"KEINE GESCHICHTE DIESER JÜDISCHEN KATASTROPHE KOMMT AN VEIDLINGERS AUSSERGEWÖHNLICHES BUCH HERAN." TIMOTHY SNYDER
Zwischen 1918 und 1921 werden in der Ukraine über 100 000 Juden von Bauern, Städtern und Soldaten ermordet, die sie für die Russische Revolution und deren Folgen verantwortlich machen. Ganz normale Bürgerinnen und Bürger berauben plötzlich ihre jüdischen Nachbarn, brennen ihre Häuser nieder, zerreißen ihre Tora-Rollen, missbrauchen sie sexuell und töten sie. Der Holocaust-Historiker Jeffrey Veidlinger hat diese Welle genozidaler Gewalt rekonstruiert, bei der ganz unterschiedliche Gruppen von Menschen alle zu demselben Ergebnis kamen - dass die Ermordung von Juden eine akzeptable Antwort auf ihre Probleme sei.
Als die Gewalt in die Kleinstadt Slovetschno kam, ist Rosa Zaks erst sieben Jahre alt. Doch sie wird ihr Leben lang nicht vergessen können, wie sie und ihre Geschwister mitten in der Nacht von der Mutter geweckt und auf den Dachboden des Nachbarhauses gebracht wurden. Aus ihrem Versteck müssen die Kinder mit ansehen, wie ein Pogrom gegen die jüdischen Bewohner des Ortes entfesselt wird...
Anhand von lange vernachlässigtem Archivmaterial, darunter Tausende neu entdeckte Zeugenaussagen, Prozessakten und offizielle Anordnungen, zeigt der renommierte Historiker Jeffrey Veidlinger, warum die Pogrome in Osteuropa eine Art Vorgeschichte des Holocaust bilden. Das überaus differenzierte Bild dieser heute weitgehend in Vergessenheit geratenen Ereignisse, das durch die Geschichten von Überlebenden, Tätern, Mitarbeitern von Hilfsorganisationen und Regierungsvertretern entsteht, verdeutlicht, warum die Juden "mitten im zivilisierten Europa" in akuter Gefahr waren, vernichtet zu werden - und ganz Europa davon wusste.
Die entfesselte Gewalt gegen die jüdische Bevölkerung in der Zeit von 1918 bis 1921 Die Vorgeschichte des Massakers von Babyn Jar 1941 Für alle Leser:innen von Timothy Snyder, "Bloodlands"
Zwischen 1918 und 1921 werden in der Ukraine über 100 000 Juden von Bauern, Städtern und Soldaten ermordet, die sie für die Russische Revolution und deren Folgen verantwortlich machen. Ganz normale Bürgerinnen und Bürger berauben plötzlich ihre jüdischen Nachbarn, brennen ihre Häuser nieder, zerreißen ihre Tora-Rollen, missbrauchen sie sexuell und töten sie. Der Holocaust-Historiker Jeffrey Veidlinger hat diese Welle genozidaler Gewalt rekonstruiert, bei der ganz unterschiedliche Gruppen von Menschen alle zu demselben Ergebnis kamen - dass die Ermordung von Juden eine akzeptable Antwort auf ihre Probleme sei.
Als die Gewalt in die Kleinstadt Slovetschno kam, ist Rosa Zaks erst sieben Jahre alt. Doch sie wird ihr Leben lang nicht vergessen können, wie sie und ihre Geschwister mitten in der Nacht von der Mutter geweckt und auf den Dachboden des Nachbarhauses gebracht wurden. Aus ihrem Versteck müssen die Kinder mit ansehen, wie ein Pogrom gegen die jüdischen Bewohner des Ortes entfesselt wird...
Anhand von lange vernachlässigtem Archivmaterial, darunter Tausende neu entdeckte Zeugenaussagen, Prozessakten und offizielle Anordnungen, zeigt der renommierte Historiker Jeffrey Veidlinger, warum die Pogrome in Osteuropa eine Art Vorgeschichte des Holocaust bilden. Das überaus differenzierte Bild dieser heute weitgehend in Vergessenheit geratenen Ereignisse, das durch die Geschichten von Überlebenden, Tätern, Mitarbeitern von Hilfsorganisationen und Regierungsvertretern entsteht, verdeutlicht, warum die Juden "mitten im zivilisierten Europa" in akuter Gefahr waren, vernichtet zu werden - und ganz Europa davon wusste.
Die entfesselte Gewalt gegen die jüdische Bevölkerung in der Zeit von 1918 bis 1921 Die Vorgeschichte des Massakers von Babyn Jar 1941 Für alle Leser:innen von Timothy Snyder, "Bloodlands"
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Rezensent Klaus Hillenbrand ist schwer beeindruckt von Jeffrey Veidlingers Buch über die Vorgeschichte des Holocaust in der Ukraine, nämlich über die "notorischen" Pogrome, die dort schon zwischen 1918 und 1921 an der jüdischen Bevölkerung verübt wurden. Ein "Bild des Horrors" entwerfe der US-amerikanische Historiker und Judaist dabei: So wurden die Juden, nachdem der ersehnte Neuanfang der Ukrainischen Volksrepublik nach der Abdankung des Zaren scheiterte, von mehreren sich um das Gebiet streitenden Parteien verfolgt, wie Hillenbrand liest: Die Truppen der Weißen Armee warfen ihnen Unterstützung der Bolschewisten vor, die Bolschewisten wiederum verteufelten sie als Kapitalisten, und beides diente als Rechtfertigung brutalster Massaker an ganzen Dörfern, resümiert Hillenbrand. Diese Zusammenhänge darzulegen und aus ihnen heraus zu erklären, warum sich auch die restliche ukrainische Bevölkerung damals an den Pogromen beteiligte und später während der deutschen Besatzung den Nazis "bereitwillig" zur Seite stand, hält der Kritiker für eine "bahnbrechende" Leistung.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.11.2022Wo das Unvorstellbare schon Realität geworden war
Vorläufer des Holocaust: Jeffrey Veidlinger erinnert an osteuropäische Pogrome zwischen 1918 und 1921
Im Februar 1919 erlebte die ukrainische Stadt Proskuriv ein grausames Pogrom. In diesen Wochen befand sich das "Direktorium", die Regierung, die eine selbständige Ukraine etablieren wollte, schon auf dem Rückzug, politisch wie militärisch. Aus Kiew war sie vertrieben, nun sollte Proskuriv, 40 000 Einwohner und Eisenbahnknotenpunkt, zum Bollwerk gegen die Bolschewiki werden. Kosaken waren bereits dort untergebracht, Männer, die sich auf ihre Härte und Rücksichtslosigkeit etwas einbildeten und dazu auch Anlass hatten.
Unseligerweise bereiteten junge Bolschewiki mit anderen Radikalen gerade einen Aufstand vor. In der jüdischen Gemeinde, die etwa 11 000 Menschen umfasste, machte man sich Sorgen, die Verschwörung werde in einem Pogrom enden, man hatte Erfahrungen. Allen Mahnungen zum Trotz wurde der Aufstand versucht, doch im Nu niedergeschlagen. Die Truppen des Direktoriums feierten ihren Sieg, es gab Wodka, und dann ließ der Kommandant einen Eid ablegen, man werde "die Alten wie die Jungen umbringen, aber nicht stehlen".
Natürlich ging es bei den "Alten und Jungen" um die Juden. Aber warum? Die Religion war den meisten wohl nicht so wichtig. Aber man brachte die Juden mit dem Bolschewismus in Verbindung. Doch ging es nicht nur gegen die, die tatsächlich oder möglicherweise Bolschewiki waren, sondern auch gegen die Frommen, die Hausfrauen, selbst Kinder und Babys. Es wurde vergewaltigt und geplündert. Das Massaker dauerte vier Stunden, 1200 Menschen starben an diesem Tag, weitere 600 später an ihren Verletzungen.
