Moments of Being is "the single most moving and beautiful thing that Virginia Woolf ever wrote about her own life" (The New York Times) and her only autobiographical writing, published years after her death. This collection of five pieces written for different audiences spanning almost four decades reveals the remarkable unity of Virginia Woolf's art, thought, and sensibility.? "Reminiscences," written during her apprenticeship period, exposes the childhood shared by Woolf and her sister, Vanessa, while "A Sketch of the Past" illuminates the relationship with her father, Leslie Stephens, who played a crucial role in her development as an individual a writer. Of the final three pieces, composed for the Memoir Club, which required absolute candor of its members, two show Woolf at the threshold of artistic maturity and one shows a confident writer poking fun at her own foibles.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.05.2013Der finstere Leuchtturm der Kindheit
Ihre Herkunftsfamilie war ein Ort des Übels – aber sie war stolz auf dieses Übel: Virginia Woolf in ihren autobiografischen Skizzen
Virginia Woolf hat nicht nur Kritiken, Essays und Romane geschrieben, mit denen sie weltberühmt wurde, sondern über Jahrzehnte auch Tagebuch geführt sowie rund 4000 Briefe verfasst. Ihre in fünf voluminösen Bänden gesammelten Tagebücher erzählen von allem Möglichen, von Freunden und Feinden, Plänen für Bücher und Reisen, sie sind voll von bissigem Klatsch und intellektuellem Tratsch; aber die tägliche Rechenschaft des Tagebuchschreibers, der sich selbst beobachtet, seine Seelenregungen festhält und sich gewissermaßen ungeschminkt zeigt, das ist in ihnen kaum zu finden.
Auch in ihren Briefen, eleganten, stilsicheren Prosastücken, hat Virginia Woolf nicht offenbart, was sie bewegte und bedrängte. In der von Klaus Reichert 2006 herausgegebenen Brief-Ausgabe ist eine durchaus realitätstüchtige, blendend gescheite, oftmals witzige Frau zu entdecken, die vielen Freunden beistand und es offenbar liebte, auch schriftlich mit diesen über Gott und die Welt zu disputieren. Von den Zwängen, Krankheiten und Obsessionen hingegen, die ihr das Leben mitunter unerträglich und sie mit der Idee des Suizids vertraut machten, hat sie in den Tagebüchern so wenig berichtet wie in den Briefen. Aber da gibt es ja jene fünf autobiografischen Texte, die 1976 erstmals von Jeanne Schulkind aus dem Nachlass ediert wurden und die Klaus Reichert jetzt in die Gesammelten Werke integriert hat; die Auseinandersetzung mit ihnen kann sich niemand ersparen, der wissen will, wie diese geniale Erzählerin und scharfsinnige Essayistin wirklich dachte, fühlte, lebte und sich das Leben schwer machte.
Virginia Stephen war 25, als sie den ersten der fünf grübelnden und offenherzigen Texte verfasste. In den Jahren davor waren ihre Mutter, die Halbschwester Stella und der Vater gestorben, und diese Toten spielen in den „Reminiszenzen“, die in die Vergangenheit der Großfamilie zurückführen, die Hauptrolle. 34 Jahre später wird Virginia, die seit ihrer Verheiratung mit dem Autor und Verleger Leonhard W. Woolf dessen Familiennamen trug, im Fluss Ouse in den Freitod gehen. In den Monaten davor hat sie sich noch einmal Klarheit über jene Ära zu verschaffen versucht, die sie als angehende Autorin in den „Reminiszenzen“ beschrieben hatte, und dabei hat sie, den Tod aus Verzweiflung vor Augen, unerschrocken die verborgenen Winkel ihrer Seele ausgeleuchtet und die Geheimnisse ihrer Familie ergründet: „Skizze der Vergangenheit“ ist ihr letzter, souverän die Atmosphäre der Kindheit, das brüchige Glück heraufbeschwörender Text, in dem sie von Vater, Mutter, Geschwistern, von den Tagen in den wechselnden Londoner Häusern der Familie und den Urlauben am Meer bei St. Yves berichtet, wo auch ihr Roman „To the lighthouse“ spielt.
