Engelhardt nimmt Anlauf und verlässt die Party durch das Fenster im ersten Stock. Seine beste Freundin Maren trinkt nicht mehr und verwandelt sich in ihr höheres Ich. Marens Ex-Lover Clemens fühlt sich mittelmäßig, hat dafür aber originellen Sex, und Bender, auf dessen Hochzeit sich alle treffen, regelt seine Angelegenheiten und verschwindet, wahrscheinlich für immer. Allen gemeinsam ist, dass sie rastlos und unglücklich sind, obwohl es ihnen eigentlich ganz gut geht. Und dass sie ihre Liebe in einem hellen Moment als das sehen, was sie ist, nämlich vorbei. Jackie Thomaes Debütroman ist so hart und komisch wie das wahre Leben - eine unromantische Komödie über die menschliche Sehnsucht in den Städten von heute.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Jaeckie Thomaes Debütroman "Momente der Klarheit" hat Wiebke Porombka nicht ganz überzeugen können. Zwar gefällt der Rezensentin, wie die Autorin in miteinander verknüpften Episoden in die Köpfe ihrer Protagonisten schaut, bald muss sie aber doch gestehen, dass ihr die an ihren Beziehungsproblemen verzweifelnden Protagonistinnen, allesamt um die vierzig, zu klischeehaft erscheinen. Amüsant sind diese Alltagsmiseren durchaus, auf Dauer aber doch auch ziemlich ermüdend, schließt die Kritikerin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.12.2015Ach, diese Großstädter in Paarungszeiten
Jackie Thomae sieht in ihrem Debütroman überall gescheiterte Beziehungen
Es muss nicht unbedingt ein gutes Zeichen sein, wenn der Leser geneigt ist, selbstkritischen Figurenreden vorbehaltlos zuzustimmen. "Ich bin eine Nervensäge, der es objektiv ganz gut geht, für mein Leiden gibt es nicht einmal eine Klassifikation", allenfalls "urbanes Unwohlsein", lautet eine der unbedingt stichhaltigen Aussagen, die sich in Jackie Thomaes Roman "Momente der Klarheit" finden.
Das Debüt der 1972 geborenen Thomae, die als Fernsehautorin arbeitet und neben einem Sachbuch über das Altern bisher den Bestseller "Eine Frau. Ein Buch" (gemeinsam mit Heike Blümner) veröffentlicht hat, erzählt in miteinander verknüpften Episoden aus dem mehr oder weniger beschädigten Leben von mehr oder weniger gutsituierten Großstädtern um und jenseits der vierzig. Fraglos ein heikles Alter, und umso heikler wird es, wenn man in ebenjener Lebensphase von den titelgebenden Klarheitsmomenten heimgesucht wird. Jackie Thomaes Figuren erkennen in diesen Augenblicken in der Regel nicht die eigene Unzulänglichkeit, sondern die ihres Partners oder der gemeinsamen Beziehungen. Thomae nimmt jene Momente in den Blick, in denen die Liebe zu Ende geht. Und das, folgt man der Autorin, ist offenbar immerzu und überall der Fall.
Schon der Prolog des Romans - er spielt an einem Flughafenterminal, während der Abflug sich um Stunden verzögert - ist ein Kaleidoskop der Ernüchterung. Auf knapp zwanzig Seiten zoomt Thomae in die Köpfe der verschiedenen Wartenden hinein und enthüllt deren versehrtes Liebesleben. "Eines Morgens, du hast ihn gefragt, ob er noch ein Ei will, hast du es zum ersten Mal gesehen. Er schaute auf und fragte: ,Was?', und in diesem Augenblick hast du begriffen, dass er dich nicht ausstehen kann." Durch die Ansprache in der "Du"-Form, die Thomae in diesem Prolog wählt, hat es gleichsam den Anschein, als würde sie die Reisewilligen, aber an diesem Nicht-Ort Gestrandeten mit einer Art Fluch belegen.
Den Figuren, die Thomae auf den verbleibenden gut 260 Seiten auftreten lässt, geht es kaum anders: Ariane lebt in ihrer dritten Beziehung, hat eine erwachsene Tochter und einen kleinen Sohn und kann nur noch mit müder Befremdung auf ihr Patchwork-Dasein schauen und voller Abscheu auf Hendrik, ihren dritten Mann. In den wiederum verliebt sich die immer perfekt gekleidete Natalie, derweil ihr attraktiver Ehemann Viktor sie regelmäßig betrügt, zuletzt mit der Freundin seines besten Freundes, die wiederum in unbändiger Leidenschaft zu ihm entbrennt. Was jenen besten Freund allerdings nicht sonderlich tangiert. Ein Liebes- oder zumindest Beziehungskarussell in einem recht überschaubaren Milieu kann hier betrachtet werden - alle Figuren bewegen sich im Dunstkreis der Film- und Musikbranche.
Die Männer ertragen bei Thomae entweder stoisch dieses wenig aufwühlende Kreisen des Alltags und der Emotionen, oder aber sie unternehmen versuchsweise extreme Fluchtbewegungen, wie Regisseur Engelhardt, der, bevor er seine Freundin verlässt, erst mal während der Party eines Freundes aus dem Fenster springt - nicht ohne dafür Sorge zu tragen, dass seine, wenngleich schmerzhafte Exzentrik nicht allzu gefährlich wird. Gefeiert wird in einem tiefliegenden Stockwerk.
Die Frauen hingegen, wie es die typischen Geschlechtszuweisungen verlangen, zermartern sich die Köpfe. Oder sie leiden. Wie Maskenbildnerin Doro, die nach zehn Jahren kinderloser Beziehung von ihrem Freund Bender sitzengelassen wird, was ihr lediglich sein Anwalt mitteilt, derweil Bender schon mit seiner neuen, sehr viel jüngeren Freundin auf und davon ist. Frauen um die vierzig, so könnte man es als Resümee aus Thomaes Roman ziehen, werden entweder verzweifelt oder skurril. So wie Maren, die sich dafür entscheidet, den weltlichen Genüssen zu entsagen und fortan ihr Seelenheil in esoterischer Erleuchtung zu finden.
All diese alltäglichen Miseren mögen ganz lustig zu beobachten und, natürlich, auch ein wenig bitter sein. Zugleich aber bringt es eben doch ein diesen Roman entlarvender Satz wie jener eingangs zitierte auf den Punkt. Für eine zerstreuende Fernsehunterhaltung sind diese Nervensägen, denen es objektiv ganz gut geht, sicher ein passender Stoff. In Buchform hat man sich an ihnen bald müde gelesen. Bleibt die eigenartig romantisierende Fußnote, die "Momente der Klarheit" hinterlässt - für alte Menschen und jene, die in der Provinz leben, so suggerieren zwei aus dem Großstädter-Netzwerk herausfallende Episoden, gäbe es noch Hoffnung auf eine erfüllte Liebe. Wer es glaubt.
WIEBKE POROMBKA
Jackie Thomae: "Momente der Klarheit". Roman.
Hanser Berlin Verlag, Berlin 2015. 288 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Jackie Thomae sieht in ihrem Debütroman überall gescheiterte Beziehungen
Es muss nicht unbedingt ein gutes Zeichen sein, wenn der Leser geneigt ist, selbstkritischen Figurenreden vorbehaltlos zuzustimmen. "Ich bin eine Nervensäge, der es objektiv ganz gut geht, für mein Leiden gibt es nicht einmal eine Klassifikation", allenfalls "urbanes Unwohlsein", lautet eine der unbedingt stichhaltigen Aussagen, die sich in Jackie Thomaes Roman "Momente der Klarheit" finden.
Das Debüt der 1972 geborenen Thomae, die als Fernsehautorin arbeitet und neben einem Sachbuch über das Altern bisher den Bestseller "Eine Frau. Ein Buch" (gemeinsam mit Heike Blümner) veröffentlicht hat, erzählt in miteinander verknüpften Episoden aus dem mehr oder weniger beschädigten Leben von mehr oder weniger gutsituierten Großstädtern um und jenseits der vierzig. Fraglos ein heikles Alter, und umso heikler wird es, wenn man in ebenjener Lebensphase von den titelgebenden Klarheitsmomenten heimgesucht wird. Jackie Thomaes Figuren erkennen in diesen Augenblicken in der Regel nicht die eigene Unzulänglichkeit, sondern die ihres Partners oder der gemeinsamen Beziehungen. Thomae nimmt jene Momente in den Blick, in denen die Liebe zu Ende geht. Und das, folgt man der Autorin, ist offenbar immerzu und überall der Fall.
Schon der Prolog des Romans - er spielt an einem Flughafenterminal, während der Abflug sich um Stunden verzögert - ist ein Kaleidoskop der Ernüchterung. Auf knapp zwanzig Seiten zoomt Thomae in die Köpfe der verschiedenen Wartenden hinein und enthüllt deren versehrtes Liebesleben. "Eines Morgens, du hast ihn gefragt, ob er noch ein Ei will, hast du es zum ersten Mal gesehen. Er schaute auf und fragte: ,Was?', und in diesem Augenblick hast du begriffen, dass er dich nicht ausstehen kann." Durch die Ansprache in der "Du"-Form, die Thomae in diesem Prolog wählt, hat es gleichsam den Anschein, als würde sie die Reisewilligen, aber an diesem Nicht-Ort Gestrandeten mit einer Art Fluch belegen.
Den Figuren, die Thomae auf den verbleibenden gut 260 Seiten auftreten lässt, geht es kaum anders: Ariane lebt in ihrer dritten Beziehung, hat eine erwachsene Tochter und einen kleinen Sohn und kann nur noch mit müder Befremdung auf ihr Patchwork-Dasein schauen und voller Abscheu auf Hendrik, ihren dritten Mann. In den wiederum verliebt sich die immer perfekt gekleidete Natalie, derweil ihr attraktiver Ehemann Viktor sie regelmäßig betrügt, zuletzt mit der Freundin seines besten Freundes, die wiederum in unbändiger Leidenschaft zu ihm entbrennt. Was jenen besten Freund allerdings nicht sonderlich tangiert. Ein Liebes- oder zumindest Beziehungskarussell in einem recht überschaubaren Milieu kann hier betrachtet werden - alle Figuren bewegen sich im Dunstkreis der Film- und Musikbranche.
Die Männer ertragen bei Thomae entweder stoisch dieses wenig aufwühlende Kreisen des Alltags und der Emotionen, oder aber sie unternehmen versuchsweise extreme Fluchtbewegungen, wie Regisseur Engelhardt, der, bevor er seine Freundin verlässt, erst mal während der Party eines Freundes aus dem Fenster springt - nicht ohne dafür Sorge zu tragen, dass seine, wenngleich schmerzhafte Exzentrik nicht allzu gefährlich wird. Gefeiert wird in einem tiefliegenden Stockwerk.
Die Frauen hingegen, wie es die typischen Geschlechtszuweisungen verlangen, zermartern sich die Köpfe. Oder sie leiden. Wie Maskenbildnerin Doro, die nach zehn Jahren kinderloser Beziehung von ihrem Freund Bender sitzengelassen wird, was ihr lediglich sein Anwalt mitteilt, derweil Bender schon mit seiner neuen, sehr viel jüngeren Freundin auf und davon ist. Frauen um die vierzig, so könnte man es als Resümee aus Thomaes Roman ziehen, werden entweder verzweifelt oder skurril. So wie Maren, die sich dafür entscheidet, den weltlichen Genüssen zu entsagen und fortan ihr Seelenheil in esoterischer Erleuchtung zu finden.
All diese alltäglichen Miseren mögen ganz lustig zu beobachten und, natürlich, auch ein wenig bitter sein. Zugleich aber bringt es eben doch ein diesen Roman entlarvender Satz wie jener eingangs zitierte auf den Punkt. Für eine zerstreuende Fernsehunterhaltung sind diese Nervensägen, denen es objektiv ganz gut geht, sicher ein passender Stoff. In Buchform hat man sich an ihnen bald müde gelesen. Bleibt die eigenartig romantisierende Fußnote, die "Momente der Klarheit" hinterlässt - für alte Menschen und jene, die in der Provinz leben, so suggerieren zwei aus dem Großstädter-Netzwerk herausfallende Episoden, gäbe es noch Hoffnung auf eine erfüllte Liebe. Wer es glaubt.
WIEBKE POROMBKA
Jackie Thomae: "Momente der Klarheit". Roman.