Es waren nicht einzelne Übergriffe, es war eine Aktion aus umfassendem Vernichtungswillen, durchgeführt von Truppen aus verschiedenen Divisionen. Die Zivilbevölkerung machte mit, übrigens auch wohlhabende, gebildete Bürger, von Mitleid und Hilfe für die Verfolgten ist wenig überliefert. Ein besonders trübes Bild gaben die Eliten ab, vor allem die Kirchen. Auch sie setzten sich nicht für die Verfolgten ein, obwohl sie - das ist aus einzelnen Gegenbeispielen zu schließen - sehr wohl Einfluss zum Besseren hätten geltend machen können.
In den rund drei Jahren zwischen Ende des Ersten Weltkriegs und des Russischen Bürgerkriegs waren Pogrome im ukrainischen Raum keine Seltenheit. Man schätzt ihre Zahl auf rund 1000, die der Todesopfer ist ungewiss, sie wird über 100 000 gelegen haben; es gibt Zählungen, die auf 300 000 Tote kommen. Dazu ist an etwa 600 000 Juden zu denken, die ins Ausland flohen, und Millionen anderer, die innerhalb des Landes eine neue Bleibe suchten.
Jeffrey Veidlinger, Professor für Geschichte und Judaistik an der University of Michigan in Ann Arbor, hat dem Thema ein beeindruckendes Buch gewidmet: "Mitten im zivilisierten Europa. Die Pogrome von 1918 bis 1921 und die Vorgeschichte des Holocaust". Gerade in Deutschland denkt man beim Holocaust gleich an Vernichtungslager und Gaskammern. Doch ungefähr ein Drittel der ermordeten Juden wurde in der Nähe der eigenen Häuser umgebracht, unter Mitwirkung von Nachbarn und Bekannten, "noch bevor die Vernichtungslager 1942 in Betrieb genommen wurden". Die Deutschen fanden 1941 in der Ukraine eine "jahrzehntealte Todeszone" vor, wo man sich an den Massenmord zu gewöhnen schon Gelegenheit gehabt hatte, "wo das Unvorstellbare bereits Realität geworden war".
Doch waren auch die westlichen Gesellschaften davon informiert worden. Veidlinger kann seitenlang Stimmen der amerikanischen Presse zitieren, die über die Mordtaten zwischen 1918 und 1921 unterrichten und fragen, was wohl noch komme: "Wird ein Massaker an den Juden der nächste europäische Schrecken sein?" Was geschehen war, weckte die Befürchtung, die Juden könnten "eines Tages ohne Ausnahme vernichtet werden". Es war eine Befürchtung, die rasch vergessen wurde.
Es ist Veidlingers große Leistung, die Schrecken der Ereignisse in einem gefassten Ton vor Augen zu stellen, mit einer ganz eigenen Umsicht. Dazu gehören seine Erklärungen, wie diese Gewaltexplosion möglich wurde. Das Zusammenleben von Christen und Juden war "in gewöhnlichen Zeiten friedlich, mitunter sogar freundschaftlich" gewesen. Doch Krieg und Revolution hatten alles umgeworfen. Zwischen 1914 und 1921 verlor die Ukraine fast 20 Prozent ihrer Bevölkerung - was mehr ist als die Verluste der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg.
Die Grenzkonflikte zwischen Polen, dem neuen Staat der Bolschewiki und der Ukraine brachten ständig neue Machtverhältnisse hervor. Zwischen 1917 und 1920 erlebte Kiew 13 Herrschaftswechsel, jeder mit Willkür, Gewalt, Beschlagnahmungen verbunden. Diese Verwirrungen (und ein Krieg mit unklaren Fronten ist besonders verwirrend) "trieben Menschen dazu, sich eng an ihre Gruppe zu halten und sich gegen jene zu wenden, die sie als anders ansahen". Dazu kamen die ideologischen Kämpfe.
Die Landbevölkerung neigte dazu, die Bolschewiki mit den Juden zu identifizieren. Diesen Punkt erörtert Veidlinger immer wieder neu mit Blick auf die lokalen Verhältnisse. Es gab Orte und Momente, wo unter den Bolschewiki überproportional viele Juden waren, aber durchweg ist das nicht der Fall. Wenn dieser Eindruck sich dennoch verbreitete, hatte das nicht nur mit einem seit je virulenten Antisemitismus zu tun. Es spielte auch der Gegensatz von Stadt und Land eine Rolle. Juden waren Städter, auf dem Land selten, das jiddische "goi" meint den Nichtjuden wie den Bauern.
Das verbreitete Unterlegenheitsgefühl der Dörfler war noch angeheizt worden durch die Eisenbahn, die den Städten einen speziellen Aufschwung verliehen hatte und die Ungleichheit von Stadt und Land verschärfte. Mit der Revolution kam das Versprechen einer Landreform, die den Bauern Freiheit und eigenen Boden geben sollte, doch daraus wurde nichts. Es war eine Enttäuschung für die Landbevölkerung, die feststellen musste, dass sich niemand für sie einsetzen wollte. Die Schuld suchte sie in den Städten - bei den Juden. STEPHAN SPEICHER
Jeffrey Veidlinger: "Mitten im zivilisierten Europa". Die Pogrome von 1918 bis 1921 und die Vorgeschichte des Holocaust.
Aus dem Englischen von Martin Richter. C. H. Beck Verlag, München 2022. 456 S., Abb., geb. 34,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Vorläufer des Holocaust: Jeffrey Veidlinger erinnert an osteuropäische Pogrome zwischen 1918 und 1921
Im Februar 1919 erlebte die ukrainische Stadt Proskuriv ein grausames Pogrom. In diesen Wochen befand sich das "Direktorium", die Regierung, die eine selbständige Ukraine etablieren wollte, schon auf dem Rückzug, politisch wie militärisch. Aus Kiew war sie vertrieben, nun sollte Proskuriv, 40 000 Einwohner und Eisenbahnknotenpunkt, zum Bollwerk gegen die Bolschewiki werden. Kosaken waren bereits dort untergebracht, Männer, die sich auf ihre Härte und Rücksichtslosigkeit etwas einbildeten und dazu auch Anlass hatten.
Unseligerweise bereiteten junge Bolschewiki mit anderen Radikalen gerade einen Aufstand vor. In der jüdischen Gemeinde, die etwa 11 000 Menschen umfasste, machte man sich Sorgen, die Verschwörung werde in einem Pogrom enden, man hatte Erfahrungen. Allen Mahnungen zum Trotz wurde der Aufstand versucht, doch im Nu niedergeschlagen. Die Truppen des Direktoriums feierten ihren Sieg, es gab Wodka, und dann ließ der Kommandant einen Eid ablegen, man werde "die Alten wie die Jungen umbringen, aber nicht stehlen".
Natürlich ging es bei den "Alten und Jungen" um die Juden. Aber warum? Die Religion war den meisten wohl nicht so wichtig. Aber man brachte die Juden mit dem Bolschewismus in Verbindung. Doch ging es nicht nur gegen die, die tatsächlich oder möglicherweise Bolschewiki waren, sondern auch gegen die Frommen, die Hausfrauen, selbst Kinder und Babys. Es wurde vergewaltigt und geplündert. Das Massaker dauerte vier Stunden, 1200 Menschen starben an diesem Tag, weitere 600 später an ihren Verletzungen.
Es waren nicht einzelne Übergriffe, es war eine Aktion aus umfassendem Vernichtungswillen, durchgeführt von Truppen aus verschiedenen Divisionen. Die Zivilbevölkerung machte mit, übrigens auch wohlhabende, gebildete Bürger, von Mitleid und Hilfe für die Verfolgten ist wenig überliefert. Ein besonders trübes Bild gaben die Eliten ab, vor allem die Kirchen. Auch sie setzten sich nicht für die Verfolgten ein, obwohl sie - das ist aus einzelnen Gegenbeispielen zu schließen - sehr wohl Einfluss zum Besseren hätten geltend machen können.
In den rund drei Jahren zwischen Ende des Ersten Weltkriegs und des Russischen Bürgerkriegs waren Pogrome im ukrainischen Raum keine Seltenheit. Man schätzt ihre Zahl auf rund 1000, die der Todesopfer ist ungewiss, sie wird über 100 000 gelegen haben; es gibt Zählungen, die auf 300 000 Tote kommen. Dazu ist an etwa 600 000 Juden zu denken, die ins Ausland flohen, und Millionen anderer, die innerhalb des Landes eine neue Bleibe suchten.
Jeffrey Veidlinger, Professor für Geschichte und Judaistik an der University of Michigan in Ann Arbor, hat dem Thema ein beeindruckendes Buch gewidmet: "Mitten im zivilisierten Europa. Die Pogrome von 1918 bis 1921 und die Vorgeschichte des Holocaust". Gerade in Deutschland denkt man beim Holocaust gleich an Vernichtungslager und Gaskammern. Doch ungefähr ein Drittel der ermordeten Juden wurde in der Nähe der eigenen Häuser umgebracht, unter Mitwirkung von Nachbarn und Bekannten, "noch bevor die Vernichtungslager 1942 in Betrieb genommen wurden". Die Deutschen fanden 1941 in der Ukraine eine "jahrzehntealte Todeszone" vor, wo man sich an den Massenmord zu gewöhnen schon Gelegenheit gehabt hatte, "wo das Unvorstellbare bereits Realität geworden war".
Doch waren auch die westlichen Gesellschaften davon informiert worden. Veidlinger kann seitenlang Stimmen der amerikanischen Presse zitieren, die über die Mordtaten zwischen 1918 und 1921 unterrichten und fragen, was wohl noch komme: "Wird ein Massaker an den Juden der nächste europäische Schrecken sein?" Was geschehen war, weckte die Befürchtung, die Juden könnten "eines Tages ohne Ausnahme vernichtet werden". Es war eine Befürchtung, die rasch vergessen wurde.
Es ist Veidlingers große Leistung, die Schrecken der Ereignisse in einem gefassten Ton vor Augen zu stellen, mit einer ganz eigenen Umsicht. Dazu gehören seine Erklärungen, wie diese Gewaltexplosion möglich wurde. Das Zusammenleben von Christen und Juden war "in gewöhnlichen Zeiten friedlich, mitunter sogar freundschaftlich" gewesen. Doch Krieg und Revolution hatten alles umgeworfen. Zwischen 1914 und 1921 verlor die Ukraine fast 20 Prozent ihrer Bevölkerung - was mehr ist als die Verluste der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg.
Die Grenzkonflikte zwischen Polen, dem neuen Staat der Bolschewiki und der Ukraine brachten ständig neue Machtverhältnisse hervor. Zwischen 1917 und 1920 erlebte Kiew 13 Herrschaftswechsel, jeder mit Willkür, Gewalt, Beschlagnahmungen verbunden. Diese Verwirrungen (und ein Krieg mit unklaren Fronten ist besonders verwirrend) "trieben Menschen dazu, sich eng an ihre Gruppe zu halten und sich gegen jene zu wenden, die sie als anders ansahen". Dazu kamen die ideologischen Kämpfe.
Die Landbevölkerung neigte dazu, die Bolschewiki mit den Juden zu identifizieren. Diesen Punkt erörtert Veidlinger immer wieder neu mit Blick auf die lokalen Verhältnisse. Es gab Orte und Momente, wo unter den Bolschewiki überproportional viele Juden waren, aber durchweg ist das nicht der Fall. Wenn dieser Eindruck sich dennoch verbreitete, hatte das nicht nur mit einem seit je virulenten Antisemitismus zu tun. Es spielte auch der Gegensatz von Stadt und Land eine Rolle. Juden waren Städter, auf dem Land selten, das jiddische "goi" meint den Nichtjuden wie den Bauern.
Das verbreitete Unterlegenheitsgefühl der Dörfler war noch angeheizt worden durch die Eisenbahn, die den Städten einen speziellen Aufschwung verliehen hatte und die Ungleichheit von Stadt und Land verschärfte. Mit der Revolution kam das Versprechen einer Landreform, die den Bauern Freiheit und eigenen Boden geben sollte, doch daraus wurde nichts. Es war eine Enttäuschung für die Landbevölkerung, die feststellen musste, dass sich niemand für sie einsetzen wollte. Die Schuld suchte sie in den Städten - bei den Juden. STEPHAN SPEICHER
Jeffrey Veidlinger: "Mitten im zivilisierten Europa". Die Pogrome von 1918 bis 1921 und die Vorgeschichte des Holocaust.