Zu erfahren ist, dass Virginia Woolf den Tod ihrer Mutter – „die schönste aller Frauen, wie ihre Porträts beweisen“ – als traumatisches Ereignis erlebte. Vater wie Mutter hatten aus früheren Beziehungen bereits Kinder in ihre Ehe mitgebracht, sodass Virginia acht Geschwister und Halbgeschwister hatte. Die Stelle der verstorbenen Mutter nahm Stella, deren Tochter aus erster Ehe, ein, doch auch sie starb bald, sodass es nun an Virginia war, für den Vater zu sorgen, „einen Tyrannen von unvorstellbarer Selbstsucht, der die Schönheit und die Fröhlichkeit der Toten durch Hässlichkeit und Trübsal ersetzt hatte“. Virginia Woolf besaß die Fähigkeit, ihr nahe Menschen in ihrer verstörenden Ambivalenz wahrzunehmen – die Porträts der Familienmitglieder zeigen lauter schwankende Charaktere, die von geradezu gegensätzlichen Zügen bestimmt werden.
Vom älteren Stiefbruder George etwa, mit dem sie und ihre Schwester noch lange in einem gemeinsamen Haushalt lebten, heißt es, dass er in „Wahrheit ein dummer, gutmütiger Mann der verschwenderischen, wortreich geäußerten Zuneigungen“ war; an anderer Stelle wird er jedoch als ein von seinen „animalischen Trieben“ gesteuerter Gewalttäter bezeichnet, der sich an ihr, der seinem Schutz anbefohlenen Halbschwester, verging. Auf diesen sexuellen Missbrauch, den sie als Heranwachsende erlitt, mitten in einer gesellschaftlich hoch angesehenen Familie geistreicher Künstlernaturen, geht Virginia Woolf nicht näher ein, sie erwähnt ihn aber mehrfach und auch noch in ihrer kurz vor dem Selbstmord verfassten „Skizze der Vergangenheit“. Man kann also davon ausgehen, dass er das seine dazu beigetragen hat, dass sie nie über ein verquältes Verhältnis zu ihrer eigenen Sexualität hinaus gelangte und zeitlebens psychisch labil blieb.
Wie sie den Halbbruder auffällig widersprüchlich zeichnete, als Beschützer und Bedrücker zugleich, so zeigt sie die ganze Familie mit all ihren hochbegabten Käuzen und verkrachten Existenzen in einem merkwürdigen Zwielicht: Diese Familie war ein Ort des Übels, aber einer, auf den Virginia gleichwohl stolz war und von dem sie gelegentlich mit snobistischem Dünkel auf die Familien der glücklichen und oberflächlichen Menschen schaute.
KARL-MARKUS GAUSS
Hier lernt man verstehen,
was ihr das Leben schwer machte
Virginia Woolf: Augenblicke des Daseins. Autobiographische Skizzen. Aus dem Englischen von Brigitte Walitzek. Herausgegeben von Klaus Reichert. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2012. 252 S., 26 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Ihre Herkunftsfamilie war ein Ort des Übels – aber sie war stolz auf dieses Übel: Virginia Woolf in ihren autobiografischen Skizzen
Virginia Woolf hat nicht nur Kritiken, Essays und Romane geschrieben, mit denen sie weltberühmt wurde, sondern über Jahrzehnte auch Tagebuch geführt sowie rund 4000 Briefe verfasst. Ihre in fünf voluminösen Bänden gesammelten Tagebücher erzählen von allem Möglichen, von Freunden und Feinden, Plänen für Bücher und Reisen, sie sind voll von bissigem Klatsch und intellektuellem Tratsch; aber die tägliche Rechenschaft des Tagebuchschreibers, der sich selbst beobachtet, seine Seelenregungen festhält und sich gewissermaßen ungeschminkt zeigt, das ist in ihnen kaum zu finden.
Auch in ihren Briefen, eleganten, stilsicheren Prosastücken, hat Virginia Woolf nicht offenbart, was sie bewegte und bedrängte. In der von Klaus Reichert 2006 herausgegebenen Brief-Ausgabe ist eine durchaus realitätstüchtige, blendend gescheite, oftmals witzige Frau zu entdecken, die vielen Freunden beistand und es offenbar liebte, auch schriftlich mit diesen über Gott und die Welt zu disputieren. Von den Zwängen, Krankheiten und Obsessionen hingegen, die ihr das Leben mitunter unerträglich und sie mit der Idee des Suizids vertraut machten, hat sie in den Tagebüchern so wenig berichtet wie in den Briefen. Aber da gibt es ja jene fünf autobiografischen Texte, die 1976 erstmals von Jeanne Schulkind aus dem Nachlass ediert wurden und die Klaus Reichert jetzt in die Gesammelten Werke integriert hat; die Auseinandersetzung mit ihnen kann sich niemand ersparen, der wissen will, wie diese geniale Erzählerin und scharfsinnige Essayistin wirklich dachte, fühlte, lebte und sich das Leben schwer machte.
