Now that '3-D models' are so often digital displays on flat screens, it is timely to look back at the solid models that were once the third dimension of science. This book is about wooden ships and plastic molecules, wax bodies and a perspex economy, monuments in cork and mathematics in plaster, casts of diseases, habitat dioramas, and extinct monsters rebuilt in bricks and mortar. These remarkable artefacts were fixtures of laboratories and lecture halls, studios and workshops, dockyards and museums. Considering such objects together for the first time, this interdisciplinary volume demonstrates how, in research as well as in teaching, 3-D models played major roles in making knowledge. Accessible and original chapters by leading scholars highlight the special properties of models, explore the interplay between representation in two dimensions and three, and investigate the shift to modelling with computers. The book is fascinating reading for anyone interested in the sciences, medicine, and technology, and in collections and museums.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2005Die bunten Bälle hier sind in diesem Fall die Atome
Das wird ein Standardwerk werden: Erkundigungen über die Modelle in den Wissenschaften
Es war die Freitagabendvorlesung an der Londoner Royal Institution, und die Eleganz des Vortrags sollte Wissenschaftsgeschichte schreiben. Vor den Augen eines erlesenen Publikums, darunter der Prince of Wales, spielte der Chemiker August Wilhelm Hofmann Tischkrocket - fast. Hofmann erklärte seine bunten Krocketbälle zu Atomen: rot für Sauerstoff, schwarz für Kohlenstoff, weiß für Wasserstoff, blau für Stickstoff, grün für Chlor. Mit gekonnten Handgriffen baute er aus Holzkugeln neue Welten, Wassermoleküle, Salz- und Perchlorsäuren, ein klarer Publikumserfolg. Zuvor mußten die Wissenschaftler aus Erbsen und Zahnstochern in ihren Chemiebaukästen die Verbindungen zusammenfummeln. Mit der Erbsenzählerei war Schluß.
Mit Hofmann brach 1865 die Belle Epoque der Chemie an: die Zeit der großen Modelle, die bis ins zwanzigste Jahrhundert andauerte. Hofmanns Krocketbaukasten hat der Regensburger Wissenschaftshistoriker Christoph Meinel ausfindig gemacht und seine Geschichte in der Chemie untersucht. Wie es weitergeht, kann man bei Soraya de Chadarevian nachlesen: von den skurillen Basteleien der Kristallographen im zwanzigsten Jahrhundert, den gestellten Aufnahmen des Doppelhelix-Modells mit Crick und Watson (das ursprüngliche Modell war karger) und den Fernsehserien der sechziger Jahre auf BBC, in denen die Stars Molekülmodelle waren. Das Wort Propaganda wollte im Westen niemand im Mund führen. Das Ziel der Fernsehmehrteiler benannte der Direktor für Öffentlichkeitsarbeit der britischen Atomenergiebehörde ohne Umschweife. Das Publikum sollte mit der Vorstellung "durchtränkt" werden, Wissenschaft sei faszinierend, aber mühselig, kurzum die Domäne der "backroom boys of science". Gegen die "Physik des Todes", die seit dem Abwurf der Atombombe ein Öffentlichkeitsproblem hatte, wurde die "Physik des Lebens" ins Rennen geschickt, eine neue plastikbunte saubere Molekularbiologie.
Die Aufsätze finden sich in dem Band "Models", herausgegeben von den Wissenschaftshistorikern de Chadarevian und Hopwood aus Cambridge. Chronologisch behandeln dreizehn Aufsätze Modelle in der Wissenschaftsgeschichte, von der Aufklärung bis ins einundzwanzigste Jahrhundert. Die Molekülmodelle finden sich in Gesellschaft von Blitzmaschinen, Dinosaurierplastiken, Wachsembryonen, Moulagen, Schiffsmodellen, Geometrieobjekten, Miniaturkutschen, Dioramen und künstlichen Darmtrakten.