Hanser Berlin Verlag, Berlin 2015. 288 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Unerbittlich und komisch, wie das wahre Leben." Angelika Zapf, MDR Figaro, 19.03.16
"Thomae nimmt jene Momente in den Blick, in denen die Liebe zu Ende geht. Und das, folgt man der Autorin, ist offenbar immer und überall der Fall." Wiebke Porombka, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.12.15
"Jackie Thomae hat einen Roman, reich an Bosheit, Klugheit, Nachsicht und Witz, über die 'Momente der Klarheit' in Beziehungen geschrieben. Diesen Effekt hinzukriegen ist hohe Kunst - dass der Leser bei jeder Figur, bei jeder Szene, ber jeder Redewendung, bei jeder Sehnsucht und bei jeder Bosheit denkt: Genau so ist es! ... Wie sie die Berliner Midlife-Crisis-Kohorte ihrem Röntgenblick unterwirft, hat Yasmina-Reza-Qualitäten." Ijoma Mangold, Die Zeit 10.12.15
"Das beste an Trennungen ist, wie Thomae über sie schreibt." Johanna Adorján, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 29.11.15
"Unerbittlich, urkomisch: Irgendwo auf den Seiten dieses Buches finden wir uns selbstwieder, heulend, lachend, verliebt, verlassen - immer auf der Suche." Moritz Müller-Schwefe, Die Tageszeitung, 08./09.08.15
"Wer wissen will, wie die Liebe Anfang des 21. Jahrhunderts funktioniert, sollte 'Momente der Klarheit' zur Hand nehmen. Ein bemerkenswertes Buch, voller guter Pointen, witzig und illusionslos. Ein Buch, in dem man sich immer wieder Sätze anstreichen möchte. ... Ein Großstadtroman voller Witz und Abgründigkeit." Franziska Wolffheim, Brigitte Woman, 01.08.15
"Ein Trennungsbuch mit Sätzen zum Verlieben." Tobias Becker, Spiegel online, 29.07.15
"Die Geschichte ... schafft eine genaue Skizze des Gefühls, das die romantische Idee der Liebe erst Wirklichkeit werden lässt: Klarheit mit sich selbst." Mara Delius, Welt am Sonntag, 26.07.15
"Es gibt viele Bücher, in denen man sich Sätze anstreichen möchte, weil sie so schmerzhaft wahr, so pointiert und witzig sind. Jackie Thomaes Debütroman ist so ein Buch. ... Ein wunderbarer Episodenromanüber die Liebe, in dem Glück und Unglück häufig ganz dicht beieinander liegen." Meike Schnitzler, Brigitte, 22.07.15
"Thomae nimmt jene Momente in den Blick, in denen die Liebe zu Ende geht. Und das, folgt man der Autorin, ist offenbar immer und überall der Fall." Wiebke Porombka, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.12.15
"Jackie Thomae hat einen Roman, reich an Bosheit, Klugheit, Nachsicht und Witz, über die 'Momente der Klarheit' in Beziehungen geschrieben. Diesen Effekt hinzukriegen ist hohe Kunst - dass der Leser bei jeder Figur, bei jeder Szene, ber jeder Redewendung, bei jeder Sehnsucht und bei jeder Bosheit denkt: Genau so ist es! ... Wie sie die Berliner Midlife-Crisis-Kohorte ihrem Röntgenblick unterwirft, hat Yasmina-Reza-Qualitäten." Ijoma Mangold, Die Zeit 10.12.15
"Das beste an Trennungen ist, wie Thomae über sie schreibt." Johanna Adorján, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 29.11.15
"Unerbittlich, urkomisch: Irgendwo auf den Seiten dieses Buches finden wir uns selbstwieder, heulend, lachend, verliebt, verlassen - immer auf der Suche." Moritz Müller-Schwefe, Die Tageszeitung, 08./09.08.15
"Wer wissen will, wie die Liebe Anfang des 21. Jahrhunderts funktioniert, sollte 'Momente der Klarheit' zur Hand nehmen. Ein bemerkenswertes Buch, voller guter Pointen, witzig und illusionslos. Ein Buch, in dem man sich immer wieder Sätze anstreichen möchte. ... Ein Großstadtroman voller Witz und Abgründigkeit." Franziska Wolffheim, Brigitte Woman, 01.08.15
"Ein Trennungsbuch mit Sätzen zum Verlieben." Tobias Becker, Spiegel online, 29.07.15
"Die Geschichte ... schafft eine genaue Skizze des Gefühls, das die romantische Idee der Liebe erst Wirklichkeit werden lässt: Klarheit mit sich selbst." Mara Delius, Welt am Sonntag, 26.07.15
"Es gibt viele Bücher, in denen man sich Sätze anstreichen möchte, weil sie so schmerzhaft wahr, so pointiert und witzig sind. Jackie Thomaes Debütroman ist so ein Buch. ... Ein wunderbarer Episodenromanüber die Liebe, in dem Glück und Unglück häufig ganz dicht beieinander liegen." Meike Schnitzler, Brigitte, 22.07.15