England 1813. Mit einem Brief kündigt die gerade zur Witwe gewordene Lilian ihren Besuch bei ihrer verheirateten Cousine Louise an, was diese mehr als befremdlich findet, da Lilian ihr vor Jahren den Verlobten ausgespannt und einen Skandal heraufbeschworen hat, von dem sich Louise nur langsam
erholte. Kaum ist Lilian auf Sudeley Castle angekommen, nisten sich deren Bruder Bradley und einige seiner…mehrEngland 1813. Mit einem Brief kündigt die gerade zur Witwe gewordene Lilian ihren Besuch bei ihrer verheirateten Cousine Louise an, was diese mehr als befremdlich findet, da Lilian ihr vor Jahren den Verlobten ausgespannt und einen Skandal heraufbeschworen hat, von dem sich Louise nur langsam erholte. Kaum ist Lilian auf Sudeley Castle angekommen, nisten sich deren Bruder Bradley und einige seiner Freunde uneingeladen ebenfalls dort ein, um einen Ausgangspunkt zu den Pferderennen und Kricketspielen zu haben. Als Louise eines Tages feststellen muss, dass Lilian ihrem Ehemann Peter schöne Augen macht und der sich nicht dagegen wehrt, ist sie völlig am Boden. Dann wird in der dem Anwesen zugehörigen Kapelle auch noch der Sarkophag beschädigt und eine wertvolle Bibel der Witwe des Königs Henry VIII, Catherine Parr, gestohlen. Am nächsten Tag sind Bradley und seine Freunde verschwunden. Louise, aber auch Peter und dessen Vater, Lord Cherlein, nutzen sämtliche Kontakte, um die gestohlene Bibel wieder in ihren Besitz zu bekommen und der Diebe habhaft zu werden…
Ingrid Kretz hat mit ihrem Buch „Mond über Sudeley Castle“ einen sehr unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der den Leser mit einem farbenprächtigen und flüssigen Schreibstil in das 19. Jahrhundert zurückversetzt, um dort auf einem ansehnlichen Anwesen in Gloucestershire Louise mitsamt ihrer Familie zu besuchen und als unsichtbarer Gast die Vorkommnisse mitzuverfolgen, die dort stattfinden. Sehr einfühlsam lässt die Autorin den Leser an der Gefühls- und Gedankenwelt sowohl von Louise als auch von Lilian teilhaben. Dieser erfährt in immer wieder eingefügten Rückblenden das ganze Ausmaß des Zerwürfnisses zwischen Lilian und Louise, aber auch, wie sich Louise und Peter kennengelernt haben. Sehr schön sind auch die bildgewaltigen Landschaftsbeschreibungen, die den Leser per Kopfkino auf ein idyllisches Schloss führen umgeben von Gärten und Wäldern. Die Themen sind sehr breit gefächert, da geht es um Wettbetrug, Diebstahl, Lügen, zwischenmenschliche Spannungen und alte Ressentiments. Interessant auch die Tatsache, dass die Hauptprotagonisten über die wirklich wichtigen Dinge kaum miteinander sprechen, um jegliche Missverständnisse aus der Welt zu räumen.
Die Charaktere sind liebevoll und detailliert ausgearbeitet und mit Leben versehen worden. Sie bestechen durch ihre individuellen Ecken und Kanten und geben dem Leser die Chance, seine Sympathien gerecht zu verteilen, sich in sie hineinzuversetzen und mit ihnen zu leiden, zu hoffen und zu bangen. Louise ist eine ruhige und freundliche Frau, die mit ihrem Ehemann, Schwiegervater und ihrem kleinen Sohn ein glückliches und beschauliches Leben führt. Sie ist hilfsbereit und mitfühlend, aber sie ist auch nachtragend, denn ein Ereignis aus ihrer Vergangenheit brennt ihr auch noch nach Jahren auf der Seele. Lilian ist zwar eine Schönheit, aber sie ist auch eine oberflächliche, selbstverliebte und egoistische Frau, die alles tut, um sich daraus einen Vorteil zu erwirken. Sie lügt und besitzt oftmals eine Arroganz, dass einem die Luft wegbleibt. Peter ist ein liebevoller Ehemann, der immer ein offenes Ohr hat. Louises Schwiegervater Lord Cherlein beeindruckt durch seine ehrliche und gastfreundliche Art, man sollte ihn allerdings nicht unterschätzen, denn er ist ein Mann, der sich nichts vormachen lässt. Ebenso überzeugen die weiteren Nebendarsteller durch ihre Handlungen und ihren Beitrag zur Geschichte.
„Mond über Sudeley Castle“ ist ein schöner Lesegenuss mit einem großartigen Setting, der mit seiner Lektüre nicht nur unterhält, sondern auch zum Nachdenken anregt. Absolute Leseempfehlung!