Der Grund, warum die wissenschaftlichen Parallelwelten bisher in der Geschichte wenig behandelt worden sind, liegt auf der Hand: Modelle sind, im Gegensatz zu Texten und Bildern, schwer zu archivieren, schwer zu katalogisieren und für den text- und bilderprobten Historiker, da es sich oft um Unikate handelt, schwer zugänglich. Die Kehrseite ist ebenso evident: Modelle spielen in der Wissenschaft eine entscheidende Rolle, in Forschung, Lehre und Öffentlichkeitsarbeit. Die Beiträge der Philosophen, Archäologen, Ökonomen, Kunst- und Wissenschaftshistoriker sind frei von Jargon. Man ist in die Archive gegangen, hat Schätze geborgen und die Geschichte recherchiert. Herausgekommen sind intime Porträts von Wissenschaft: die Geschichte des Florentiner Wachsfigurenmodelleurs Fontana und seiner Versuche, Menschen aus Holz zu bauen; die abgelauschten Gespräche zwischen der Moulagistin Elfriede Walther und ihren versehrten Patienten; der Triumph des australischen Ingenieurs Phillips an der London School of Economics, als die Phillips Machine, ein mannshohes Ungetüm aus Wasserbehältern, Schläuchen und Pumpen, die den Wirtschaftskreislauf simulieren, seufzend und platschend einen lang gehegten Streit unter Ökonomen auflöste. Selten wurde Wissenschaft so genau auf die Hände geschaut.
Die Reisen durch die eigenwilligen Ersatz-, Klein- und Scheinwelten geben einen tiefen Einblick in wissenschaftliches Arbeiten. Sie berichten von den Mühen, Phänomene zu erforschen und zu vermitteln, die fast immer zu groß, zu klein, zu schnell, zu langsam, zu gefährlich, zu komplex oder zu vergänglich sind, um vom Menschen ohne Modelle erfaßt werden zu können. Den Leser lehrt der Sammelband die Wissenschaft zu fragen: Wie kann man das erforschen? Wenn er Glück hat, wird er auf Wissenschaftler treffen, die bereit sind, von ihren Modellwelten zu erzählen, wie in dem Band geschehen. "Models in Science" ist ein Platz unter den Standardwerken der Wissenschaftsgeschichte sicher.
JULIA VOSS
Soraya de Chadarevian, Nick Hopwood (Ed.): "Models". The Third Dimension of Science. Stanford University Press, Stanford 2005. 464 S., Abb., br., 24,95 $.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das wird ein Standardwerk werden: Erkundigungen über die Modelle in den Wissenschaften
Es war die Freitagabendvorlesung an der Londoner Royal Institution, und die Eleganz des Vortrags sollte Wissenschaftsgeschichte schreiben. Vor den Augen eines erlesenen Publikums, darunter der Prince of Wales, spielte der Chemiker August Wilhelm Hofmann Tischkrocket - fast. Hofmann erklärte seine bunten Krocketbälle zu Atomen: rot für Sauerstoff, schwarz für Kohlenstoff, weiß für Wasserstoff, blau für Stickstoff, grün für Chlor. Mit gekonnten Handgriffen baute er aus Holzkugeln neue Welten, Wassermoleküle, Salz- und Perchlorsäuren, ein klarer Publikumserfolg. Zuvor mußten die Wissenschaftler aus Erbsen und Zahnstochern in ihren Chemiebaukästen die Verbindungen zusammenfummeln. Mit der Erbsenzählerei war Schluß.
