, ist ein Magnetkompaß zweifellos nützlich. Und nicht nur Zugvögel, auch viele andere ziehen in die Ferne: Bekanntlich müssen Lachs und Aal einen weiten Weg zu ihrem Laichplatz zurücklegen. Meeresschildkröten nehmen ebenfalls eine lange Reise in Kauf, damit die Sprößlinge dort zur Welt kommen, wo einst ihre Eltern aus dem Ei schlüpften. Und selbst zarte Insekten sind bisweilen erstaunlich wanderlustig: Jahr für Jahr fliegen Distelfalter und Admiral, Taubenschwänzchen und Gammaeule in großer Zahl über die Alpen nach Norden. Wie aber finden die Falter ihren Weg? Und warum zieht es sie überhaupt in unsere Breiten, wo ihresgleichen den Winter nicht überleben kann?

Solche Fragen wecken die Neugier der Wissenschaftler. Ob es um Heuschrecken geht oder um Nacktschnecken, um Schleiereulen oder um Eichelhäher, stets schildert der Autor nicht nur die Ergebnisse der Forschung. Der oft mühselige Weg dorthin und die Perspektiven für künftigen Forscherfleiß sind ihm ebenso wichtig. Von dem stattlichen Wissensschatz, den Biologen in aller Welt angehäuft haben, kann Varju nur einen winzigen Ausschnitt präsentieren. Daß er vornehmlich auf Beispiele zurückgreift, die ihm aus Forschung und Lehre besonders vertraut sind, ist wohl kein Fehler. Meist gelingt ihm ein unterhaltsamer Erzählton. Fachbegriffe werden fast immer ausführlich erklärt. Doch mancher Leser mag sich bei so viel Gelehrsamkeit mitunter eine etwas bildhaftere Darstellung wünschen. Leider sind die Abbildungen eher spröde geraten. Wer darüber hinwegsieht und ein bißchen Geduld mitbringt, wird mit einer informativen Lektüre belohnt. Das Buch ist nicht nur eine Fundgrube für alle, die ins Reich der Sinne vordringen wollen. Es bietet auch einen Einblick in die Welt der Wissenschaft, in der jedes geglückte Experiment wieder neue Fragen aufwirft. DIEMUT KLÄRNER

Dezsö Varju: "Mit den Ohren sehen und den Beinen hören". Die spektakulären Sinne der Tiere. Verlag C. H. Beck, München 1998. 285 S., 35 Abb., geb., 44,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr