Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 42,00 €
  • Gebundenes Buch

Produktdetails
  • Verlag: edition memoria
  • Erscheinungstermin: 2. Dezember 2013
  • Deutsch
  • ISBN-13: 9783930353347
  • ISBN-10: 3930353342
  • Artikelnr.: 40073715
  • Herstellerkennzeichnung
  • Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.11.2014

Eine Schreibmaschine braucht kein Netz
Ihm geht es beim Begreifen um das Greifbare: Georg Stefan Trollers neue Aufsätze

Was in dieser Sammlung einiger jüngerer Zeitungsartikel Georg Stefan Trollers am meisten überrascht, sind die vielen Zitate. Es sind wohlgemerkt keine Selbstzitate, zu denen der 92 Jahre alte Filmemacher und Schriftsteller aufgrund seiner immensen Lebenserfahrung alles Recht der Welt gehabt hätte. Es sind Aussagen jener Persönlichkeiten, die Troller in seiner Laufbahn als Reporter, Filmemacher und Interviewer auf allen Kontinenten und vor allem in Paris stark beeindruckt haben. Sie zeigen, dass das Dokumentarische für diesen Ausnahmeporträtisten nicht nur Profession, sondern immer auch Lebenselixier war und bis heute ist.

Seine Tätigkeit als Personenbeschreiber für den WDR ("Pariser Journal") und später lange Zeit für das ZDF hat Troller einmal mit der eines Menschenfressers verglichen. Wobei das Opfer nicht in einer Blutgabe, sondern, viel weniger martialisch, in der Preisgabe einer vom anderen überwundenen Unsicherheit besteht - nicht aus Lust an der Indiskretion, sondern zur Ermutigung aller. Leitmotiv in diesem Buch ist daher die eher technische Frage nach der Möglichkeit, Wahrheit auf natürliche Weise zu inszenieren, vor allem vor der Kamera.

Troller, ein leidenschaftlicher Bewunderer der paradoxen Ästhetik Shakespeares und seiner deutschen Nachfolger im Sturm und Drang, widmet sich dieser Frage nicht nur in dem programmatischen Aufsatz "Die Lust am Dokumentarischen", sondern auch und besonders beeindruckend in einer Reihe von Porträts berühmter Fotokünstler. Dabei kommt Troller zu dem Ergebnis, dass nur diejenigen, die, wie Cartier-Bresson oder Robert Lebeck unerschütterlich auf ihr Glück hofften und den perfekten fotografischen Augenblick in ihrem Innern schon antizipiert hatten, ihn auch ernten konnten. Troller deutet an, dass er sich in dieser Reihe von Naturtalenten als Nachahmer sieht, als einen, der sich seine Intuition erst erarbeiten musste. Seine einst bohemienhafte Unbeschwertheit aus Wiener Jugendzeiten - das weiß man aus Trollers Autobiographie "Selbstbeschreibung" - waren bei der Verfolgung durch die Nazis und durch die Emigration auf der Strecke geblieben.

Legion sind in dem neuen Buch jene Stellen, an denen Troller zugibt, sich an das ein oder andere Faktum nicht mehr genau erinnern zu können. Seine Schreibmaschine ist an kein digitales Wissensnetz angeschlossen, nur das Greifbare findet Eingang in seine Texte. Eben mal schnell im Internet nachzuschauen ist nicht einmal eine Denkmöglichkeit für Troller. Doch wird diese Nachlässigkeit durch ein ungewöhnlich intensives Erfassen von Situationen und Menschen mehr als ausgeglichen. Selten bleibt Troller originelle Antworten auf die großen menschlichen Fragen schuldig. Immer sind sie überzeugend. Dass sie oft von anderen inspiriert sind, macht sie nicht weniger attraktiv. Wer den Menschen so gut zuhört wie Troller, dem kann man glauben.

UWE EBBINGHAUS

Georg Stefan Troller: "Mit meiner Schreibmaschine". Geschichten und Begegnungen.

Edition Memoria, Köln 2013. 253 S., br., 26,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr