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Möwen sind Vögel der Hoffnung und des Schreckens. Sie verkünden auf hoher See den rettenden Hafen ebenso wie den tödlichen Sturm. In den Werken der Alten Meister deuteten sie den Weltuntergang an, der sich nicht erst heute im Wechsel von Dürren und Wolkenbrüchen zeigt, und als Die Möwe Jonathan haben sie Generationen von Kindern unterhalten. Der Autor, Dramaturg und Regisseur Holger Teschke folgt den Zügen dieses weiß-grauen Vogels, von dem es heute 55 bekannte Arten gibt, einmal rund um den Globus. Denn Möwen haben sich an beinahe alle Lebensräume der Welt angepasst, und so finden sie heute…mehr

Produktbeschreibung
Möwen sind Vögel der Hoffnung und des Schreckens. Sie verkünden auf hoher See den rettenden Hafen ebenso wie den tödlichen Sturm. In den Werken der Alten Meister deuteten sie den Weltuntergang an, der sich nicht erst heute im Wechsel von Dürren und Wolkenbrüchen zeigt, und als Die Möwe Jonathan haben sie Generationen von Kindern unterhalten. Der Autor, Dramaturg und Regisseur Holger Teschke folgt den Zügen dieses weiß-grauen Vogels, von dem es heute 55 bekannte Arten gibt, einmal rund um den Globus. Denn Möwen haben sich an beinahe alle Lebensräume der Welt angepasst, und so finden sie heute nicht nur in Häfen und an Küsten, sondern immer öfter auch im Binnenland ihre Nist- und Brutplätze, wohin sie die karge Nahrung der überfischten Meere verdrängt. Selbst in Berlin brüten sie schon auf den Dächern über der Stadt. Und dann ist da noch der Seemannsaberglaube, der besagt, dass die Seelen toter Seeleute in Möwen ihr zweites Quartier finden. Von Möwen lernen heißt also, sich zu erinnern lernen. Wer einer Möwe aufmerksam in ihre Pupillen blickt, der wird erkennen, dass nichts und niemand sie aufhalten wird.
Autorenporträt
Holger Teschke, geboren 1958 in Bergen auf Rügen fuhr als Maschinist auf Fischereikuttern zur See, bevor er Schauspielregie in Berlin studierte, wo er anschließend als Dramaturg und Autor arbeitete. Von 2000 bis 2010 war er als Regisseur und Regielehrer in den USA, Australien und Südostasien unterwegs, seit 2010 ist er Dozent für Theatergeschichte und Dramaturgie. Holger Teschkes letztes Buch, Gebrauchsanweisung für Rügen und Hiddensee, erschien 2013. Er schreibt für mare, Theater der Zeit und Deutschland Radio Kultur und lebt in Berlin und South Hadley, Massachusetts.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit "Möwen" hat Holger Teschke ein kulturhistorisch bewandertes Buch geschrieben, von dem allerdings keine ornithologischen Kenntnisse zu erwarten sind, findet Rezensent Kai Spanke. Der auch im Fischfang auf See und in der Theaterdramaturgie erfahrene Autor beschäftigt sich dabei in allerlei Exkursen - etwa zu den Corona-Maßnahmen 2020, Tschechows "Möwe" und Morgensterns "Möwenlied" - mit diesen Vögeln, von denen es, bemerkt der Rezensent, 52 Arten gibt. An einem sorgfältigen Umgang mit wissenschaftlichen Befunden zu den Tieren lässt er es Spanke zufolge bisweilen vermissen; etwa die räumliche Verbreitung der Silbermöwe werde falsch angegeben. Die Kombination kulturgeschichtlicher Daten mit eigenen Erlebnissen ist in diesem Sachbuch, so der Rezensent, allerdings gut gelungen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.07.2024

Vorsicht, Quecksilber
Holger Teschke denkt über Möwen nach

Das Buch heißt zwar "Möwen", aber der Leser erfährt auch allerlei Dinge, die mit den Vögeln nichts zu tun haben. Zum Beispiel, dass dem Autor, Holger Teschke, die Corona-Maßnahmen schon im Frühjahr 2020 jeden Tag "drakonischer" vorgekommen sind. Oder dass seine Mutter Lust daran verspürt, gegen Autoritäten anzustänkern. Oder dass er 2006 nach Hongkong und 2018 nach Skagen gereist ist. Oder dass die von Caspar David Friedrich zwischen 1801 und 1826 unternommenen Trips an die Ostsee immer wieder der "Suche nach Einsamkeit" galten. Zuweilen drängt sich der Eindruck auf, Möwen, von denen es fünfundfünfzig Arten gibt, seien vor allem deswegen interessant, weil sie zu Exkursen einladen.

Das schließt motivgeschichtliche Abstecher ein, die häufig etwas beliebig, im Grunde zusammengewürfelt anmuten. Das Angebot reicht von Tschechows "Möwe" und dem "Seagull Monument" in Salt Lake City über Hitchcocks "The Birds" bis hin zu Brechts Notiz von 1942, norwegische Zeitungen würden sich nun mit Krähen- und Möwen-Rezepten an die Leser wenden. Mal stößt man auf Überraschendes, etwa den Hinweis, das Berliner KaDeWe habe Möweneier für Gourmets verkauft, bis das Umweltbundesamt 1989 bekanntgab, dass die Delikatesse mit Pestiziden und Quecksilber belastet ist. Dann wieder findet sich Erwartbares, zum Beispiel ein Zitat aus Christian Morgensterns "Möwenlied": "Die Möwen sehen alle aus, / als ob sie Emma hießen. / Sie tragen einen weißen Flaus / und sind mit Schrot zu schießen."

Teschke, Jahrgang 1958, fuhr auf Fischkuttern zur See, arbeitete als Dramaturg am Berliner Ensemble und unterrichtet an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch. Er versteht es, seinen kulturhistorischen Horizont mit eigenen Erlebnissen kurzzuschließen, scheint von Möwen wirklich fasziniert zu sein - und hätte gerade deswegen mit größerer Sorgfalt auf Brutbiologie, Bestimmungsmerkmale und Verbreitung eingehen können. So heißt es, die Silbermöwe bewohne "die gesamte nördliche Halbkugel unseres Planeten. Ihre Unterarten finden sich vom arktischen Nordamerika bis zu den Azoren und von der marokkanischen Atlantikküste bis zum Kaspischen Meer".

Tatsächlich kommt die Silbermöwe (Larus argentatus) nur in Nord- und Westeuropa vor. Aufgrund genetischer Unterschiede und großer Differenzen der Jugend- und ersten Winterkleider wird die ehemals als Unterart angesehene Amerikanische Silbermöwe (Larus smithsonianus) inzwischen als eigene Spezies gehandelt. Auch die Bemerkung, Möwen hätten "fleischfarbene bis rote Beine" ist achtlos, immerhin lässt sich etwa die adulte Mittelmeermöwe - ihr englischer Name lautet Yellow-legged gull - wegen ihrer gelben Beine gut von der Silbermöwe abgrenzen. Man darf in einem Buch, das nicht bloß Wissenschaftsbefunde referieren, sondern den Blick des Menschen auf Möwen verstehen will, keine ornithologischen Spezialkenntnisse erwarten. Mit den Grundlagen seines Gegenstands sollte der Autor allerdings vertraut sein. KAI SPANKE

Holger Teschke: "Möwen". Ein Portrait.

Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2024. 119 S., Abb., geb., 22,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
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