"Das wichtigste Werk der Kochkunst seit Escoffier."
-Tim Zagat
Die Revolution der Kochkunst hat begonnen. Genauso wie die französischen Impressionisten jahrhundertealte Traditionen auf den Kopf stellten, sprengt die Molekularküche seit einigen Jahren die Grenzen der kulinarischen Welt. Experimentierfreudige Küchenchefs weltbekannter Restaurants wie elBulli, The Fat Duck, Alinea und wd~50 übernehmen aus Forschungslaboren völlig neuartige Verfahren und bereichern ihre Kreationen durch neueste wissenschaftliche Erkenntnisse und Entwicklungen in der Kochtechnik.
Mit Modernist Cuisine: Die Revolution der Kochkunst schufen Nathan Myhrvold, Chris Young und Maxime Bilet - allesamt Forscher, Erfinder und Meister des Küchenfachs - ein sechsbändiges, 2440 Seiten starkes Kompendium mit wissenschaftlich inspirierten Zubereitungsmethoden, die überirdisch bis sublim anmuten. Mit Utensilien wie Wasserbad, Homogenisator, Zentrifuge und Zutaten wie Hydrokolloiden, Emulgatoren und Enzymen gestalten die Autoren und ihr 20-köpfiges Team von The Cooking Lab verblüffend neue Aromen und Texturen. Ihre Modernist Cuisine erfindet das Kochen neu.
Wie macht man ein Omelett außen leicht und zart und innen üppig und cremig? Oder außen wunderbar knusprige und innen luftig leichte Pommes frites, die kross bleiben? Stellen Sie sich vor, Sie umschließen eine Muschel mit einer Gelkugel aus ihrem süßen und zugleich salzigen Saft. Oder Ihnen gelingt eine zartschmelzende Pistazienbutter allein aus den Fruchtkernen. Modernist Cuisine erklärt Ihnen die Grundlagen dieser Techniken und führt Sie mit ausführlich bebilderten Anleitungen durch die einzelnen Arbeitsschritte. Tausende von Fotos und Grafiken veranschaulichen die wissenschaftlichen und technologischen Aspekte der Kochkunst, und spektakuläre neue Fototechniken gewähren dem Leser buchstäblich Einblicke in die Lebensmittel: Der Garprozess wird in Bildern dargestellt - von Mikroskopaufnahmen der Fleischfasern bis zum Querschnitt eines ganzen Weber-Grills. Nach der ausführlichen Lektüre dieses Buches werden Sie das Kochen und Essen in neuem Licht betrachten.
Sie erfahren,
warum der Garprozess nicht aufhört, wenn Sie Lebensmittel mit Eiswasser abschrecken, wann Kochen schneller geht als Dämpfen, warum die Hitze nicht reduziert wird, wenn der Grillrost höher gesetzt wird, warum Backen in erster Linie ein Trocknungsprozess ist, warum frittierte Lebensmittel besser bräunen und schmecken, wenn man sie in älterem Öl ausbackt, wie man mit modernen Kochtechniken optimale Ergebnisse erzielen kann und dabei auch ohne perfektes Timing und das Quäntchen Glück auskommt - Faktoren, die bei traditionellen Methoden so entscheidend sein können.
Die vielseitigen Beiträge bieten
Einblicke in die erstaunlichen wissenschaftlichen Grundlagen traditioneller Zubereitungsmethoden wie Grillen, Räuchern und Braten, einen einzigartigen Leitfaden zum Sous-vide-Garen mit Empfehlungen rund um Wasserbäder, Verpackungsmaterialien, Vakuumiergeräte und Garmethoden sowie Tipps zur Soforthilfe bei kleinen Pannen, Hunderte detaillierte Rezepte und Schritt-für-Schritt-Anleitungen zur Zubereitung von Fleisch, Fisch und Meeresfrüchten (mehr als 250 Seiten) sowie Obst, Gemüse und Getreide (130 Seiten), ausführliche Darstellungen über den wirkungsvollen Einsatz von modernen Verdickungsmitteln, Gelen, Emulsionen und Schäumen mit Beispielrezepten und Formeln sowie mehr als 300 Seiten mit neuen Rezepten, die sich als Hauptgerichte für die Spitzengastronomie eignen, sowie zahlreichen weiteren Rezepten, die von Meisterköchen wie Grant Achatz, Ferran Adrià, Heston Blumenthal, David Chang, Wylie Dufresne, David Kinch und vielen anderen entwickelt wurden.
Band 1: Geschichte & Grundlagen
Band 2: Techniken & Ausstattung
Band 3: Tiere & Pflanzen<
-Tim Zagat
Die Revolution der Kochkunst hat begonnen. Genauso wie die französischen Impressionisten jahrhundertealte Traditionen auf den Kopf stellten, sprengt die Molekularküche seit einigen Jahren die Grenzen der kulinarischen Welt. Experimentierfreudige Küchenchefs weltbekannter Restaurants wie elBulli, The Fat Duck, Alinea und wd~50 übernehmen aus Forschungslaboren völlig neuartige Verfahren und bereichern ihre Kreationen durch neueste wissenschaftliche Erkenntnisse und Entwicklungen in der Kochtechnik.
Mit Modernist Cuisine: Die Revolution der Kochkunst schufen Nathan Myhrvold, Chris Young und Maxime Bilet - allesamt Forscher, Erfinder und Meister des Küchenfachs - ein sechsbändiges, 2440 Seiten starkes Kompendium mit wissenschaftlich inspirierten Zubereitungsmethoden, die überirdisch bis sublim anmuten. Mit Utensilien wie Wasserbad, Homogenisator, Zentrifuge und Zutaten wie Hydrokolloiden, Emulgatoren und Enzymen gestalten die Autoren und ihr 20-köpfiges Team von The Cooking Lab verblüffend neue Aromen und Texturen. Ihre Modernist Cuisine erfindet das Kochen neu.
Wie macht man ein Omelett außen leicht und zart und innen üppig und cremig? Oder außen wunderbar knusprige und innen luftig leichte Pommes frites, die kross bleiben? Stellen Sie sich vor, Sie umschließen eine Muschel mit einer Gelkugel aus ihrem süßen und zugleich salzigen Saft. Oder Ihnen gelingt eine zartschmelzende Pistazienbutter allein aus den Fruchtkernen. Modernist Cuisine erklärt Ihnen die Grundlagen dieser Techniken und führt Sie mit ausführlich bebilderten Anleitungen durch die einzelnen Arbeitsschritte. Tausende von Fotos und Grafiken veranschaulichen die wissenschaftlichen und technologischen Aspekte der Kochkunst, und spektakuläre neue Fototechniken gewähren dem Leser buchstäblich Einblicke in die Lebensmittel: Der Garprozess wird in Bildern dargestellt - von Mikroskopaufnahmen der Fleischfasern bis zum Querschnitt eines ganzen Weber-Grills. Nach der ausführlichen Lektüre dieses Buches werden Sie das Kochen und Essen in neuem Licht betrachten.
Sie erfahren,
warum der Garprozess nicht aufhört, wenn Sie Lebensmittel mit Eiswasser abschrecken, wann Kochen schneller geht als Dämpfen, warum die Hitze nicht reduziert wird, wenn der Grillrost höher gesetzt wird, warum Backen in erster Linie ein Trocknungsprozess ist, warum frittierte Lebensmittel besser bräunen und schmecken, wenn man sie in älterem Öl ausbackt, wie man mit modernen Kochtechniken optimale Ergebnisse erzielen kann und dabei auch ohne perfektes Timing und das Quäntchen Glück auskommt - Faktoren, die bei traditionellen Methoden so entscheidend sein können.
Die vielseitigen Beiträge bieten
Einblicke in die erstaunlichen wissenschaftlichen Grundlagen traditioneller Zubereitungsmethoden wie Grillen, Räuchern und Braten, einen einzigartigen Leitfaden zum Sous-vide-Garen mit Empfehlungen rund um Wasserbäder, Verpackungsmaterialien, Vakuumiergeräte und Garmethoden sowie Tipps zur Soforthilfe bei kleinen Pannen, Hunderte detaillierte Rezepte und Schritt-für-Schritt-Anleitungen zur Zubereitung von Fleisch, Fisch und Meeresfrüchten (mehr als 250 Seiten) sowie Obst, Gemüse und Getreide (130 Seiten), ausführliche Darstellungen über den wirkungsvollen Einsatz von modernen Verdickungsmitteln, Gelen, Emulsionen und Schäumen mit Beispielrezepten und Formeln sowie mehr als 300 Seiten mit neuen Rezepten, die sich als Hauptgerichte für die Spitzengastronomie eignen, sowie zahlreichen weiteren Rezepten, die von Meisterköchen wie Grant Achatz, Ferran Adrià, Heston Blumenthal, David Chang, Wylie Dufresne, David Kinch und vielen anderen entwickelt wurden.
Band 1: Geschichte & Grundlagen
Band 2: Techniken & Ausstattung
Band 3: Tiere & Pflanzen<
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.09.2011Man nehme 18 kg Buch . . .
Nathan Myhrvold widmet sich in seinem Riesenwerk "Modernist Cuisine" dem naturwissenschaftlichen Hintergrund des Kochens.
Modernist Cuisine" von Nathan Myhrvold ist ein gigantisches Buch. Der Ruf, der ihm vorauseilt, hat allerdings in erster Linie etwas damit zu tun, dass die fünf großen Bände in einer Plexiglas-Kassette nebst einem kleineren Handbuch zusammen 17,8 Kilogramm wiegen und das Ganze natürlich auch ein paar hundert Dollar kostet. Der Amerikaner Myhrvold ist ein zweiundfünfzigjähriger Naturwissenschaftler, Erfinder und langjähriger Hobbykoch, der mit diesem Werk die Arbeit anderer am Kochen interessierter Kollegen wie Harold McGee ("On Food and Cooking"), Robert L. Wolke ("What Einstein Told His Cook"), oder Hervé This ("Les secrets de la casserole") fortsetzt, zusammenfasst, erheblich ausweitet und vor allem in nie gesehener Genauigkeit und Anschaulichkeit mit Tausenden von Fotos darstellt.
Zur Illustration der Untersuchungen werden immer wieder Schnittbilder herangezogen, für deren Herstellung man buchstäblich alles halbiert hat, also nicht nur Produkte, sondern auch Töpfe oder Küchenmaschinen. Diese neuartige Darstellung wird durch einen enormen Forscherdrang ergänzt, der absolut kein Detail auf sich beruhen lässt und die Ergebnisse in einer Vielzahl von Grafiken und Tabellen präzise wiedergibt. Für das naturwissenschaftliche Verständnis des Kochens im weitesten Sinne setzt dieses Buch Maßstäbe: "Modernist Cuisine" ist hier schlicht und einfach das Nonplusultra.
Es geht zum Beispiel um "Mikrobiologie für Köche", "Lebensmittelsicherheit", "Hitze und Energie", die "Physik von Lebensmitteln und Wasser", "Traditionelles Kochen", "Kochen in modernen Öfen", "Vakuumgarung", "Fleisch und Meeresfrüchte" (mit dem gemeinsamen Schwerpunkt Muskelfleisch). Es folgen Ausführung zur Pflanzenphysiologie und (fast) jeder bisher bekannten Zubereitungsform, zu Verdickungsmitteln, Gelees, Emulsionen, Schäumen. Der letzte Band enthält Rezepte für komplette Gerichte, die quasi alle Techniken in sich vereinen und stilistisch von der Klassik über eine Art modernisierter Klassik bis zu Avantgarde-Kreationen reichen. Aus diesen Darstellungen wird jeder Interessierte großen Nutzen ziehen können. Es werden Klischees revidiert (natürlich auch das vom "Versiegeln" des Fleisches gegen Wasserverlust durch scharfes Anbraten), und insgesamt wird es vermutlich Jahre dauern, bis kreative Köche - oder auch solche, die nach Optimierung streben - die Ergebnisse dieser Forschungen in ihre Arbeit eingebaut haben.
Drei Aspekte verdienen eine genauere Würdigung. Da ist zunächst der Grundansatz des Buchs, der in der gegenwärtigen Landschaft noch für einige Kontroversen sorgen dürfte. Myhrvold sieht den Beginn der Moderne eindeutig erst bei Ferran Adrià und Co., also nicht etwa bei den Protagonisten der Nouvelle Cuisine und schon gar nicht bei Köchen wie Escoffier (1846 bis 1935). Zwischen Carême (1784 bis 1833) und Escoffier habe sich kaum etwas getan, und Escoffier selbst habe nur Dinge zusammengetragen und sich ansonsten um die Professionalisierung der Küchenorganisation verdient gemacht.
Myhrvold bezieht also eine Position, die die französische Küche sehr wohl würdigt und in Ehren hält, ihr aber einen begrenzten Platz zuspricht. Viel wichtiger ist eine spanisch-angelsächsische Achse, die zunehmend an die Stelle der nachlassenden Impulse durch die französische Küche tritt. Wenn man - was auch die Franzosen gern tun - die Kochkunst in Verkennung der kommunikationstheoretischen Zusammenhänge stark auf handwerkliche Parameter reduziert, ist dieser Ansatz verständlich.
Auf Basis dieses Ansatzes entwickelt Myhrvold zweitens die Techniken der Moderne logisch aus naturwissenschaftlichen Erkenntnissen heraus. Der Weg führt vom Bauchgefühl, das die alte Küche bis heute weitgehend dominiert und das kaum präzise weitergegeben werden kann, zu einer neuen Positionierung: einer "technischen Emotion" (tecno-emoción, wie das die Spanier nennen). Die oft kritisierten Entwicklungen der Avantgarde werden zu einer Art naturgesetzlich abgesicherten, konsequenten Fortbewegung, zu einer wirklichen Moderne, die mit Moden nichts zu tun hat.
Drittens liefert dieses Buch dann die erste wirklich breite Darstellung der Entwicklungen der Avantgarde. In bestechender Weise wird gezeigt, wie viele Ideen es weltweit in den letzten rund fünfzehn Jahren schon gegeben hat. Sieht man dies und nimmt noch die fortgeschrittenen kochtechnischen Ausführungen des Buchs hinzu, so wird klar, wie groß die Distanz zwischen einer naiven und einer differenzierten Sicht auf die Kochkunst mittlerweile ist. Diese lexikalische Übersicht über die Avantgarde hat im Grunde in "Modernist Cuisine" qualitativ einen ganz ähnlichen Rang wie die Darstellungen zu Produkten und Kochtechniken.
Was man nicht bekommt, ist gerade wegen des Ansatzes des Buchs erstaunlich. Vielleicht ist Myhrvold da - bedingt auch durch die zeitaufwendige Herstellung - einfach konzeptionell noch ein paar Jahre zurück. Sein Ansatz beschränkt sich stark auf Küche und Koch und noch nicht auf die so wichtige Rezeption. Natürlich gehört in einem einfacheren Verständnis die Rezeption nicht unbedingt in den Bereich der Forschungen eines Naturwissenschaftlers. Andererseits hängen die Dekodierung des kulinarischen Werks und eine moderne Sensorik eng zusammen. Die Fragen nach Komposition, Plastizität von Geschmacksbildern, Längen, Akkordstruktur und vielem anderen mehr bleiben - nicht wirklich unerwartet - hier noch außen vor. Sie haben im Kern einiges mit Naturwissenschaften, andererseits aber auch viel mit der Psychologie des Essens zu tun.
