Marktplatzangebote
3 Angebote ab € 10,00 €
  • Gebundenes Buch

In zwölf autobiografischen Reisefeuilletons nähert sich Milo Dor auf geistes- und kulturgeschichtlichen Pfaden jenem Mythos eines Mitteleuropa, das dem viel bereisten Autor selbst zu einer "größeren Heimat" geworden ist. Mitteleuropa - das ist zunächst das Land, das sind die Städte an der Donau: Budapest, wo Dor geboren wurde, die Wojwodina, wo er seine Kindheit verbrachte, Belgrad, wo er sich den Widerstandskämpfern anschloss, Wien, wo er seither lebt. Mitteleuropa - das ist aber auch die Wärme der Adriaküste: Venedig, Istrien, Triest, Dubrovnik; das sind Teile Italiens: die Toskana, die Lombardei; das ist Tschechien mit seiner Hauptstadt Prag.…mehr

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
In zwölf autobiografischen Reisefeuilletons nähert sich Milo Dor auf geistes- und kulturgeschichtlichen Pfaden jenem Mythos eines Mitteleuropa, das dem viel bereisten Autor selbst zu einer "größeren Heimat" geworden ist.
Mitteleuropa - das ist zunächst das Land, das sind die Städte an der Donau: Budapest, wo Dor geboren wurde, die Wojwodina, wo er seine Kindheit verbrachte, Belgrad, wo er sich den Widerstandskämpfern anschloss, Wien, wo er seither lebt. Mitteleuropa - das ist aber auch die Wärme der Adriaküste: Venedig, Istrien, Triest, Dubrovnik; das sind Teile Italiens: die Toskana, die Lombardei; das ist Tschechien mit seiner Hauptstadt Prag.
Autorenporträt
Milo Dor, 1923 in Budapest als Sohn eines serbischen Arztes geboren, wuchs im Banat und in Belgrad auf. 1942 als Widerstandskämpfer verhaftet, 1943 Zwangsarbeit in Wien. Lebt seit 1948 als freier Schriftsteller in Wien. Sein Werk wurde mit zahlreichen internationalen Preisen und Ehrungen ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.01.1997

Das Gelbe von Schönbrunn
Venedig, Belgrad, Wien: Milo Dors Reiseskizzen

Von Mitteleuropa hat Milo Dor einen ziemlich weiten Begriff. Im Grunde, so geben seine gesammelten Reiseskizzen zu erkennen, ist Mitteleuropa überall dort, wo sich Milo Dor zu Hause fühlt. In Istrien und Venedig zum Beispiel, in der Vojvodina und in Dubrovnik, am Eisernen Tor und in der Lombardei, in Belgrad, Triest, Prag und Budapest sowieso. Noch wohler fühlt sich Dor in Wien, am wohlsten in der Josefstadt. Deutschland hingegen gehört nicht zur "größeren Heimat". Deshalb liegt bei Dor Augsburg an der Donau, und Ansbach schreibt er mit "z". Immerhin hat einen seiner serbischen Gewährsmänner die Umgebung von Köln und Frankfurt an Mitteleuropa erinnert, nämlich an die Plattenvorstädte von Belgrad.

Dors kleines Memoirenbuch erhebt nicht den Anspruch, die nach 1989 abgeflaute Mitteleuropa-Diskussion wiederzubeleben. Abgesehen von Claudio Magris' vielzitierter Arbeit über den "Habsburgischen Mythos", kommt deshalb die einschlägige Literatur darin gar nicht vor. Die kulturelle Zusammengehörigkeit des mitteleuropäischen Raums ist für Dor auch ohne Wissenschaft evident. Mitteleuropa erkennt er an seinen Kaffeehäusern, an der Theaterarchitektur von Helmer und Fellner, am Schönbrunngelb der Amtsgebäude und an der Einheit in der Vielfalt der Küchen. Das ist zwar nicht neu, aber dennoch zutreffend, ebenso wie Dors These, daß zur Existenz einer mitteleuropäischen Kultur "zwei Voraussetzungen unumgänglich sind: das Vorhandensein der jüdischen Bevölkerung und der Gebrauch der deutschen Sprache als allgemein anerkanntes Kommunikationsmittel". Trotzdem glaubt Dor fest an die fortdauernde und "spürbare Wirklichkeit" dieses Kulturraumes. Deshalb mag er von Mythos nicht sprechen. Lieber leiht er sich einen Begriff Karl R. Poppers aus und siedelt Mitteleuropa in "Welt 2" an, mithin in der Welt der symbolischen Realitäten.

Manche von Dors älteren Plaudereien haben ein wenig Staub angesetzt. Was mag den Autor veranlaßt haben, einen 1977 geschriebenen Text über "Istrien. Land im Abseits" oder ein beschauliches Dubrovnik-Stück von 1981 in diesen Band aufzunehmen? Er gehöre zwar weder zu den k. u. k. noch zu den "Jugo-Nostalgikern", bemerkt Dor einmal, aber er trauere "dem Zerfall dieser multinationalen und multikulturellen Gebilde nach". Statt von deren Zerfall zu berichten, läßt Dor noch einmal den jugoslawischen Vielvölker-Mythos hochleben. Als er 1980 die heimatliche Vojvodina besucht, scheinen ihm die Verhältnisse dort mustergültig. "Die Anerkennung als Minderheit", so schildert er die Verhältnisse in der autonomen Provinz, "garantiert deren Angehörigen" - daruner Ungarn, Kroaten, Slowaken, Rumänen, Montenegriner und Ruthenen - "den Gebrauch ihrer Muttersprache sowie der entsprechenden Schrift vor Gerichten und andern Behörden." Offenbar hat Dor wenig Lust verspürt, noch einmal zum Lokalaugenschein nach Subotica und Novi Sad zu fahren; wie überhaupt die Gegenwart in seinem Buch kaum vorkommt.

Mythos hin und Wirklichkeit her, für seinen Einsatz um die deutsche Sprache hat Milo Dor unseren Respekt verdient. Wahrscheinlich muß man in Budapest geboren, im Banat und in der Batschka aufgewachsen und in Belgrad zur Schule gegangen sein, um heute die Einladung zu einem Laibacher Symposion über Mitteleuropa abzulehnen, weil sie auf englisch abgefaßt ist. Gegen eine Einladung in slowenischer, italienischer oder ungarischer Sprache habe er nichts einzuwenden, schreibt Dor, "ich weigere mich aber, über Mitteleuropa in englischer oder französischer Sprache zu reden". Mitteleuropäer ist, wer sich diese Einstellung leisten kann, ohne als provinziell zu gelten. CHRISTOPH BARTMANN

Milo Dor: "Mitteleuropa. Mythos oder Wirklichkeit. Auf der Suche nach der größeren Heimat". Otto Müller Verlag, Salzburg 1996. 195 S., geb., 34,50 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr