Camping, das ist Improvisation, Unabhängigkeit und Abenteuer, immer mit einem Stück der gewohnten Häuslichkeit verbunden. Arnold Thünker hat versucht, die Kultur der Camper vor Ort zu erforschen. Er plaudert kenntnisreich über die Geschichte des Campings, erzählt von Liebe, Lust und Politik auf Campingplätzen und nimmt die neuesten Errungenschaften der mobilen Freizeitkultur ebenso humorvoll unter die Lupe wie den Drang, der den Menschen treibt, sich in der Natur heimisch einzurichten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.07.1999Allgemein
"Mit Sack und Pack und Gummiboot. Die Geschichte des Campings" von Arnold Thünker. Gustav Kiepenhauer-Verlag, Leipzig 1999. 192 Seiten, 62 Abbildungen und dreizehn Karikaturen von Ulrike Vetter. Gebunden, 39,90 Mark. ISBN 3-378-01034-7.
Der Dauergast am Ostseeplatz und der Radfahrer, der Lappland mit dem Zelt erkundet: beide sind Camper, gewiß, doch welche Kluft gähnt zwischen ihren Seelen. "Die Geschichte des Campings" zu schreiben und dabei sowohl den Wagenburg-Bauer als auch den Abenteurer mit ins "Gummiboot" zu nehmen ist folglich ein Brocken, den nur eine gewaltige Spannweite schultern kann. Arnold Thünker ist die Umarmung gelungen; weil sich für ihn mit der Idee der beweglichen Heimstatt keine Ideologie verbindet, sondern er Camping schlicht für die "natürlichste Form des Reisens" hält. Wohltuend gelassen spürt der Autor die historischen Wurzeln des Wandervogeldaseins auf und folgt den Verästelungen bis in die Moderne: ausführlich, ohne zu ermüden. Amüsant, ohne sich anzubiedern. Feinsinnig, ohne den Überblick zu verlieren. Thünker nimmt uns mit in die Tipis der Indianer und zeigt die Zwänge auf, die Nomadenvölker seit jeher zum Umherziehen veranlassen; wir folgen ihm zum luxuriösen Wohngefährt Napoleons, zu den bescheidenen "Zeltnern" der zwanziger Jahre und zum ersten Serienwohnwagen "Hausdabei", der 1937 gefertigt wurde. Der Bogen spannt sich weiter über die DDR, wo man vor dem Urlaub "Anträge auf Campinggenehmigung" einreichen mußte, zur Wohnwagenmanie Ende der sechziger Jahre in der Bundesrepublik und endet beim High-Tech-Reisemobil der Nonstop-Gesellschaft. In unserer atemlosen Zeit ist der Camper im Grunde ein Anachronist. Denn mögen sich Motive und Material im Lauf der Jahrzehnte noch so sehr gewandelt haben, das Prinzip ist dasselbe geblieben: Wer sein Heim im Gepäck weiß, kann frei wählen, wo er nächtigen möchte, wie lange er seinen Pferdestärken die Sporen gibt und wann er sie drosselt. So überlebt eine uralte existentielle Frage in den Köpfen der Camping-Freunde: Wo finden wir einen sicheren Lagerplatz für die Nacht? Dank solcher Einsichten werden selbst Camping-Hasser nach der Lektüre begreifen, weshalb mehr als elf Millionen Deutsche in ihr Zelt kriechen oder ins Wohnmobil klettern. (rb)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Mit Sack und Pack und Gummiboot. Die Geschichte des Campings" von Arnold Thünker. Gustav Kiepenhauer-Verlag, Leipzig 1999. 192 Seiten, 62 Abbildungen und dreizehn Karikaturen von Ulrike Vetter. Gebunden, 39,90 Mark. ISBN 3-378-01034-7.
Der Dauergast am Ostseeplatz und der Radfahrer, der Lappland mit dem Zelt erkundet: beide sind Camper, gewiß, doch welche Kluft gähnt zwischen ihren Seelen. "Die Geschichte des Campings" zu schreiben und dabei sowohl den Wagenburg-Bauer als auch den Abenteurer mit ins "Gummiboot" zu nehmen ist folglich ein Brocken, den nur eine gewaltige Spannweite schultern kann. Arnold Thünker ist die Umarmung gelungen; weil sich für ihn mit der Idee der beweglichen Heimstatt keine Ideologie verbindet, sondern er Camping schlicht für die "natürlichste Form des Reisens" hält. Wohltuend gelassen spürt der Autor die historischen Wurzeln des Wandervogeldaseins auf und folgt den Verästelungen bis in die Moderne: ausführlich, ohne zu ermüden. Amüsant, ohne sich anzubiedern. Feinsinnig, ohne den Überblick zu verlieren. Thünker nimmt uns mit in die Tipis der Indianer und zeigt die Zwänge auf, die Nomadenvölker seit jeher zum Umherziehen veranlassen; wir folgen ihm zum luxuriösen Wohngefährt Napoleons, zu den bescheidenen "Zeltnern" der zwanziger Jahre und zum ersten Serienwohnwagen "Hausdabei", der 1937 gefertigt wurde. Der Bogen spannt sich weiter über die DDR, wo man vor dem Urlaub "Anträge auf Campinggenehmigung" einreichen mußte, zur Wohnwagenmanie Ende der sechziger Jahre in der Bundesrepublik und endet beim High-Tech-Reisemobil der Nonstop-Gesellschaft. In unserer atemlosen Zeit ist der Camper im Grunde ein Anachronist. Denn mögen sich Motive und Material im Lauf der Jahrzehnte noch so sehr gewandelt haben, das Prinzip ist dasselbe geblieben: Wer sein Heim im Gepäck weiß, kann frei wählen, wo er nächtigen möchte, wie lange er seinen Pferdestärken die Sporen gibt und wann er sie drosselt. So überlebt eine uralte existentielle Frage in den Köpfen der Camping-Freunde: Wo finden wir einen sicheren Lagerplatz für die Nacht? Dank solcher Einsichten werden selbst Camping-Hasser nach der Lektüre begreifen, weshalb mehr als elf Millionen Deutsche in ihr Zelt kriechen oder ins Wohnmobil klettern. (rb)
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