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Produktdetails
  • Verlag: Beck Juristischer Verlag
  • Seitenzahl: 239
  • Abmessung: 230mm
  • Gewicht: 502g
  • ISBN-13: 9783406432552
  • ISBN-10: 3406432557
  • Artikelnr.: 24832274
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.03.1998

Familiengesellschaften in der Kostenfalle
Wie den kleinen und mittleren Unternehmen geholfen werden könnte

Arend Oetker (Herausgeber): Mittelstand in Zeiten struktureller Umbrüche. Verlag C. H. Beck, München 1997, 240 Seiten, 48 DM.

In Deutschland werden zu Wahlkampfzeiten auf den Mittelstand immer wieder Loblieder gesungen. Die Parteien entdecken über Nacht wieder ihre Sympathie für den Mittelstand, der zum Leistungs- und Hoffnungsträger für mehr Wachstum und Beschäftigung hochstilisiert wird. Ist die Politik aber wirklich mittelstandsfreundlich? Sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland tatsächlich so, daß der Mittelstand die in ihn gesetzten großen Erwartungen erfüllen kann? Diese Fragen werden selten ernsthaft gestellt und noch seltener kompetent erörtert, geschweige denn überzeugend beantwortet. In dem Buch "Mittelstand in Zeiten struktureller Umbrüche" beziehen mittelständische Unternehmer (oder besser: Vertreter von Familienunternehmen), aber auch der Bundeswirtschaftsminister und Dienstleister des Mittelstands (Banken- und Verbandsvertreter sowie Berater) Stellung zu den obengenannten und weiteren wichtigen Fragen. Sie nennen die Schwierigkeiten der mittelständischen Industrieunternehmen beim Namen, ziehen sich dabei aber nicht auf eine Position der Larmoyanz zurück, sondern artikulieren ihre Forderungen an die Politiker und die Rechtsprechung und sprechen über strategische einzelwirtschaftliche Lösungsansätze. Sie nennen Therapien, die dazu beitragen könnten, die empfindliche Pflanze Familienunternehmen zu hegen und zu pflegen.

Dem Herausgeber Arend Oetker ist eine glückliche Hand bei der Auswahl der Themen und der Autoren zu attestieren. Das Sammelwerk gliedert sich in die sechs Teile Wirtschaftsfaktor Mittelstand, Finanzierungsproblematik kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU), Kostendruck in diesen Unternehmen, Nachfolgeproblematik in eigentümergeführten Unternehmen, Innovationen als Schlüssel zum Erfolg von kleinen und mittleren Unternehmen sowie Globalisierung als neue Herausforderung für den Mittelstand.

Schon im ersten Beitrag arbeitet der Herausgeber, der selbst als Unternehmer tätig ist und zugleich engagiert die Interessen des industriellen Mittelstandes als Vorsitzender des BDI-Mittelstandsausschusses vertritt, die ungelösten und in Zeiten des Strukturwandels immer stärker drückenden Hauptschwierigkeiten deutscher Familienunternehmen heraus: Die Unternehmen befinden sich, wie Oetkers Diagnose lautet, in einer gefährlichen Kostenfalle, und sie verfügen zudem nicht über genügend Eigenkapital. Diese Kalamitäten seien auf ungünstige Standortbedingungen zurückzuführen. In die gleiche Kerbe schlägt der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Hans Olaf Henkel; er fordert in seinem Beitrag zudem eine Gründeroffensive.

Die virulenten Fragen der unzureichenden Versorgung mit Risikokapital und des Kostendrucks kommen auch in anderen Beiträgen zur Sprache. So geißelt Karl-Heinz Schumacher (Beteiligungsverwaltungsgesellschaft mbH) die keineswegs neue Regulierungswut in Deutschland, auf die, was wohl den wenigsten bekannt sein dürfte, schon Bismarck nach der Gründung des Norddeutschen Bundes hingewiesen habe. Sie führe speziell in kleinen und mittleren Unternehmen zu erheblichen Kosten, die bei der zu einseitigen Diskussion über die Arbeitskosten oftmals übersehen würden. Er fordert zu Recht, den Wald der Regulierungen (zum Beispiel Beschränkungen der Vertragsfreiheit in vielerlei Bereichen, Befreiung vom Kartellverbot) zu lichten, zumal die Regulierungsdichte die notwendigen Strukturveränderungen erschwere oder diese sogar verhindere. Dieter Murmann (Vorsitzender des Wirtschaftsrates der CDU) beklagt die Steuer- und Abgabenlast, unter der die kleinen und mittleren Unternehmen ächzten.

Nicht überlesen sollte man die drei Beiträge von Brun-Hagen Hennerkes (Hennerkes & Partner), August Oetker (persönlich haftender Gesellschafter der Dr. August Oetker KG) sowie Randolf Rodenstock (Leiter und persönlich haftender Gesellschafter der Optischen Werke Rodenstock KG), die sich mit der Lösung der Nachfolgeprobleme in eigentümergeführten Unternehmen befassen. Abgesehen davon, daß es keineswegs immer leicht ist, den geeigneten Nachfolger in der Familie zu finden, laufen, wie Brun-Hagen Hennerkes schreibt, Familienunternehmen Gefahr, beim Vererben in eine lebensbedrohliche Liquiditätsfalle zu geraten: Die zu zahlende Erbschaftsteuer muß in (zu) vielen Fällen aus dem Firmenvermögen entnommen werden. Das kann bei der üblicherweise schwachen Kapitalausstattung die Investitionskraft der Familienunternehmen entscheidend schwächen und die Unternehmen strategisch in eine lebensgefährliche Situation versetzen.

Trotz aller Unbill gibt es nach wie vor auch in Deutschland erfolgreiche mittelständische Unternehmen, die dank ihrer Kreativität und ihrer Innovationen den Aufstieg bis zur Weltmarktführerschaft erreicht haben. Oftmals agieren sie eher im verborgenen, wie Herman Simon in seinem Beitrag schildert.

Insgesamt läßt sich nach der Lektüre folgendes Fazit ziehen: Es wird den Familienunternehmen in Deutschland nicht leichtgemacht, unter den Bedingungen des internationalen Wettbewerbs erfolgreich zu arbeiten. Unternehmerpersönlichkeiten sind gefordert. Sie müssen sich auf die Pirsch durch das Dickicht der Regulierungen machen und dabei aufpassen, daß sie sich nicht in der Kosten- und Liquiditätsfalle verfangen. Indessen gibt es Unternehmer, die allen Widrigkeiten zum Trotz den Pfad zum Erfolg finden und eine Alleinstellung in einem sorgfältig ausgesuchten Marktsegment erreichen.

ROBERT FIETEN

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