In der vierbändigen Stadtgeschichte Düsseldorfs, die in den Jahren 1988-1990 erschien, widmet sich der früh verstorbene Historiker Peter Hüttenberger (1938-1992, Heinrich-Heine-Universität) im dritten Band dem Thema „Düsseldorf als Industrie- und Verwaltungsstadt im 20. Jahrhundert“. Im Kapitel
Düsseldorf in der Weimarer Republik befasst er sich auf den Seiten 408-412 mit dem „Fall Kürten“, den er…mehrIn der vierbändigen Stadtgeschichte Düsseldorfs, die in den Jahren 1988-1990 erschien, widmet sich der früh verstorbene Historiker Peter Hüttenberger (1938-1992, Heinrich-Heine-Universität) im dritten Band dem Thema „Düsseldorf als Industrie- und Verwaltungsstadt im 20. Jahrhundert“. Im Kapitel Düsseldorf in der Weimarer Republik befasst er sich auf den Seiten 408-412 mit dem „Fall Kürten“, den er präzise und eindrucksvoll formuliert beschreibt und als Vorzeichen des sich ausbreitenden und erstarkenden Nationalsozialismus auffasst: private Grausamkeit und perverse Mordlust gegenüber öffentlicher Verfolgung und Zerstörung bürgerlichen Lebens.
Christa Holtei greift in ihrer bewährten Art dieses nur kurz behandelte aber immer in Düsseldorf präsente und belastende Thema auf und füllt mit ihm einen handlungsreichen historisierenden Roman, in dem das Geschehen in Düsseldorf in der Zeit zwischen dem 2. Februar 1929 und dem 24. Mai 1930 im Mittelpunkt steht.
Verf. hat in den vergangenen Jahren bereits zweimal ein historisches Ereignis aus der Düsseldorfer Geschichte aufgegriffen, in seinem realen Ablauf voller Ortskenntnis beschrieben und mit einer romanhaften Handlung gewinnbringend ausgeschmückt. („Drei Tage im November. Düsseldorf 1811“, 2019 und „Sommer ohne Kaiserwetter. Düsseldorf 1902“, 2021). Nach umfangreichen Recherchen, vor allem mit Hilfe des Düsseldorfer Stadtanzeigers der Jahre 1929/30, hat sie die grauenhaften Morde, Mordversuche, Überfälle und Vergewaltigungen Peter Kürtens, des Vampirs von Düsseldorf, verfolgt und mit der Zeit nach dem verlorenen Krieg, vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten und der Weltwirtschaftskrise in Verbindung gesetzt. Damit und dabei fällt dann ein intensiver Blick auch auf die Arbeit der Polizei und der Behörden, sei es in Düsseldorf oder in Berlin (hier besonders hervorgehoben Ernst Gennat und Otto Busdorf). Die grausigen Taten in Düsseldorf tragen zu einer Aufbereitung und Verbesserung der bisherigen polizeilichen Arbeit bei und bringen neue Methoden, Vorgehens- und Sichtweisen, auch in psychologischer Hinsicht mit der Einführung des Begriffs des Serienmörders.
Die Arbeit der Polizei, die Verfolgung von kaum sichtbaren Spuren an den verschiedenen Tatorten und der unzähligen Hinweisen aus der Bevölkerung, die oft aus Imponiergehabe erwachsen sind, tragen zur Steigerung der Spannung bei. Dagegen stehen Schilderungen aus dem gestörten Ablauf des Alltags einer in Schrecken verharrenden Stadt, deren lokale und soziale Gegebenheiten minutiös beschrieben werden. Bewundernswert ist wieder das Wissen der Verf. um Struktur und Funktion der Stadt bis in Einzelheiten in diesen Jahren. Als Aufhellung im tristen „Mörderjahr“ dient eine Gruppe von sechs jungen Menschen, die trotzdem versuchen in gewissem Umfang die „Goldenen Zwanziger“ zu genießen und dabei die Wirklichkeit aus Depression und Mörderjagd, nationalsozialistischen Krawallen und wachsendem Antisemitismus und deutlicher Judenverfolgung zu vergessen oder zumindest zu überspielen.
Mit der Verhaftung, Verurteilung und Hinrichtung (in Köln) Peter Kürtens hat das Buch noch nicht sein Ende erreicht. In einem Anhang wird zuerst ein historischer Abriss über Düsseldorf in den zwanziger Jahren gegeben, der den Hintergrund zur spannungsgeladenen Handlung beleuchtet. Darauf folgt das Personal des Geschehens, unterteilt in die wenigen fiktiven und die zahlreichen realen Personen, wobei diese mit ihren Biographien und Lebensdaten vorgestellt werden. Hinweise auf benutzte Quellen und Literatur beschließen den trotz des unfrohen Inhaltes wieder gut gearbeiteten und sehr lesenswerten Band, der die Balance hält zwischen Kriminalroman, Lokal- und Sozialgeschichte und das in einer ausgewogenen, nie zu drastischen Sprache.