Mit Hofmann brach 1865 die Belle Epoque der Chemie an: die Zeit der großen Modelle, die bis ins zwanzigste Jahrhundert andauerte. Hofmanns Krocketbaukasten hat der Regensburger Wissenschaftshistoriker Christoph Meinel ausfindig gemacht und seine Geschichte in der Chemie untersucht. Wie es weitergeht, kann man bei Soraya de Chadarevian nachlesen: von den skurillen Basteleien der Kristallographen im zwanzigsten Jahrhundert, den gestellten Aufnahmen des Doppelhelix-Modells mit Crick und Watson (das ursprüngliche Modell war karger) und den Fernsehserien der sechziger Jahre auf BBC, in denen die Stars Molekülmodelle waren. Das Wort Propaganda wollte im Westen niemand im Mund führen. Das Ziel der Fernsehmehrteiler benannte der Direktor für Öffentlichkeitsarbeit der britischen Atomenergiebehörde ohne Umschweife. Das Publikum sollte mit der Vorstellung "durchtränkt" werden, Wissenschaft sei faszinierend, aber mühselig, kurzum die Domäne der "backroom boys of science". Gegen die "Physik des Todes", die seit dem Abwurf der Atombombe ein Öffentlichkeitsproblem hatte, wurde die "Physik des Lebens" ins Rennen geschickt, eine neue plastikbunte saubere Molekularbiologie.
Die Aufsätze finden sich in dem Band "Models", herausgegeben von den Wissenschaftshistorikern de Chadarevian und Hopwood aus Cambridge. Chronologisch behandeln dreizehn Aufsätze Modelle in der Wissenschaftsgeschichte, von der Aufklärung bis ins einundzwanzigste Jahrhundert. Die Molekülmodelle finden sich in Gesellschaft von Blitzmaschinen, Dinosaurierplastiken, Wachsembryonen, Moulagen, Schiffsmodellen, Geometrieobjekten, Miniaturkutschen, Dioramen und künstlichen Darmtrakten.
Der Grund, warum die wissenschaftlichen Parallelwelten bisher in der Geschichte wenig behandelt worden sind, liegt auf der Hand: Modelle sind, im Gegensatz zu Texten und Bildern, schwer zu archivieren, schwer zu katalogisieren und für den text- und bilderprobten Historiker, da es sich oft um Unikate handelt, schwer zugänglich. Die Kehrseite ist ebenso evident: Modelle spielen in der Wissenschaft eine entscheidende Rolle, in Forschung, Lehre und Öffentlichkeitsarbeit. Die Beiträge der Philosophen, Archäologen, Ökonomen, Kunst- und Wissenschaftshistoriker sind frei von Jargon. Man ist in die Archive gegangen, hat Schätze geborgen und die Geschichte recherchiert. Herausgekommen sind intime Porträts von Wissenschaft: die Geschichte des Florentiner Wachsfigurenmodelleurs Fontana und seiner Versuche, Menschen aus Holz zu bauen; die abgelauschten Gespräche zwischen der Moulagistin Elfriede Walther und ihren versehrten Patienten; der Triumph des australischen Ingenieurs Phillips an der London School of Economics, als die Phillips Machine, ein mannshohes Ungetüm aus Wasserbehältern, Schläuchen und Pumpen, die den Wirtschaftskreislauf simulieren, seufzend und platschend einen lang gehegten Streit unter Ökonomen auflöste. Selten wurde Wissenschaft so genau auf die Hände geschaut.
Die Reisen durch die eigenwilligen Ersatz-, Klein- und Scheinwelten geben einen tiefen Einblick in wissenschaftliches Arbeiten. Sie berichten von den Mühen, Phänomene zu erforschen und zu vermitteln, die fast immer zu groß, zu klein, zu schnell, zu langsam, zu gefährlich, zu komplex oder zu vergänglich sind, um vom Menschen ohne Modelle erfaßt werden zu können. Den Leser lehrt der Sammelband die Wissenschaft zu fragen: Wie kann man das erforschen? Wenn er Glück hat, wird er auf Wissenschaftler treffen, die bereit sind, von ihren Modellwelten zu erzählen, wie in dem Band geschehen. "Models in Science" ist ein Platz unter den Standardwerken der Wissenschaftsgeschichte sicher.
JULIA VOSS
Soraya de Chadarevian, Nick Hopwood (Ed.): "Models". The Third Dimension of Science. Stanford University Press, Stanford 2005. 464 S., Abb., br., 24,95 $.
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