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Als 17jähriger von den Mysterien des Islams angelockt, bereit, sich während einer abenteuerlichen Reise durch Nordafrika vom Koran begeistern zu lassen und Muslim zu werden, stößt der Erzähler rasch an die Grenzen seines Einfühlungsvermögens. Schon die Respektsbekundungen durch die erforderlichen Waschungen vor Lektürebeginn schüren seinen Widerstand. Will das autoritäre Regelwerk des Korans die Erkundung durch einen Nichtgläubigen überhaupt zulassen? Mohammedanische Versuchungen ist eine Auseinandersetzung mit dem Islam, die sich über welt-anschauliche Tabus hinwegsetzt. Changierend zwischen…mehr

Produktbeschreibung
Als 17jähriger von den Mysterien des Islams angelockt, bereit, sich während einer abenteuerlichen Reise durch Nordafrika vom Koran begeistern zu lassen und Muslim zu werden, stößt der Erzähler rasch an die Grenzen seines Einfühlungsvermögens. Schon die Respektsbekundungen durch die erforderlichen Waschungen vor Lektürebeginn schüren seinen Widerstand. Will das autoritäre Regelwerk des Korans die Erkundung durch einen Nichtgläubigen überhaupt zulassen? Mohammedanische Versuchungen ist eine Auseinandersetzung mit dem Islam, die sich über welt-anschauliche Tabus hinwegsetzt. Changierend zwischen Erzählung und Essay, schärft sie den Blick dafür, daß jede ernsthafte Begegnung mit dem "morgenländischen" Anderen auch den eigenen Standpunkt zutiefst in Frage stellt.
Autorenporträt
Stefan Weidner, 1967 geboren, studierte Islamwissenschaften, Germanistik und Philosophie in Göttingen, Damaskus, Berkeley und Bonn. Er arbeitet als Autor, Übersetzer, Literaturkritiker und seit 2001 als Chefredakteur der Zeitschrift 'Fikrun wa Fann/Art & Thought', die vom Goethe-Institut für den Dialog mit der islamischen Welt herausgegeben wird. Er hat zahlreiche Lyriker aus dem Arabischen übersetzt. 2006 erhielt er den "Brentano-Preis" der Stadt Heidelberg, 2007 den "Johann-Heinrich-Voß-Preis" für Übersetzung und 2014 den "Paul Scheerbart-Preis".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.10.2004

Das ist Revolution!
Entzauberung und Faszination: Stefan Weidner hat mit "Mohammedanische Versuchungen" einen erhellenden Essay über den Kampf der Kulturen geschrieben

Ein Siebzehnjähriger kommt 1985 aus Tamanrasset in der zentralen Sahara zurück und überlegt sich in Tunesien, ob er einen für ihn fast sündhaft teuren Koran kaufen soll oder nicht. Es ist ein Wagnis. Wenn er ihn kauft, hat er für die Rückkehr nach Deutschland entsprechend weniger Tagesgeld zur Verfügung. Wenn er ihn nicht kauft, verpaßt er die Möglichkeit, jene Welt besser zu verstehen, die er gerade besucht hat und der er - er spürt es schon - vielleicht endgültig verfallen könnte. Soll er vielleicht gar zum Islam übertreten?

Stefan Weidner hat den Koran gekauft. Und er hat ihn studiert. Muslim ist er nicht geworden, sondern säkularisierter Christ geblieben, mit allen skeptischen Haken und Ösen, die das heute mit sich bringt. Aber er ist seither tatsächlich dem islamischen Orient verfallen, wie so viele, die das zunächst nicht für möglich hielten, hat die Übersetzung arabischer Literatur und das Schreiben über sie - auch in dieser Zeitung - zu seinem Beruf gemacht. Mit dem Koran ging es ihm bei der ersten Lektüre in Tunesien wie weiland dem alten Geheimrat Goethe in Weimar: Der sprach davon, wie ihn jenes Buch "angezogen", aber auch wieder "abgestoßen" habe mit seinen endlosen Wiederholungen und Tautologien.

Der Titel von Weidners Essayband ist mehrdeutig: "Mohammedanische Versuchungen" kann sich darauf beziehen, daß der Autor solchen Versuchungen ausgesetzt ist; es kann aber auch auf die Versuchungen anspielen, denen die Muslime heute ausgeliefert sind, westliche einerseits oder fundamentalistische, gar terroristische andererseits. Gerade heute, im Zeitalter des "Zusammenpralls der Kulturen", der teilweise kriegerische und terroristische Formen angenommen hat, aber sich auch auf der Ebene der Begriffe vollzieht, ist ein solcher Band, der viele Jahre der Erfahrung mit dem islamischen Orient kondensiert, ein Wagnis, wenn auch ein notwendiges. Es handelt sich um das intelligenteste bisher über den "Kampf der Kulturen" veröffentlichte Buch.

In früheren Epochen sind "Orientfahrten" ganz anders dargestellt worden, als Weidner es nun tut. Entweder der Eskapismus führte den Autoren die Feder, wie etwa einer Isabelle Eberhardt oder einem Pierre Loti, die ein- und untertauchten im Exotisch-Fremden und "Malerischen" - als Vergessenssucher; oder dieser Drang zur Flucht, heraus aus der Enge europäisch-bürgerlichen Daseins, war, wie bei Flaubert, Nerval oder Burton, gepaart mit dem sezierenden Blick des beginnenden imperialistischen und positivistischen Zeitalters. Stefan Weidners "Versuchungen" sind nach dem 11. September 2001 geschrieben. Manches spricht dafür, daß solcherlei Aufzeichnungen aus dem Orient seit diesem Datum wieder etwas anderes, etwa Drittes sind und sein werden - jedenfalls auf absehbare Zeit: ständige interkulturelle Nachfragen.

Seine Schilderungen über Aufenthalte in Algerien, im syrischen Aleppo und dessen Umgebung, dann im bürgerkrieggeprüften Beirut und in dem städtischen Moloch Kairo, am Ende wieder zwischen Tunesien und Genua, wo alles begann und sich das Bild und die Essayerzählung auch formal runden, werden niemals die Bilder von New York los, selbst wenn nicht ausdrücklich auf sie angespielt wird. Und sie sind durchsetzt mit Reflexionen über Geschichte und Kulturgeschichte, auch über den Harvard-Professor Sam Huntington, der mit seiner These vom "Clash of Civilizations" von vielen, die es gut meinen, noch immer nicht ernst genommen wird - als bewirke das Buch eines Gelehrten, das Konflikte vorhersieht oder wenigstens vor ihnen warnt, selbst schon die Konflikte. Reflexionen über das eigene Fach, die Orientalistik, über deren weitgehend essentialistisches Bild vom Islam, das auch den Islamisten eigen ist, man trefflich streiten kann, greifen Polemiken und Anti-Polemiken der letzten Jahre (Edward Said und Bernard Lewis) auf, die ebenfalls durch den 11. September an Brisanz gewonnen haben. Das Gegenteil des Essentialismus ist der Software-Islam, der am Ende so vielgestaltig und nicht festzulegen ist, daß niemand für irgend etwas noch irgendeine Verantwortung trägt. Weidner vermißt die islamische Mitte, wie es sie lange Zeit gab.

Sein Aufenthalt in Qal' at Sim' an im nördlichen Syrien, wo in frühchristlicher Zeit die "Säulenheiligen" (Styliten) geboren wurden, führt ihn zu kritischen Anfragen an die Muslime, ob das bewußt unternommene Selbstmordattentat von heute überhaupt ein Martyrium sei. Und er bietet Anlaß auch für kritische Fragen an das Christentum, das eine weiß Gott lange Geschichte des Fanatismus kennt. Anziehung wie Abstoßung leiten den Autor, wie auch das gegenwärtige Verhältnis zwischen beiden Hemiosphären, der islamischen und der "christlich"-westlichen, von diesem Begriffspaar gekennzeichnet ist. In Kairo, dem von alters her schlagenden Herz der islamischen Kultur und Theologie, entzaubert er zunächst den Scheich Tantawi, Chef der al Azhar-Moschee und Hochschule, der im Ausland anderes, Gemäßigteres sagt als zu Hause, wo er die Juden als "Nachkommen von Affen und Schweinen" bezeichnet hat.

Doch in Kairo, einer Stadt, deren Wesen sich dem Autor nicht wirklich erschließen will, begegnet ihm auch ganz Unverhofftes, das den Titel seines Buches endgültig erklärt: Aus jener von ihm vermißten islamischen Mitte heraus - der rechtverstandenen Tradition - erklären ihm Theologiestudenten, der Islam habe aus den Muslimen "Mohammedaner" gemacht. Der Westen habe dies unbewußt richtig verstanden, als er diesen Terminus verwendete. Die Christen hätten Gott vermenschlicht, die Muslime aber umgekehrt Mohammed vergöttlicht. Dies ist Revolution! Denn es legt nahe, daß die Scharia menschlich ist, nicht heilig. Und über den Menschen Mohammed müsse am besten Hollywood einen Film drehen.

Stefan Weidner: "Mohammedanische Versuchungen". Ein erzählter Essay. Ammann Verlag, Zürich 2004. 237 S., geb., 18,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein exzellentes Buch über den "Kampf' der Kulturen", lobt Rezensent Wolfgang Jürger Lerch diesen Essayband, in dem es auch um den Verlust der islamischen Mitte gehe. Das Buch sei nach dem 11. September 2001 entstanden und Stefan Weidners Schilderungen von Aufenthalten in Algerien, Syrien, Tunesien, Kairo und Beirut werden Lerch zufolge beim Leser durch die Bilder von New York geprägt, selbst wenn nicht ausdrücklich auf sie angespielt werde. Eingeflochten in die Reportagen findet der Rezensent Reflexionen über Geschichte und Kulturgeschichte, über Harvardprofessor Samuel Hunington und seine These vom "Clash of Civilisations", über die Orientalistik oder Polemiken von Edward Said und Bernard Lewis. Auch werde der Chef der Al Azhar-Moschee und -Hochschule Scheich Tantawi entzaubert, der im Ausland gemäßigter spreche als zu Haus, wo er Juden als Nachkommen von Affen und Schweinen bezeichne.

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