Diese Anmerkung zu weiteren Perspektiven soll allerdings die Qualität dieses Werks keineswegs schmälern. Es ist gigantisch, spannend und - für entsprechend disponierte Leser - sogar ziemlich süffig bis genießerisch anzugehen.
JÜRGEN DOLLASE
Die identisch aufgemachte deutsche Übersetzung soll im November zum Preis von 399 Euro im Taschen-Verlag erscheinen. Details und Überlegungen zum Nutzwert dazu dann im faz.net "Esspapier".
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nathan Myhrvold widmet sich in seinem Riesenwerk "Modernist Cuisine" dem naturwissenschaftlichen Hintergrund des Kochens.
Modernist Cuisine" von Nathan Myhrvold ist ein gigantisches Buch. Der Ruf, der ihm vorauseilt, hat allerdings in erster Linie etwas damit zu tun, dass die fünf großen Bände in einer Plexiglas-Kassette nebst einem kleineren Handbuch zusammen 17,8 Kilogramm wiegen und das Ganze natürlich auch ein paar hundert Dollar kostet. Der Amerikaner Myhrvold ist ein zweiundfünfzigjähriger Naturwissenschaftler, Erfinder und langjähriger Hobbykoch, der mit diesem Werk die Arbeit anderer am Kochen interessierter Kollegen wie Harold McGee ("On Food and Cooking"), Robert L. Wolke ("What Einstein Told His Cook"), oder Hervé This ("Les secrets de la casserole") fortsetzt, zusammenfasst, erheblich ausweitet und vor allem in nie gesehener Genauigkeit und Anschaulichkeit mit Tausenden von Fotos darstellt.
Zur Illustration der Untersuchungen werden immer wieder Schnittbilder herangezogen, für deren Herstellung man buchstäblich alles halbiert hat, also nicht nur Produkte, sondern auch Töpfe oder Küchenmaschinen. Diese neuartige Darstellung wird durch einen enormen Forscherdrang ergänzt, der absolut kein Detail auf sich beruhen lässt und die Ergebnisse in einer Vielzahl von Grafiken und Tabellen präzise wiedergibt. Für das naturwissenschaftliche Verständnis des Kochens im weitesten Sinne setzt dieses Buch Maßstäbe: "Modernist Cuisine" ist hier schlicht und einfach das Nonplusultra.
Es geht zum Beispiel um "Mikrobiologie für Köche", "Lebensmittelsicherheit", "Hitze und Energie", die "Physik von Lebensmitteln und Wasser", "Traditionelles Kochen", "Kochen in modernen Öfen", "Vakuumgarung", "Fleisch und Meeresfrüchte" (mit dem gemeinsamen Schwerpunkt Muskelfleisch). Es folgen Ausführung zur Pflanzenphysiologie und (fast) jeder bisher bekannten Zubereitungsform, zu Verdickungsmitteln, Gelees, Emulsionen, Schäumen. Der letzte Band enthält Rezepte für komplette Gerichte, die quasi alle Techniken in sich vereinen und stilistisch von der Klassik über eine Art modernisierter Klassik bis zu Avantgarde-Kreationen reichen. Aus diesen Darstellungen wird jeder Interessierte großen Nutzen ziehen können. Es werden Klischees revidiert (natürlich auch das vom "Versiegeln" des Fleisches gegen Wasserverlust durch scharfes Anbraten), und insgesamt wird es vermutlich Jahre dauern, bis kreative Köche - oder auch solche, die nach Optimierung streben - die Ergebnisse dieser Forschungen in ihre Arbeit eingebaut haben.