Virginia Stephen war 25, als sie den ersten der fünf grübelnden und offenherzigen Texte verfasste. In den Jahren davor waren ihre Mutter, die Halbschwester Stella und der Vater gestorben, und diese Toten spielen in den „Reminiszenzen“, die in die Vergangenheit der Großfamilie zurückführen, die Hauptrolle. 34 Jahre später wird Virginia, die seit ihrer Verheiratung mit dem Autor und Verleger Leonhard W. Woolf dessen Familiennamen trug, im Fluss Ouse in den Freitod gehen. In den Monaten davor hat sie sich noch einmal Klarheit über jene Ära zu verschaffen versucht, die sie als angehende Autorin in den „Reminiszenzen“ beschrieben hatte, und dabei hat sie, den Tod aus Verzweiflung vor Augen, unerschrocken die verborgenen Winkel ihrer Seele ausgeleuchtet und die Geheimnisse ihrer Familie ergründet: „Skizze der Vergangenheit“ ist ihr letzter, souverän die Atmosphäre der Kindheit, das brüchige Glück heraufbeschwörender Text, in dem sie von Vater, Mutter, Geschwistern, von den Tagen in den wechselnden Londoner Häusern der Familie und den Urlauben am Meer bei St. Yves berichtet, wo auch ihr Roman „To the lighthouse“ spielt.
Zu erfahren ist, dass Virginia Woolf den Tod ihrer Mutter – „die schönste aller Frauen, wie ihre Porträts beweisen“ – als traumatisches Ereignis erlebte. Vater wie Mutter hatten aus früheren Beziehungen bereits Kinder in ihre Ehe mitgebracht, sodass Virginia acht Geschwister und Halbgeschwister hatte. Die Stelle der verstorbenen Mutter nahm Stella, deren Tochter aus erster Ehe, ein, doch auch sie starb bald, sodass es nun an Virginia war, für den Vater zu sorgen, „einen Tyrannen von unvorstellbarer Selbstsucht, der die Schönheit und die Fröhlichkeit der Toten durch Hässlichkeit und Trübsal ersetzt hatte“. Virginia Woolf besaß die Fähigkeit, ihr nahe Menschen in ihrer verstörenden Ambivalenz wahrzunehmen – die Porträts der Familienmitglieder zeigen lauter schwankende Charaktere, die von geradezu gegensätzlichen Zügen bestimmt werden.
Vom älteren Stiefbruder George etwa, mit dem sie und ihre Schwester noch lange in einem gemeinsamen Haushalt lebten, heißt es, dass er in „Wahrheit ein dummer, gutmütiger Mann der verschwenderischen, wortreich geäußerten Zuneigungen“ war; an anderer Stelle wird er jedoch als ein von seinen „animalischen Trieben“ gesteuerter Gewalttäter bezeichnet, der sich an ihr, der seinem Schutz anbefohlenen Halbschwester, verging. Auf diesen sexuellen Missbrauch, den sie als Heranwachsende erlitt, mitten in einer gesellschaftlich hoch angesehenen Familie geistreicher Künstlernaturen, geht Virginia Woolf nicht näher ein, sie erwähnt ihn aber mehrfach und auch noch in ihrer kurz vor dem Selbstmord verfassten „Skizze der Vergangenheit“. Man kann also davon ausgehen, dass er das seine dazu beigetragen hat, dass sie nie über ein verquältes Verhältnis zu ihrer eigenen Sexualität hinaus gelangte und zeitlebens psychisch labil blieb.
Wie sie den Halbbruder auffällig widersprüchlich zeichnete, als Beschützer und Bedrücker zugleich, so zeigt sie die ganze Familie mit all ihren hochbegabten Käuzen und verkrachten Existenzen in einem merkwürdigen Zwielicht: Diese Familie war ein Ort des Übels, aber einer, auf den Virginia gleichwohl stolz war und von dem sie gelegentlich mit snobistischem Dünkel auf die Familien der glücklichen und oberflächlichen Menschen schaute.
KARL-MARKUS GAUSS
Hier lernt man verstehen,
was ihr das Leben schwer machte
Virginia Woolf: Augenblicke des Daseins. Autobiographische Skizzen. Aus dem Englischen von Brigitte Walitzek. Herausgegeben von Klaus Reichert. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2012. 252 S., 26 Euro.
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One might think, from the heaps of books, that the bones of Bloomsbury had been by now well and truly disinterred...But one would be wrong, for Moments of Being is a real delight Jan Marsh Daily Telegraph