Aus dem Englischen von Martin Richter. C. H. Beck Verlag, München 2022. 456 S., Abb., geb. 34,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Ein bahnbrechendes Werk, das dazu beiträgt, Geschichte - und Gegenwart - verständlich und begreifbar zu machen."
taz, Klaus Hillenbrand
"Lässt sich mit Gewinn lesen."
h-soz-kult, Alexis Hofmeister
"Vielfach erhellend beständig bestürzend"
Bayern 2, Niels Beintker
"Hervorragend recherchiert"
Die Furche, Stefan Schocher
"Veidlinger ist ein großer Wurf gelungen. Er hat Hunderte Chroniken der osteuropäischen jüdischen Gemeinden und weitere Quellenbestände analysiert und einen vergessenen Völkermord wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt."
Das Parlament, Aschot Manutscharjan
"Detailliert, klar geschrieben, gründlich recherchiert."
The Times
"Veidlingers Buch steht Timothy Snyders Bloodlands in nichts nach und zwingt uns, den Blick nach Osten zu richten. Es ist gründlich recherchiert und meisterhaft geschrieben, mit einer kühlen Zurückhaltung, die seine Stärke nur potenziert."
The Telegraph, Patrick Bishop
"Veidlingers prägnante Sprache und seine umfangreichen Forschungen führen das Ausmaß der Tragödie unmittelbar vor Augen und erschüttern zutiefst. Dies ist ein ganz wesentlicher Beitrag zum Verständnis des Holocaust."
Publishers Weekly
"Die Massenmorde an den Juden in den Jahren 1918-21 bilden das Bindeglied zwischen den örtlich begrenzten Pogromen und der systematischen Ausrottung durch den Holocaust. Keine Geschichte dieser jüdischen Katastrophe reicht an die Virtuosität der Forschung, die Klarheit der Prosa und die Kraft der Analyse dieses außergewöhnlichen Buches heran. Wenn der Schrecken der Ereignisse in Mitgefühl und Einsicht mündet, ist der Leser Veidlinger dafür dankbar, dass er uns daran erinnert, was Geschichte bewirken kann."
Timothy Snyder
taz, Klaus Hillenbrand
"Lässt sich mit Gewinn lesen."
h-soz-kult, Alexis Hofmeister
"Vielfach erhellend beständig bestürzend"
Bayern 2, Niels Beintker
"Hervorragend recherchiert"
Die Furche, Stefan Schocher
"Veidlinger ist ein großer Wurf gelungen. Er hat Hunderte Chroniken der osteuropäischen jüdischen Gemeinden und weitere Quellenbestände analysiert und einen vergessenen Völkermord wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt."
Das Parlament, Aschot Manutscharjan
"Detailliert, klar geschrieben, gründlich recherchiert."
The Times
"Veidlingers Buch steht Timothy Snyders Bloodlands in nichts nach und zwingt uns, den Blick nach Osten zu richten. Es ist gründlich recherchiert und meisterhaft geschrieben, mit einer kühlen Zurückhaltung, die seine Stärke nur potenziert."
The Telegraph, Patrick Bishop
"Veidlingers prägnante Sprache und seine umfangreichen Forschungen führen das Ausmaß der Tragödie unmittelbar vor Augen und erschüttern zutiefst. Dies ist ein ganz wesentlicher Beitrag zum Verständnis des Holocaust."
Publishers Weekly
"Die Massenmorde an den Juden in den Jahren 1918-21 bilden das Bindeglied zwischen den örtlich begrenzten Pogromen und der systematischen Ausrottung durch den Holocaust. Keine Geschichte dieser jüdischen Katastrophe reicht an die Virtuosität der Forschung, die Klarheit der Prosa und die Kraft der Analyse dieses außergewöhnlichen Buches heran. Wenn der Schrecken der Ereignisse in Mitgefühl und Einsicht mündet, ist der Leser Veidlinger dafür dankbar, dass er uns daran erinnert, was Geschichte bewirken kann."
Timothy Snyder