Drei Aspekte verdienen eine genauere Würdigung. Da ist zunächst der Grundansatz des Buchs, der in der gegenwärtigen Landschaft noch für einige Kontroversen sorgen dürfte. Myhrvold sieht den Beginn der Moderne eindeutig erst bei Ferran Adrià und Co., also nicht etwa bei den Protagonisten der Nouvelle Cuisine und schon gar nicht bei Köchen wie Escoffier (1846 bis 1935). Zwischen Carême (1784 bis 1833) und Escoffier habe sich kaum etwas getan, und Escoffier selbst habe nur Dinge zusammengetragen und sich ansonsten um die Professionalisierung der Küchenorganisation verdient gemacht.
Myhrvold bezieht also eine Position, die die französische Küche sehr wohl würdigt und in Ehren hält, ihr aber einen begrenzten Platz zuspricht. Viel wichtiger ist eine spanisch-angelsächsische Achse, die zunehmend an die Stelle der nachlassenden Impulse durch die französische Küche tritt. Wenn man - was auch die Franzosen gern tun - die Kochkunst in Verkennung der kommunikationstheoretischen Zusammenhänge stark auf handwerkliche Parameter reduziert, ist dieser Ansatz verständlich.
Auf Basis dieses Ansatzes entwickelt Myhrvold zweitens die Techniken der Moderne logisch aus naturwissenschaftlichen Erkenntnissen heraus. Der Weg führt vom Bauchgefühl, das die alte Küche bis heute weitgehend dominiert und das kaum präzise weitergegeben werden kann, zu einer neuen Positionierung: einer "technischen Emotion" (tecno-emoción, wie das die Spanier nennen). Die oft kritisierten Entwicklungen der Avantgarde werden zu einer Art naturgesetzlich abgesicherten, konsequenten Fortbewegung, zu einer wirklichen Moderne, die mit Moden nichts zu tun hat.
Drittens liefert dieses Buch dann die erste wirklich breite Darstellung der Entwicklungen der Avantgarde. In bestechender Weise wird gezeigt, wie viele Ideen es weltweit in den letzten rund fünfzehn Jahren schon gegeben hat. Sieht man dies und nimmt noch die fortgeschrittenen kochtechnischen Ausführungen des Buchs hinzu, so wird klar, wie groß die Distanz zwischen einer naiven und einer differenzierten Sicht auf die Kochkunst mittlerweile ist. Diese lexikalische Übersicht über die Avantgarde hat im Grunde in "Modernist Cuisine" qualitativ einen ganz ähnlichen Rang wie die Darstellungen zu Produkten und Kochtechniken.
Was man nicht bekommt, ist gerade wegen des Ansatzes des Buchs erstaunlich. Vielleicht ist Myhrvold da - bedingt auch durch die zeitaufwendige Herstellung - einfach konzeptionell noch ein paar Jahre zurück. Sein Ansatz beschränkt sich stark auf Küche und Koch und noch nicht auf die so wichtige Rezeption. Natürlich gehört in einem einfacheren Verständnis die Rezeption nicht unbedingt in den Bereich der Forschungen eines Naturwissenschaftlers. Andererseits hängen die Dekodierung des kulinarischen Werks und eine moderne Sensorik eng zusammen. Die Fragen nach Komposition, Plastizität von Geschmacksbildern, Längen, Akkordstruktur und vielem anderen mehr bleiben - nicht wirklich unerwartet - hier noch außen vor. Sie haben im Kern einiges mit Naturwissenschaften, andererseits aber auch viel mit der Psychologie des Essens zu tun.
Diese Anmerkung zu weiteren Perspektiven soll allerdings die Qualität dieses Werks keineswegs schmälern. Es ist gigantisch, spannend und - für entsprechend disponierte Leser - sogar ziemlich süffig bis genießerisch anzugehen.
JÜRGEN DOLLASE
Die identisch aufgemachte deutsche Übersetzung soll im November zum Preis von 399 Euro im Taschen-Verlag erscheinen. Details und Überlegungen zum Nutzwert dazu dann im faz.net "Esspapier".
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Das erstaunlichste Kochbuch unserer Zeit." Katy McLaughlin