Marktplatzangebote
9 Angebote ab € 0,60 €
Produktdetails
  • Verlag: Kaufmann
  • 4. Aufl.
  • Seitenzahl: 30
  • Deutsch
  • Abmessung: 210mm
  • Gewicht: 111g
  • ISBN-13: 9783780623355
  • ISBN-10: 3780623358
  • Artikelnr.: 05679460
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.04.1995

Gott ist nur scheintot
Die Seele kann aufatmen, der arme Mensch kann glücklich sein: Robert Theis rechtfertigt Kants Religionsphilosophie

Immanuel Kant gilt als ein Philosoph, der unerbittlich mit der dogmatischen Metaphysik abgerechnet hat: "Er hat den Himmel gestürmt, er hat die ganze Besatzung über die Klinge springen lassen, der Oberherr der Welt schwimmt unbewiesen in seinem Blute, die Unsterblichkeit der Seele liegt in den letzten Zügen." Doch angesichts seines betrübt dreinblickenden Dieners Lampe habe der große Philosoph den guten Menschen herausgekehrt und "halb gutmütig und halb ironisch" erklärt: "Der alte Lampe muß einen Gott haben, sonst kann der arme Mensch nicht glücklich sein."

So kam es nach Heinrich Heine, daß Kants Moralphilosophie wiederbelebte, was seine theoretische Philosophie getötet hatte. Doch die Wiederkehr des Gottesgedankens in Kants Ethik kann nur verwundern, wenn man die Präsenz der theologischen Frage in seinem Gesamtwerk übersieht. Robert Theis zeichnet die Entwicklung nach, die Kants Theologie bis zum Erscheinen der "Kritik der reinen Vernunft" nimmt, und gewinnt dabei das Bild einer langen Inkubationszeit, in der Kant keinen Bruch mit der dogmatischen Metaphysik, sondern ihre Erweiterung und Korrektur sucht. Auch in der empiristischen Wende und der tiefgreifenden Neuorientierung des Jahres 1769 wird weiter Metaphysik getrieben, die unter dem Titel "Gott" die Frage nach absoluter Begründung stellt. Bis 1772 reicht nach Theis die kumulative Phase der kantischen Theologie, die das Problem philosophischer Letztbegründung in der Diskussion der Gottesbeweise entfaltet.

Erst dann erfolgt ein Paradigmenwechsel, der die starke Fassung dieses Begründungsdenkens in Gestalt der Existenzbehauptung ablöst. Die Behauptung des einen notwendigen Wesens und letzten Grundes wird nun in eine Aussage über eine subjektive, aber unhintergehbare Voraussetzung der Vernunft transformiert.

Theis versteht die Entwicklungsgeschichte der kantischen Theologie als eine Funktion des sich kontinuierlich entfalteten Begründungsgedankens, so daß die Rede von Gott eine Darstellungsform der Philosophie ist. Worauf Kants Theologie hinaus will, ist der Gedanke absoluter Begründung. Dabei gelingt Theis der Nachweis, daß die frühen Schriften Kants (von 1755 bis 1763) "eine grundsätzlich einheitliche Argumentationslage" entfalten. Wenn Kant in seiner Schrift "Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes" die später programmatische These "Dasein ist kein Prädikat eines möglichen Dinges" erstmals formuliert, so expliziert er nur, was in seiner Habilitationsschrift vorausgesetzt, aber noch nicht eigens reflektiert war.

Allerdings begrenzt Kant den metaphysischen Anspruch auf eine vollständige begriffliche Erkenntnis schon bald durch die Einsicht in die Endlichkeit des Metaphysik treibenden Subjektes - so bereits in der "Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie". Denn vollständige Erkenntnis kann es nicht geben, indem die Vernunft die Totalität aller Bestimmungen denkt, sondern nur in einer Analyse aller Bedingungen der Möglichkeit menschlicher Erfahrung. Das ist der Schritt von der dogmatischen Metaphysik zur kritischen Transzendentalphilosophie.

Deshalb kann auch die kritisch gewordene Philosophie sich von der Gottesfrage nicht wirklich distanzieren: In ihr steht die "Metafrage des metaphysischen Diskurses insgesamt" zur Diskussion. Weil sich das Denken über die "Frage, wie es möglich ist, daß etwas möglich ist", erklären muß, kommt die Rede vom nachmetaphysischen Ende der Theologie zu früh. Der Gottesgedanke ist ein Vorbegriff absoluter Begründung. MICHAEL MOXTER

Robert Theis: "Gott". Untersuchung zur Entwicklung des theologischen Diskurses in Kants Schriften zur theoretischen Philosophie bis hin zum Erscheinen der Kritik der reinen Vernunft. Verlag frommann-holzboog, Stuttgart 1994. 374 S., geb., 135,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr